"Bin lustiger Vogel"

Dagmar Koller: Comeback einer Unverwüstlichen

Adabei
14.09.2013 17:00
Am 11. Oktober ist es so weit. Dann wird Dagmar Koller in ihr silbernes Glitzerkleid (Bild oben) schlüpfen und brillieren: Im Wiener Akzent Theater tritt sie zum ersten Mal nach ihrem Zusammenbruch im Frühjahr wieder auf und wird sich, wie man es von der Diva gewohnt ist, die Seele aus dem Leib singen. Auf dem Soloprogramm stehen jene legendären Hits, mit denen die Grande Dame des Showbusiness in den vergangenen 62 Jahren immer wieder ihre Fans verzaubert hat.

Doch dass die 74-Jährige die Kraft hat, dieses Comeback auch tatsächlich durchzuziehen – das hätte bis vor Kurzem niemand geglaubt. Ihr Leben gleicht einer Achterbahn. Ein ständiges Auf und Ab. Auf der einen Seite der internationale Erfolg, auf der anderen Seite das tragische Briefbombenattentat auf ihren Mann Helmut Zilk, seine Herzerkrankung und dann sein Tod 2008 nach 30 Ehejahren. Danach bestimmten Dagmars Leben Trauer, Einsamkeit und schließlich eine lebensgefährliche Darmentzündung, "weil ich aus Kummer nichts mehr gegessen habe".

"Ich bin schon ein lustiger Vogel"
Jammern, wehklagen, aufgeben oder gar in Selbstmitleid versinken? Eine Dagmar Koller doch nicht. Als sie überschwänglich die Tür zu ihrem Altbau-Domizil im ersten Bezirk öffnet und uns in ihre hochheiligen vier Wände lässt, wirkt sie jugendlich und lebhaft. Keck erklärt sie zur Begrüßung: "Ihr müsst gleich wissen: Ich bin schon ein lustiger Vogel. Obwohl das Leben hart ist. Aber: Man muss immer wieder von vorne anfangen."

Von vorne anfangen – drei Jahre nach Helmut Zilks Beerdigung war zum Beispiel so ein Zeitpunkt. "36 Monate lang bin ich jeden Tag auf dem Friedhof. Ich habe mit den anderen Witwen vor Ort schon regelrechte Freundschaften geschlossen. Doch eines Tages habe ich festgestellt: Ich bin farblos geworden und schaue traurig aus." Nach dieser Erkenntnis hatte sie sich damals abrupt radikale Friedhofs-Abstinenz verordnet und wieder begonnen, sich ordentlich zu schminken. Seitdem fährt sie nur noch einmal pro Woche zu Zilks Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Bevor "Dagi", wie sie von vielen liebevoll genannt wurde, erzählen kann, wie sie die neu gewonnene Zeit nun ausfüllt, piepst ihr iPhone. Ein Anruf aus den USA. Ein Verehrer? "Ja", zwinkert sie, springt von dem cremefarbenen Sofa auf, stellt das Handy lautlos und lässt den Amerikaner schmoren. Denn: "Nach dem Zilk, diesem zärtlichen Macho, kann man sowieso keinen anderen mehr nehmen."

In Portugal zu Kräften gekommen
Eins steht fest: Männerbekanntschaften sind es nicht, die die quirlige Sängerin inspirieren und aufbauen. Was dann? "Leistung – das ist das Einzige, was dich herausholt aus dem Weltschmerz. In der Früh wird Gymnastik gemacht und danach setze ich mich ans Klavier oder stelle mich ans Mikrofon. Das hilft", erklärt Wiens ehemalige First Lady, während sie für sich und ihre Gäste auf dem Wohnzimmertisch Fotos aus vergangenen Tagen ausbreitet und feinste Confiserie-Pralinen drapiert. "Mein Mittagessen", sagt sie, obwohl es draußen bereits dämmert. Aber ihr Hausarzt wäre trotzdem stolz auf sie. Denn das Essen hat sie sich erst langsam wieder angewöhnen müssen.

Richtig gelungen ist ihr das erst vergangenen Sommer. Sechs Wochen hatte sie nahezu allein – mit Ausnahme eines Kurzbesuchs ihrer 15-jährigen Nichte Isabelle – in ihrem Ferienhaus an der portugiesischen Küste verbracht. Ausgerechnet dort, wo sie mit ihrem Mann einst so glücklich war, hat's wieder geschmeckt? "Wissen Sie, unter Tränen musste ich die Proben für 'Sunset Boulevard' im Frühjahr in Klagenfurt aufgeben. Übrigens am selben Tag, an dem auch der Papst zurückgetreten ist", wie sie erwähnt. "Kurz danach wurde ich mit einer schweren Gastritis ins Krankenhaus eingeliefert – das hat mir die Augen geöffnet. Und wo könnte man sich besser aufpäppeln, als an einem Ort, mit dem man so schöne Erinnerungen verbindet?"

Unter der Sonne Portugals war die Koller schnell wieder die Alte und blühte regelrecht auf. Sogar einen deutschen Fotografen, der die Zilks schon ein Showleben lang begleitet hatte, ließ sie zu Aufnahmen zu sich in ihre zweite Heimat kommen. Als Dagmar da so für den Herren posierte, forderte sie der Lichtbildner unverblümt auf: "Wenn Sie so stehen, dann sieht jeder Ihr Bäuchlein. Drehen Sie sich lieber etwas."

"Natürlichkeit ist viel attraktiver"
Österreich schillerndste Witwe, die die Szene in perfektem Berliner-Dialekt wiedergibt, dachte nicht daran. Im Gegenteil! Trotzig berichtet sie: "Ich habe meine Position um keinen Zentimeter geändert. Eine 71-Jährige mit Bäuchlein. Na und?!"

Zu dem Jugendwahn in der Gesellschaft hat Dagmar sowieso eine eigene Meinung – in ihrer Autobiographie "Die Kunst, eine Frau zu sein" widmet sie diesem Thema ein ganzes Kapitel. Richtig echauffieren kann sie sich, wenn es um Botox und Co. geht. Mit beiden Händen zieht sie an ihrem Gesicht herum und macht vor, wie sie aussehen würde, wenn sie vor lauter Lifting keine Mimik mehr besitzen würde. Empört erzählt sie: "Man erkennt doch sowieso sofort, wenn jemand so aufgespritzt ist. Das ist noch nicht schön. Natürlichkeit ist viel, viel attraktiver und sinnlicher."

"Allein bin ich nicht, einsam schon"
Hatte sie selbst nie Angst vor dem Älterwerden? "Ich konnte damit umgehen, weil ich erfolgreich war. Dann kriegt man trotzdem Aufmerksamkeit, auch wenn nicht mehr alles knackig ist." Und abseits der Bühne? "Hat mir der Helmut gesagt, dass es Zeit wird, einen Rock anzuziehen, der die Knie bedeckt. Gekränkt hat mich das nicht. Ich habe mich über seine Ehrlichkeit gefreut."

So viele Menschen gibt es nicht, die zu einer Frau, die Kontakte in die allerhöchsten Kreise hat und von Glanz und Glamour umgeben ist, aufrichtig sind. Das weiß die sechsfache Tante zu gut. Aber zum Beispiel ihre Freundin Karin und Zilks Ex-Bodyguard Adi Kainz, das sind Personen, deren Loyalität sie sich sicher ist. Trotzdem sagt sie: "Allein bin ich nicht seit Helmuts Tod. Einsam schon. Abends in der leeren Wohnung. Das Wort Depressionen mag ich nicht. Aber kennen tue ich sie schon." Kurz wirkt die Musical-Queen traurig. Doch im nächsten Moment schmunzelt sie schon wieder. Sie nimmt sich ihre dritte Praline, beißt genüsslich hinein und witzelt: "Die schönsten Jahre einer Frau sind zwischen 50 und 65 Jahren. Danach wird's unangenehm."

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(Bild: kmm)



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