Im Syrien-Krieg

C-Waffen-Vernichtung – eine fast unlösbare Aufgabe

Ausland
10.09.2013 16:39
Ein Militärschlag gegen Syrien ist nach der erfolgreichen Vermittlung von Russland vorerst in die Ferne gerückt. Dennoch bleiben offene Fragen: Abgesehen davon, dass noch nicht klar ist, ob das Regime von Bashar al-Assad seine Chemiewaffen lediglich unter internationale Kontrolle stellen oder vernichten lassen will, würde Letzteres die internationale Gemeinschaft nach Ansicht von Experten vor beispiellose Herausforderungen stellen. Die Beseitigung des Arsenals, das insgesamt auf mehr als tausend Tonnen geschätzt wird, würde nicht nur Jahre dauern, sondern auch die volle Kooperation der Regierung erfordern.

Die russische Regierung hatte am Montag vorgeschlagen, die syrischen Chemiewaffenbestände unter internationale Aufsicht zu stellen und zu vernichten. Am Dienstag nahm die syrische Regierung den Vorschlag an. Beide Seiten teilten mit, sie wollten demnächst einen "konkreten Plan" vorlegen, wie die Operation umgesetzt werden solle. Mit dem Vorstoß, der von US-Präsident Barack Obama als möglicherweise "bedeutender Durchbruch" bezeichnet wurde, sollte ein US-Militärangriff auf Syrien abgewendet werden.

Schwierige Aufgabe und die Gefahr eines Granatenbeschusses
Daryl Kimball, Direktor der Nichtregierungsorganisation Arms Control Association, äußerte sich aber skeptisch zur Umsetzung. "Dies ist eine sehr schwierige Ingenieursaufgabe", sagte Kimball. Ihre Ausführung erfordere die Errichtung von Anlagen, um die Waffen zu zerstören, und die Präsenz von internationalen Inspektoren, um die Durchführung zu überwachen. Zudem bestehe ein weiteres Problem: "Es ist für mich schwer vorstellbar, wie das inmitten eines Bürgerkriegs geschehen soll. Das ist nichts, was man unter Gefahr eines Granatenbeschusses machen will", sagte Kimball mit Blick auf die unvermindert anhaltenden Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen.

Als ersten Schritt müsste Syrien der Chemiewaffenkonvention beitreten. Dafür müsste die Regierung in Damaskus ihr Chemiewaffenprogramm komplett offenlegen. Michael Luhan, Sprecher der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW), sagte, Syrien müsste ein komplettes Inventar seines Arsenals "bis auf das Kilo der Stoffe und den Typ der Munition" vorlegen. Für ein Land, das bis vor Kurzem noch offiziell bestritt, überhaupt Chemiewaffen zu haben, wäre dies eine radikale Kehrtwende.

Zerstörung würde Milliarden kosten
Der frühere UNO-Waffeninspekteur David Kay sagte, zur Sicherstellung der syrischen Chemiewaffen müssten zunächst alle Anlagen rund um die Uhr unter Bewachung gestellt werden, "um sicherzugehen, dass niemand sonst hineinkommt". Die Zerstörung der Bestände würde dann wohl Jahre und etliche Milliarden kosten. Die USA etwa haben 35 Milliarden Dollar ausgegeben, um in den letzten zwei Jahrzehnten 90 Prozent ihrer Chemiewaffenbestände in speziellen Anlagen zu verbrennen.

Auch Russland hat seit den 1990er-Jahren große Summen in die Beseitigung seines Arsenals investiert, das laut der OVCW bis 2012 zu 54 Prozent vernichtet wurde. Dabei entschied sich Russland für die Neutralisierung der Kampfstoffe durch die Injektion anderer Chemikalien, wie Luhan erklärte. Dies war auch die Variante, für die sich Libyen entschied. Die Experten betonten allerdings, dass es keinerlei Erfahrungen mit der Vernichtung von Chemiewaffen inmitten eines Kriegs gebe.

Bestände zu zerstören, wäre sehr kompliziert
Eine mögliche Lösung wäre es, die syrischen Chemiewaffen nach Russland zu bringen. "Russland wäre gut als Empfänger der syrischen Chemiewaffenbestände geeignet, da es bereits mehrere Anlagen gibt, um frühere sowjetische Bestände zu zerstören", sagt Karl Dewey von der Denkfabrik IHS Jane's. Dazu könne es ein bilaterales Abkommen geben. Allerdings warnte Dewey, dass der Transport der riesigen Bestände inmitten der Kämpfe schwierig werde und die Kooperation der Rebellen erfordern würde.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Montag vorgeschlagen, sogenannte "sichere Zonen" zu errichten, in denen das Giftgasarsenal zerstörte werden könnte, auch wenn die Kampfhandlungen im Bürgerkriegsland andauern.

Klug bekräftigt Angebot zur Entsendung von ABC-Experten
Während Experten nun angestrengt über die Umsetzung des russischen Vorschlages, syrische Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und zu zerstören, nachdenken, erneuerte Verteidigungsminister Gerald Klug sein Angebot zur Entsendung österreichischer ABC-Experten. "Das Angebot bleibt selbstverständlich aufrecht." Bedingung sei jedoch weiterhin ein entsprechendes UNO-Mandat, eine vorherige politische Lösung des Konfliktes sowie vorhandene Infrastruktur, um die Waffen zu "demontieren", sagte Klug am Dienstag.

Obwohl das syrische Regime bereits signalisiert hat, dass es einer internationalen Kontrolle seines Chemiewaffenarsenals zustimmen könnte, bleibt Klug vorsichtig skeptisch. "Die Geschichte hat uns gelehrt, dass solche Angebote mit Vorsicht zu genießen sind... Es ist noch abzuwarten, ob den Worten Taten folgen werden." Allerdings sei er weiterhin "felsenfest davon überzeugt", dass ohne Lösung der Chemiewaffenproblematik dauerhaft keine Stabilität möglich sei.

Die Kritik des Koalitionspartners ÖVP, wonach Klugs Angebot nicht an die USA, sondern an die UNO gerichtet sein hätte müssen und das Außenministerium zudem informiert werden hätte müssen, löste beim Verteidigungsminister nur Unverständnis aus. Er habe "den Aktionsradius des österreichischen Verteidigungsminister aktiv genützt". "Auf operativer Ebene sind die Verteidigungsminister meine Ansprechpartner", so Klug. Außerdem habe bereits sein Vorgänger Norbert Darabos im Oktober 2012 den USA ein solches Angebot unterbreitet: "So fremd sollte unsere Position weder dem Außenminister noch dem ihm zugeordneten Staatssekretär sein."

Staatssekretär Lopatka schäumt vor Wut
Der angesprochene Staatssekretär Reinhold Lopatka sieht dies allerdings ganz anders. "Die Bekräftigung des Angebots von Verteidigungsminister Klug an den US-Verteidigungsminister wird immer unverständlicher. Angesichts der massiven Kritik der Parlamentsparteien und der Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates in dieser Angelegenheit ist das Festhalten Klugs an seinem Angebot aufs Schärfste zurückzuweisen. Neben österreichischen Chemiewaffenexperten auch Soldaten des Jagdkommandos dem US-Verteidigungsminister für einen Syrien-Einsatz anzubieten, ist höchst verantwortungslos. Ansprechpartner für Österreich kann nur die UNO sein und niemals der US-Verteidigungsminister. Der Verteidigungsminister ist daher dringend gefordert, den Brief an den US-Verteidigungsminister endlich offenzulegen", so Lopatka.

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