Sprachliche Defizite

Jedes vierte Kindergartenkind hat Förderbedarf

Österreich
03.09.2013 16:45
Jedes vierte Kindergartenkind hat sprachlichen Förderbedarf. Das zeigen die im Kindergartenjahr 2012/13 durchgeführten Sprachstandsfeststellungen. Insgesamt wurden heuer rund 80.200 Kinder getestet, bei rund 18.700 (23,3 Prozent) wurde Förderbedarf festgestellt. Das sind in etwa jene Werte, die bereits vor Auslaufen der sprachlichen Frühförderung im Jahr 2010 festgestellt wurden. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz will wesentlich mehr Mittel für die Frühförderung aufwenden und verlangt einen "Systemwechsel im Budget".

Derzeit würden jährlich 3,5 Milliarden Euro für Arbeitslose aufgewendet, davon rund eine Milliarde Euro allein für Arbeitsmarkt- und Arbeitslosenverwaltung, aber nur zehn Millionen Euro für sprachliche Frühförderung im Kindergarten. "Das ist eine totale Schieflage, das kann es nicht sein", so Kurz. Besser sei es, "Arbeitslosigkeit früher zu verhindern als später zu verwalten": "Wir müssen früher investieren anstatt später reparieren." Bis 2020 müsse daher das Budget umgeschichtet werden, und zwar "von der Arbeitslosenverwaltung in Frühförderung und Schulbeginn".

Kurz will bei Sprachproblemen zweites Kindergartenjahr
Konkret verlangt Kurz ein zweites Kindergartenjahr. Dieses solle gratis sein und - unabhängig von etwaigem Migrationshintergrund - für jene verpflichtend, die Sprachprobleme haben. Die Kosten dafür beziffert er mit 70 Millionen Euro pro Jahr. Außerdem müsse es kleinere Gruppen, mehr Begleitpersonal und einen stärkeren Fokus auf die Grundkompetenzen Sprache, Lesen, Schreiben und Rechnen geben. Auch höhere Gehälter für Kindergartenpädagogen und Volksschullehrer sind für ihn denkbar. Diese Aufwertungsmaßnahmen würden noch einmal 100 bis 200 Millionen Euro kosten.

Bei den Sprachstandsfeststellungen wiesen rund 13.500 der insgesamt 52.700 neu eingetretenen Kinder sprachlichen Förderbedarf auf (25,6 Prozent). Von den 27.500 bereits im Jahr davor als förderwürdig eingestuften Kindern wurden bei rund 5.200 erneut Mängel festgestellt (18,9 Prozent).

Länder erhalten jährlich fünf Millionen zur Förderung
Seit August 2012 gilt eine neue 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Sprachförderung im Kindergarten. Die Länder erhalten demnach bis 2014 jährlich fünf Millionen Euro vom Bund, wenn sie die Mittel entsprechend kofinanzieren. Mit dem Geld sollen Fördermaßnahmen für drei- bis sechsjährige Kinder mit Sprachproblemen finanziert werden. Eine ähnliche Regelung war 2010 ausgelaufen.

Die Sprachstandsfeststellungen werden durch die Bundesländer bzw. die Kindergartenpädagogen durchgeführt. Heuer werden diese erstmals durch den Österreichischen Integrationsfonds begleitet, der die Frühförderung evaluiert.

SPÖ gegen Budgetumschichtung, aber für Förderung
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos spricht sich gegen die von Kurz geforderte Budgetumschichtung von für den Arbeitsmarkt bestimmten Finanzmitteln hin zur sprachlichen Frühförderung aus. "In Zeiten eines europaweiten Anstiegs der Arbeitslosigkeit davon zu sprechen, dass das Budget für Arbeitslose und AMS-Verwaltung gekürzt werden soll, ist eine weitere Verunsicherungsidee der ÖVP", so Darabos.

Die SPÖ habe sinnvollere Pläne zur Frühförderung, die nicht zulasten Arbeitsloser gingen, meinte Darabos. Verlangt wird etwa der flächendeckende Ausbau von Krabbelstuben, Kinderkrippen und Kindergärten sowie ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr ab dem vierten Lebensjahr. "Damit soll die individuelle frühe Förderung unserer Kinder sichergestellt und die Sprachkompetenz verbessert werden", so Darabos.

BZÖ: "Ein investierter Euro bringt acht Euro Nutzen"
Die stellvertretende Klubobfrau des BZÖ, Bildungssprecherin Ursula Haubner, betonte, dass eine gute Ausbildung sowohl den Menschen als auch den Unternehmen eine Reihe an Chancen ermögliche. Daher müsse massiv bei der kindlichen Frühförderung, d.h. bereits im Kindergarten, angesetzt werden. Denn es sei zwar in den vergangenen Jahren einiges geschehen - Stichwort verpflichtendes Kindergartenjahr - die wesentlichen Reformen hätten jedoch nicht stattgefunden. "Eine Studie besagt, dass jeder Euro, der in die frühkindliche Bildung investiert wird, mindestens acht Euro volkswirtschaftlichen Nutzen bringt. Es muss daher vor Schuleintritt vor allem die sprachliche Entwicklung gefördert und dann auch beurteilt werden."

Die BZÖ-Bildungssprecherin forderte, auch im vorschulischen Bereich die Kompetenzen beim Bund zu vereinheitlichen. Außerdem müssten etwa bei der Gruppengröße oder bei der Raumausstattung österreichweit einheitliche Rahmenbedingungen herrschen und flexible Öffnungszeiten angeboten werden. Weiters verlangte Haubner eine Aufwertung der Ausbildung der Kindergartenpädagogen. "Beim derzeitigen Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kennt sich keiner mehr aus. Hier muss es österreichweit gleiche Standards geben", sagte Haubner.

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