Kraftklub-Interview

“Wenn man nur verlieren kann, ist alles egal”

Musik
03.09.2013 17:00
"Mit K" war eines der seltenen Debütalben, das (in Deutschland) sogar bis auf Platz eins vordringen konnte. Das Chemnitzer Quintett Kraftklub rückte aber nicht nur mit der musikalischen Mischung aus Indie, Rock und Rap in den Fokus der Aufmerksamkeit, sondern auch durch ein klares Statement gegen die umstrittene Band Frei.Wild und ihr kritisch beäugtes Bühnenoutfit. Die "Krone" unterhielt sich mit den Brüdern Felix (Gesang) und Till Brummer (Bass) über die populäre Hipster-Kultur, Berliner Coolness-Zwang und Facebook-Likes.
(Bild: kmm)

"Krone": Wenn man über euch nachforscht, stößt man auf ein Zitat der "taz", die euch als "Hipster aus dem Osten" bezeichnet. Könnt ihr damit was anfangen?
Felix Brummer: In Verbindung gesetzt finde ich das eigentlich ganz lustig. Das ist so etwas wie: "Unter den Blinden ist der Einäugige König." (lacht) Der Begriff "Hipster" ist an und für sich ja total paradox, denn es ist die einzige Subkultur, die abstreitet, eine zu sein. Es liegt ja schon in der Definition des Hipsters, dass er diese Bezeichnung niemals zugeben würde, weil er ja anders sein will als die anderen.

"Krone": Würdet ihr euch selbst als Hipster bezeichnen?
Felix: Das ist ja eigentlich eine total schwache Definition. Bei einem Hipster gehört ja nicht mehr dazu, als sehr viel Wert auf Kleidung zu legen. Das reicht mir nicht als Identifikationsmerkmal. Hipster legen einen gesteigerten Wert auf Individualität. Du holst dir deine Kleidung halt nicht bei H&M, sondern bei eBay oder irgendwelchen Underground-Shops. Der eigentliche Hipster ist ja quasi der Gegenentwurf zur Definition eines Hipsters. Ein richtiger Metaller ist durch seine Kleidungsstil eigentlich mehr Hipster als der Hipster an sich. Er muss die ganze Zeit darum kämpfen, voraus zu sein. Das wäre uns auf jeden Fall zu anstrengend.

"Krone": Würdet ihr sagen, dass ihr Musik für die "Generation Praktikum" macht?
Felix: Wir machen für niemand Bestimmten Musik. Diese Vergleiche rühren wohl daher, dass es einfach unsere Generation ist. Ich würde unsere Musik aber sowieso nicht kategorisieren, das machen Musikjournalisten sehr gerne. Wir haben uns nie irgendwo hingesetzt und überlegt, dass wir jetzt genau diesen Sound mit diesem und jenem Text machen. So etwas kommt immer im Nachhinein, und dann kann jeder gerne seine Variante hineininterpretieren.

"Krone": Ihr habt eine große Verbundenheit zu eurer Heimat Chemnitz, der Karl-Marx-Stadt. Weshalb diese große Connection?
Felix: Ich würde sagen, für uns ist das gar nicht viel spezieller als für jemand anderen auch. Wir kommen halt aus einer Ecke, die sehr gerne verarscht wird. Das Erste, was den Leuten zu Chemnitz einfällt, ist, dass es viele Fußball-Hooligans gibt und die Stadt sehr alt ist. Zusammenfassend wird Chemnitz als das Gegenteil von cool angesehen. Wir fanden es immer ganz lustig, das alles mit einem übersteigerten Selbstbewusstsein zu persiflieren. Wir wollten das ins komplette Gegenteil umkehren. Die Stadt ist vielleicht komplett uncool, aber was passiert, wenn eben das Uncoole plötzlich cool ist? Wir haben uns gesagt: "Wir sind die älteste Stadt Europas, ja und? Fickt euch, ihr anderen Loserstädte." (lacht)

"Krone": Als cool wird in der deutschen Musikbranche auch der Umzug nach Berlin angesehen. Warum wolltet ihr dort nie hin?
Felix: Eigentlich sind wir ja ständig dort. Da sind unser Studio, unser Management und unser Label. Außerdem nehmen wir dort unsere nächste Platte auf. Uns stört einfach diese Sichtweise von außen. Wir sind alle zusammen in die zehnte Klasse gegangen und von 26 Leuten sind 21 nach Berlin gegangen und fünf sind hiergeblieben und haben darüber den Song "Ich will nicht nach Berlin" gemacht. Es ist für viele schon immer sehr früh ein Thema, aus Chemnitz wegzugehen. Berlin liegt auch nur zwei Autostunden entfernt. Das hat uns immer schon genervt. Genervt haben uns auch immer die Leute, die nicht für das Studium oder einen Job dorthin gegangen sind, sondern einfach nur, um in Berlin zu sein. Die Stadt versprach quasi, die Coolness auf sie abzufärben.
Till Brummer: In Berlin kannst du als junger Mensch die ganze Zeit Party feiern, während du in Chemnitz froh sein musst, dass du am Dienstagabend noch an einer Tankstelle ein Bier findest.

"Krone": Anfangs wurde ihr für euren Bandnamen torpediert, da es einige rechtsradikale Bands mit ähnlichem Namen gibt. Habt ihr im Vorfeld darüber nachgedacht?
Felix: Naja, es gibt aber auch Kraftwerk. Da haben wir uns jedenfalls keine Gedanken drüber gemacht. Es gibt immer Leute, die uns auf unsere Hosenträger und Polohemden reduzieren. Da muss ich jetzt wieder zur Hipster-Kultur kommen, denn beides kam mir schon immer sehr fragwürdig vor. Klamottencodes reichen für mich nicht aus, um jemanden auszugrenzen. Wir haben uns immer sehr klar dagegen positioniert und sind auch bei Antifa-Demos aufgetreten. In Chemnitz wussten und wissen immer alle, wo wir stehen.

"Krone": Breitenwirksam wurde diese Positionierung bei der diesjährigen Echo-Verleihung, wo ihr aufgrund der Nominierung von Frei.Wild nicht an der Veranstaltung teilgenommen habt. Habt ihr damals schon gewusst, dass ihr durch diese Reaktion medialen Wirbel auslösen werdet?
Felix: Geholfen hat es ja der anderen Band, nicht uns. Für uns war das sogar total beschissen, weil wir gerne auf der Party gewesen wären. Wären wir dann doch hingegangen und hätten etwas dazu gesagt, wäre das inkonsequent gewesen. Wir wollten einfach nicht mit Frei.Wild auf der Party sein, hätten aber im Traum nicht damit gerechnet, dass sie von der Veranstaltung ausgeschlossen werden. Das war nie unsere Intention.

"Krone": Mit eurem Debütalbum "Mit K" seid ihr sogar bis auf Platz eins der deutschen Albumcharts gestoßen. Damit konntet ihr anfangs nicht rechnen.
Till: Ich habe an einen guten Freund sogar 100 Euro verloren, weil ich gewettet hatte, dass wir nicht auf Platz eins gehen.

"Krone": Wie viel Druck staut sich damit für die nächste Platte auf?
Felix: Das wird sich dann zeigen. Tendenziell machen wir uns keinen Druck, denn man kann ja ohnehin nur alles falsch machen. Entweder klingt es wie die erste Platte oder man macht etwas ganz anderes. Es wird unmöglich sein, dass wir alle damit zufriedenstellen können. Wenn man nur verlieren kann, ist eigentlich alles egal.
Till: Wir haben jetzt auch viel mehr Fans als beim ersten Album und wenn sich davon ein paar das Album kaufen, bin ich total zufrieden.

"Krone": Wie weit ist das neue Material gediehen?
Felix: Wir sind bereits im Studio, aber noch ziemlich am Anfang. Wir haben uns jedenfalls nicht im Vorfeld hingesetzt und überlegt, wie der Sound auf dem nächsten Album klingen soll. Wir sind natürlich der Meinung, etwas Neues zu schaffen, aber es wird auch Leute geben, die nur eine Weiterentwicklung vom ersten Album erkennen werden. Das ist ja auch gut.
Till: Wir haben schon diverse Demos live gespielt und die sind immer gut angekommen.
Felix: Das war auch die Grundprämisse der Band. Auf Platz eins haben wir auch deswegen nie geschielt, weil wir uns als Liveband verstehen. Unser Fokus lag immer darauf, irgendwann einmal in einer riesigen Halle zu spielen – das eben 10.000 Leute zu unserem Konzert kommen.
Till: Eines Tages wird in Lustenau auch der Carinisaal ausverkauft sein (lacht).

"Krone": Felix und Till, ihr beide seid Brüder. Da wird es beim Arbeitsprozess nicht immer harmonisch zugehen.
Till: Eigentlich schon. Wir sind auch schon vor der Band die ganze Zeit zusammen rumgehangen. Wir sind keine gecastete Band, die sich kennenlernt und auf Tour geht, sondern wir kennen uns alle seit Ewigkeiten. Wir kannten uns innerhalb der Band schon sehr lange, bevor es professionell werden musste. Deswegen sind wir auch alle sehr angenehm reingewachsen, wir hatten einfach die Zeit. Zeit, auch mal in besagtem Carinisaal vor 14 Leuten zu spielen.

"Krone": Der Musiker Axel Bosse hat auch einmal vor einer Handvoll Leuten gespielt und die seither auf Lebenszeit zu seinen Konzerten eingeladen. Wäre das keine Option für euch gewesen?
Felix: Jetzt ist es zu spät. Wir ha>

"Krone": Es gibt seit Ewigkeiten die Beatles- und Rolling-Stones-Vergleiche. Mit welcher Band würdet ihr gerne verglichen werden bzw. wer würdet ihr gerne sein?
Felix: Das ist schwierig, aber ich tendiere zu den Beatles.
Till: Ich eher zu den Stones, dann wird hier jetzt keiner abgewiesen.

"Krone": Wer wäre dann euer perfekter Gegenpart?
Felix: Es ist jetzt kein überharter Konkurrenzkampf, aber mit Casper bewegen wir uns schon ziemlich auf einer Linie. Was jetzt Plattenverkäufe oder das Konzertpublikum angeht. Aber wir sind auch gute Freunde. Ein paar mehr Facebook-Likes könnten nicht schaden.

"Krone": Definiert ihr euch denn nach Facebook-Likes?
Felix: Cro, Casper und wir haben ungefähr gleich viel Konzertpublikum, von den Facebook-Likes her gesehen sind wir mit Abstand die Letzten. Im Umkehrschluss bedeutet das schönerweise auch, dass wir auf den Konzerten das älteste Publikum haben. Wir sind sehr stolz darauf, dass man bei uns auch als Mitte 30-Jähriger auf ein Konzert gehen kann, ohne sich dabei blöd vorkommen zu müssen. Dafür verzichten wir gerne auf ein paar Facebook-Likes.

"Krone": Von welcher Band würdet ihr gerne gecovert werden?
Till: Rammstein, eindeutig. Ansonsten würde ich es toll finden, würde eine Frau einen unserer Songs covern. Oder einen passenden Remix von Justice.
Felix: Covern finde ich persönlich interessanter als einen Remix. Dann eben Rammstein oder Florence & The Machine. Das sind in etwa auch unsere musikalischen Eckpfeiler, zwischen denen wir uns bewegen.

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