Sportler zur Politik

Trimmel: “Diese Mentalität kann ich nicht leiden”

Sport
18.09.2013 11:06
An sein rhetorisches Geschick wird mancher Parlamentarier nie herankommen. In die Politik zu wechseln, ist für Clemens Trimmel aber keine Option. Der Davis-Cup-Kapitän philosophiert anlässlich der Nationalratswahl lieber darüber. Außerdem zeichnet er nach, warum Tennis "sauteuer" ist und was ihn in Österreich an der Bewertung des Spitzensports stört.

krone.at: Deine Diplomarbeit handelt von Sponsoring im österreichischen Profi-Tennis. Was waren deine Erkenntnisse?
Clemens Trimmel: Ich habe das Zusammenspiel von Verband, Sportler und Firmen beleuchtet. Zum Beispiel ist dabei rausgekommen, dass Sportlern ihr Image nicht wirklich wichtig ist. Für die Firmen ist die Kontinuität sehr wichtig. Und sie wollen immer etwas verkaufen. Das Produkt, das sie unterstützen, muss also etwas darstellen. Deswegen glaube ich, dass sich viele Sportler und Tennisspieler besser verkaufen können und müssen. Das gehört heute einfach dazu.

krone.at: Ein grundsätzliches Interesse der Wirtschaftstreibenden, in den Tennissport zu investieren, besteht?
Trimmel: Definitiv! Tennis ist in Österreich ein so großer Breitensport, der nicht umzubringen sein wird. Deswegen wird das Interesse der Wirtschaft auch immer da sein. Sicher gibt's Schwankungen, das hängt auch von den Erfolgen der Local Heros ab. Deswegen finde ich es auch so wichtig, dass Grand-Slam-Turniere wieder stärker übertragen werden.

krone.at: Ist es in Wahrheit nicht auch eine sehr politische, vielleicht sogar eine Parteibuch-Angelegenheit, ob ein Klub oder ein Sportler von einem Unternehmen unterstützt wird oder nicht?
Trimmel: Logisch. Wobei das Parteibuch in dieser Angelegenheit nicht an erster Stelle steht. Zuerst kommt's auf das Sponsoring-Portfolio der Firma an. Dann darauf, welchen Markt das Unternehmen bearbeiten will. Ist es für die Firma wertvoll, wenn ein Spieler international aktiv ist? Am allerwichtigsten: Das Sponsoring muss sich rechnen. Früher hatte ich das Gefühl, dass Firmen, die Geld hatten und eine Sache gut gefunden haben, einfach reingebuttert haben. Heute wird beinhart gerechnet, was das Sponsoring für die Firma bringt. Erstens, weil's vielen Firmen finanziell nicht so gut geht, zweitens, weil Sponsoring einfach beinhartes Business ist.

krone.at: Wie viele Politiker, mit denen du zu tun hast, haben wirklich Ahnung vom Tennis?
Trimmel: Man kann zum Beispiel dem Sportminister nicht zumuten, dass er in jeder Sportart Experte ist. Ich habe aber schon das Gefühl, dass Tennis eine Sportart ist, die in der Politik ganz gut ankommt und für die sich die Leute auch interessieren. Gerade zu Davis-Cup-Partien kommen immer wieder Politiker, mit denen ich dann natürlich auch rede. Dabei wäre mir noch nicht aufgefallen, dass da Harakiri-Fragen kommen und ich mir denke: "Der hat ja gar keine Ahnung." Zumeist waren das sehr vernünftige Gespräche.

krone.at: Vor etwa einem Jahr hat der damalige Sportminister Norbert Darabos mit dem "Olympia-Touristen"-Sager für Aufsehen gesorgt. Habt ihr euch von der Tennis-Abteilung angesprochen gefühlt?
Trimmel: Jeder im Österreich-Haus hat sich angesprochen gefühlt. Ich möchte den Satz nicht werten. Fakt ist: Jeder Sportler, der in London dabei war, tut alles für seinen Sport. Da sind ja auch Sportarten dabei, die überhaupt keine Förderungen erhalten. Da investieren die Sportler teilweise privat, um überhaupt dabei sein zu können. Für diese Leute hat mir das wirklich leid getan. Da gibt's Sportler, die mehrere Jahre auf diesen Event hinarbeiten, teilweise unter schwierigsten Trainingsbedingungen. Die oder der wird dann bei Olympia 20., was in Wirklichkeit ein unfassbar gutes Ergebnis ist - das wird ja in der Öffentlichkeit teilweise völlig falsch eingeschätzt, weil man oft die Hintergründe nicht kennt, wie schwierig es ist, diese Sportart in Österreich auszuüben. Und dann tut es schon weh, weil man sieht, wie die Leute für ihren Sport leben, daneben aber auch noch einen Beruf haben, um Geld zu verdienen, damit sie sich den Sport überhaupt leisten können.

krone.at: Lass uns das am Beispiel Tennis konkretisieren. Mit welchen Problemen hat ein junger Tennisspieler heute vor allem zu kämpfen?
Trimmel: Tennis ist ein sauteurer Sport. Damit hat nicht nur der junge Tennisspieler selbst zu kämpfen, sondern seine ganze Familie und das Umfeld. Und wenn die Jungen dann bei den Erwachsenen andocken, wird's erst richtig teuer. Du kannst ja mit 18, 19 Jahren nicht davon ausgehen, dass du sofort unter die ersten Hundert kommst. Daher musst du Future-Turniere spielen, bist dauernd unterwegs. Sagen wir, ein junger Spieler fliegt zu einem Turnier in die Türkei: Der muss zwei Flüge für sich und seinen Coach zahlen, dort eine Woche lang bleiben. Dann gewinnt er womöglich das Turnier sogar, was super-erfolgreich wäre, und kriegt dafür ein Preisgeld von 1.400 Euro. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Außer du gewinnst alle Futures und alle Challengers, damit du ATP-Turniere spielen darfst. Dann musst du dort aber auch einmal etwas gewinnen und dich dort lange halten, kannst das Ganze auf diesem Niveau aber nur zehn Jahre machen. Deswegen wehre ich mich immer dagegen zu sagen, die Tennisspieler seien verwöhnt. Es gibt ein paar Spieler, die unfassbar gut verdienen. Dann gibt's vielleicht 20, 30 Spieler, die super verdienen und sich in ihrem Leben keine Sorgen machen müssen. Und dann gibt's vielleicht 50, 60, die sehr gut verdienen. Man muss sich also schon vor Augen halten, wie viele Tennisspieler versuchen, an die Weltspitze zu kommen, und wie viele tatsächlich gut verdienen.

krone.at: Also ist Tennis nur etwas für Reiche?
Trimmel: Bis zu einem gewissen Grad stimmt das. Leute aus wohlhabenden Verhältnisse haben es in vielerlei Hinsicht einfach leichter, weil sie mehr umsetzen können. Das heißt jetzt nicht, dass es Burschen und Mädels aus ärmlichen Verhältnissen zu nichts bringen können. Es kommt auch ein wenig darauf an, in welchem Land du lebst. Mir scheint, dass der Biss in Ländern, in denen es wirtschaftlich nicht so rosig aussieht, höher ist. Das heißt nicht, dass ich jungen Spielern vom Weg ins Profitum abrate, um Gottes Willen! Ich glaube aber sehr wohl, dass es wichtig ist, parallel dazu solange wie möglich eine Ausbildung zu machen. Du kannst ein super Tennisspieler werden und trotzdem nicht viel verdienen. Für mich ist auch die Nummer 300 der Welt ein super Tennisspieler, aber viel verdienen wird er nie.

krone.at: Zurück zur Politik. Wünschst du dir ein eigenes Ministerium für den Sport - losgelöst vom Verteidigungsministerium?
Trimmel: Ja, das wäre bestimmt kein Fehler. Wenn Minister Klug im Fernsehen auftritt, steht in der Bauchbinde fast immer "Verteidigungsminister". Wenn man jetzt nicht weiß, dass er auch Sportminister ist, geht der Sport natürlich ein wenig unter. Was mich nachdenklich stimmt: Eigentlich will man in Österreich ja Spitzensport, eigentlich will man gute Leistungen sehen. Vor Olympia heißt es zum Beispiel immer: "Wie viel Medaillen werden wir machen?" Wenn wir keine Medaille nach Hause bringen, sind wir angefressen. Dabei ist keine Medaille für mich nur das logische Ergebnis, wie in Österreich der Spitzensport repräsentiert wird. Auf der anderen Seite wird für den Spitzensport nicht das Notwendige getan, damit wir so weit oben sind. Ist ja auch okay, das ist Ansichtssache. Nur darf ich mich halt nachher nicht hinstellen und enttäuscht sein, wenn man bei Olympia "nur" den 20. Platz erreicht. Der Anspruch ist oft mit der Realität nicht in Einklang zu bringen.

krone.at: Ist daran die Politik schuld?
Trimmel: Vielleicht auch. Ich glaube, dass es eher eine Mentalitätsfrage ist. Ich komme gerade aus den USA zurück. Wenn du dort College-Tennisspieler bist und jemandem auf der Straße erzählt, dass du Nummer 647 der Welt bist, sagt der: "Wow, good job!" Der freut sich, dass er dich kennenlernen darf, weil du Spitzensportler bist. Wenn du bei uns zu jemandem sagst, dass du Nummer 647 in der Herren-Weltrangliste bist, sagt oder denkt er sich: "Schon wieder einer, der's nicht geschafft hat." Der Spitzensport - das ist beinhartes Business - wird in Österreich meiner Meinung nach nicht angemessen bewerteten Melzer ist Nummer 27 der Welt, war die Nummer acht der Welt und wird in Österreich oft mit "Wirklich gewonnen hat der nie etwas" abgestempelt. Das verstehe ich nicht.

krone.at: Gehst du zur Wahl?
Trimmel: Auf jeden Fall. Ich der Meinung bin, dass wir froh sein sollten, in einer Demokratie zu leben. Daher sollte man auch von seinem Wahlrecht Gebrauch machen.

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(Bild: KMM)



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