Bitkom hofft:

NSA-Skandal könnte Europas IT-Branche Beine machen

Elektronik
12.08.2013 10:08
Angesichts der aufgeheizten Debatte über Internetspionage durch den US-Geheimdienst NSA hat der Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom zur Mäßigung gemahnt. "Ich hoffe inständig, dass die Debatte über Cybersicherheit nicht wieder zu einer Renationalisierung führt", warnte Dieter Kempf in einem Reuters-Interview. Die IT-Industrie und das globale Netz seien weltweit sehr stark verzahnt. "Jeder ist auf den anderen angewiesen." Trotzdem: Der europäischen IT-Branche könnte der Abhörskandal durchaus Aufwind verschaffen.

Daher sollte das Thema Datensicherheit im Rahmen des angestrebten transatlantischen Wirtschaftsabkommens geregelt werden. "Aber es darf kein Junktim aufgebaut werden, dass man die Verhandlungen abbricht, wenn wir nicht alle geforderten Informationen erhalten. Das hielte ich für eine politische Fehlreaktion", warnte Kempf mit Blick auf solche Forderungen etwa aus Frankreich nach den ersten NSA-Enthüllungen.

IT-Verband hofft auf hohe Nachfrage bei Security-Lösungen
Der Präsident von Bitkom, wo rund 2.000 deutsche IT-Firmen organisiert sind, sieht durch die Debatte Chancen, gerade für den Mittelstand. "Die Debatte um die Sicherheit im Internet wird das Bewusstsein professioneller Nutzer deutlich erhöhen und die Aufmerksamkeit auf mögliche Lösungen lenken", sagte Kempf, der Vorstandschef des IT-Dienstleisters Datev ist. Damit sei die deutlich größere Bereitschaft gerade von Firmen verbunden, für Sicherheit Geld auszugeben.

Daher schätzt der Verband, dass die erwartete Umsatzsteigerung der IT-Sicherheitsindustrie um fünf Prozent auf 3,3 Milliarden Euro in diesem Jahr nach der NSA-Debatte übertroffen wird. "Profitieren können etwa deutsche Cloud-Anbieter, die schon länger besonderen Wert auf Sicherheit legen", sagte Kempf.

Es sei technisch einfach, eine hohe Sicherheitsstufe zu realisieren - wenn die Kunden bereit seien, dafür auch zu zahlen. Profitieren könnten auch die Anbieter von Verschlüsselungstechnologie oder Tunnelübertragungen im Datenverkehr. Hier gebe es in Deutschland namhafte mittelständische Anbieter. Ähnlich hatte sich der deutsche Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler geäußert.

Kemp fordert "Cybersicherheits-TÜV"
Bei Serverbetreibern sei die Lage dagegen zwiespältig, weil die Hardware meist nicht aus Deutschland komme. "Aber natürlich spielt auch hier die Frage eine Rolle: Wie und wo betreibe ich eine Server-Farm und welchen Datenschutzbedingungen unterliege ich?"

Wichtig sei auch die Zertifizierung verlässlicher IT-Produkte. Kempf sprach sich dabei gegen den Weg über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie und für ein privatwirtschaftliches Prüfsystem aus - "so eine Art Cybersicherheits-TÜV".

Der Grund liege in der Gefahr, dass Behörden ansonsten wieder verschiedene nationale Standards entwickelt könnten. "Wenn man den Weg über das BSI geht, muss man aufpassen, dass man nicht wieder in einer Kleinstaaterei mit unterschiedlichen Zulassung in verschiedenen EU-Staaten zu landen", warnte Kempf.

Bitkom-Chef warnt vor staatlichen Förderungen
Ausdrücklich warnte Kempf vor der Verlockung, nun mit großen staatlichen Subventionsprogrammen zu versuchen, den Vorsprung der US-Konzerne auf allen IT-Gebieten aufholen zu wollen. Deutschland werde etwa bei der Herstellung von Routern nicht den Anschluss an die von zwei Firmen aus den USA und China dominierten Weltmarkt schaffen. "Man muss sich eher darauf konzentrieren, Prüftechnologien zu ersinnen, um herauszufinden, ob in Geräten oder Systemen Backdoors eingebaut sind."

Experten warnen, dass Hacker durch die zunehmende Vernetzung und die nötigen Updates von Software bei der Wartung von Firmensystemen vertrauliche Informationen stehlen könnten. "Um sich wirkungsvoll zu schützen, sollte man lieber darüber nachdenken als Gedanken darauf zu verschwenden, mit staatlichen Subventionen in Deutschland eine eigene Router-Industrie aufzubauen", sagte der Verbandschef.

Als ähnlich illusorisch bezeichnete er die Debatte um eine europäische Suchmaschine. Auch hier gebe es andere Wege. "Wer wirklich nicht will, dass Suchmaschinenanbieter die eigenen Daten sammeln, kann schon heute Camouflage-Technologien nutzen." Allerdings müsse man dann auch diskutieren, wohin das Verstecken der eigenen Daten führe: "Ganz am Ende einer solchen Entwicklung könnte kann das Ende des kostenfreien Google-Internets stehen."

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