krone.at-Analyse

So viel Merkel steckt in Faymann und Spindelegger

Österreich
23.09.2013 16:43
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel führt ihre Partei auf Bundesebene von einem Wahlerfolg zum nächsten. Am Sonntag ist sie mit dem Triumph bei der Bundestagswahl am vorläufigen Zenit angelangt (siehe Infobox) - und das mit einem nach Meinung vieler Experten ziemlich "linken" Kurs ihrer konservativen Union. Was können Österreichs Kanzlerrivalen, Amtsinhaber Werner Faymann und Herausforderer Michael Spindelegger, von der mächtigsten Frau Europas lernen, wo liegt die "Schwesterpartei" ÖVP, wo die Kanzlerfraktion SPÖ näher an Merkels CDU/CSU? krone.at stellt den Vergleich an.

Europa: Deutschland ist unter Merkel zum wichtigsten Spieler auf dem europäischen Parkett aufgestiegen. Merkel gibt sich als überzeugte, pragmatische Europäerin, die sich auch durch wirtschaftliche Schreckensmeldungen aus den Krisenstaaten im Süden des Kontinents nicht von ihrem kompromisslosen Sparkurs abbringen lässt.

Faymann galt lange Zeit als wenig interessiert an Europafragen. Erst zum Ende der auslaufenden Legislaturperiode zeigte er mehr Begeisterung für EU-Themen. Im Wahlkampf verteidigte er zuletzt den von FPÖ und Team Stronach heftig kritisierten Europäischen Stabilitätsmechanismus. Im TV-Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte er etwa, Österreich müsse auch in Europa "einen aktiven Beitrag" für einen Wirtschaftsaufschwung leisten.

Spindelegger wird nachgesagt, seinen Posten als Außenminister gerne gegen ein anderes Regierungsamt tauschen zu wollen. In Brüssel war er in den vergangenen Jahren ebenso wenig auffällig wie der Regierungschef, gegen die Dauerpräsenz Merkels ziehen beide klar den Kürzeren. Inhaltlich ist Spindelegger wie Faymann auf Merkel-Linie. In seiner Grußbotschaft an die deutsche Wahlsiegerin betonte er am Sonntag: "Gemeinsam haben wir uns für eine Schuldenbremse, für die Einhaltung des Fiskalpakts und den ESM ausgesprochen. Da darf sich niemand ausruhen."

Steuern: Merkels CDU trat im Wahlkampf gegen neue Steuern und gegen neue Schulden auf. "Wir hatten noch nie so viel Steuern wie heute", predigte die Kanzlerin, Steuererhöhungen würden Arbeitsplätze kosten. SPD-Herausforderer Peer Steinbrück dagegen sprach sich dafür aus, durch mehr Einnahmen mehr Geld für Bildung, Infrastruktur und Schuldenabbau freizumachen.

In diesem Fall ist der "Merkel-Faktor" der ÖVP eindeutig höher als jener der SPÖ. "Das klare Bekenntnis der CDU gegen neue Steuern und gegen neue Schulden ist ein Wegweiser, wohin die Reise in Europa führen muss", so Spindelegger in seiner Reaktion auf den Wahlausgang in Berlin. Im heimischen Wahlkampf wettert er gegen die "Faymann-Steuern", die das Wachstum bremsten, und trommelt seine Botschaft von der Entfesselung der Wirtschaft.

Faymann dagegen will Einkommen bis 4.000 Euro entlasten und diese Steuersenkungen mit einer "Millionärsabgabe" gegenfinanzieren. Darin sollen Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuern ab einer Million Euro enthalten sein.

Soziales, Pensionen, Bildung: Mit satten Wahlversprechen wie einer Erhöhung des Kindergeldes und der Pensionen für Mütter war Merkel in die Schlacht gezogen. Die Vorschläge stießen bei einem Großteil der Bevölkerung auf Zustimmung - laut Umfragen befürworten 68 Prozent der Deutschen die geplanten Maßnahmen. Allerdings haben sie auch starke Zweifel an der Umsetzung: Nur 40 Prozent glauben, dass Merkels Versprechen eingehalten werden. So war der Bereich soziale Gerechtigkeit auch der einzige, in dem Steinbrück beim Wahlvolk gegen die Kanzlerin punkten konnte.

In Österreich wagen sich die beiden Regierungspartner kaum ans Thema Pensionen heran. Ein zaghafter Vorstoß Spindeleggers in Richtung einer Anhebung des Frauenpensionsalters wurde bald relativiert. Früher als 2024 soll diese nicht kommen, hieß es zuletzt von der ÖVP. Die SPÖ geriert sich als Hüterin der Pensionen, hat deren Wertsicherung ins Wahlprogramm aufgenommen und wirft der ÖVP vor, mindestens eine Nulllohnrunde anzustreben.

Auch das Thema Kindergeld - in Österreich Familienbeihilfe - ist im Wahlkampf Rot gegen Schwarz ein Nebenschauplatz. Bisher gibt es nur eine Absichtserklärung für eine Erhöhung. Die Regierung streitet lieber um den Gratis-Kindergarten. Während die SPÖ einen "Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr" will, ortet die ÖVP im Modell des Koalitionspartners einen "Zwangskindergarten". Ähnlich verlaufen die Bruchlinien bei der Schulreform: Die SPÖ will den Ausbau der Ganztagsbetreuung, die ÖVP keine "Zwangstagsschule". Im deutschen Wahlkampf spielten diese Themen kaum eine Rolle.

Auftreten: Von Helmut Kohls uneitlem "Mädchen" emanzipierte sich Merkel in ihren bislang knapp acht Jahren an der Regierungsspitze zur unbestrittenen "Mutti" Deutschlands. Das tat sie durch eine Mischung aus Unverbindlichkeit und Härte. Während Wortwahl und Tonfall oft immer noch an die kühle Physikerin von früher erinnern, zeigt Merkel national und international gern auch Muskeln: Mit Russlands Staatschef Wladimir Putin trug sie beispielsweise vor wenigen Monaten einen öffentlichen Disput über Beutekunst aus, US-Präsident Barack Obama bekam zuletzt beim G20-Gipfel in St. Petersburg recht deutliche Worte zum NSA-Überwachungsskandal zu hören.

Ähnlich wie Merkel kann Faymann im Wahlkampf bis zu einem gewissen Grad den Kanzlerbonus spielen lassen. In den TV-Duellen mit den Parteichefs versuchte er, sich großteils staatsmännisch zu geben, nur im Nahkampf mit Strache verlor er kurz die Beherrschung. Konfrontationen Faymanns mit den Großen der Weltpolitik sind nicht überliefert, Grünen-Chefin Eva Glawischnig sagte im Duell mit dem Kanzler etwa, sie habe dessen Reaktion auf die NSA-Affäre "nicht sehr mutig gefunden".

Der distanzierte Ton Merkels entspricht wohl auch dem Naturell Spindeleggers. Zuletzt ließ der ÖVP-Chef jedoch andere Seiten durchblitzen: Er trug nicht nur sein "Entfesselungs-Mantra" in zunehmend temperamentvoller Weise vor, sondern stieg auch in seinen TV-Auftritten aufs Gas: Im ersten Duell mit Frank Stronach war sein Redefluss kaum zu bremsen, im Puls-4-Studio machte er vor und hinter dem Pult mächtig Meter.

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