"Krone"-Interview

Stereophonics sehen sich nicht als eine Hit-Band

Musik
30.07.2013 07:46
Die walisischen Rocker Stereophonics waren schon immer die Helden der zweiten Reihe, denen der große Durchbruch nie so richtig gelingen wollte. Im "Krone"-Interview erzählen Frontmann Kelly Jones und Drummer Jamie Morrison, warum ihnen das nicht so wichtig ist und weshalb es entscheidend für die Stimmung ist, an welchem Wochentag man live auftritt.
(Bild: kmm)

"Krone": Ihr habt mit "Graffiti On The Train" nach mehr als vier Jahren wieder ein neues Album herausgebracht. Warum hat das dieses Mal so lange gedauert?
Kelly Jones: Manchmal braucht es etwas Zeit und wir haben auch vier Jahre lang getourt. Wir haben Material für drei Alben aufgenommen und jetzt einmal das erste veröffentlicht. Ich hoffe, die anderen folgen bald. Wir haben in der Zwischenzeit auch schon vieles vom nächsten Album aufgenommen. Es war eine tolle Erfahrung, einmal ohne große Plattenfirma zu arbeiten, alles selbst zu machen und auch Videos dazu zu drehen.

"Krone": Eure Grundidee war, eine richtige Album-Trilogie zu machen.
Jones: Am Anfang schon, deshalb haben wir auch 40 Songs aufgenommen. Green Day haben uns die verdammte Idee gestohlen. Wir dachten, wir wären die einzigen, und dann waren sie mit ihrer Trilogie einfach schneller. (lacht) Das war auch ein Mitgrund, warum wir den Plan verworfen haben. In diesen Tagen bin ich mir auch nicht sicher, ob die Leute die finanziellen Möglichkeiten haben, in so kurzer Zeit gleich drei Alben zu kaufen. Da muss dann auch eine andere Marketingstrategie dahinterstecken. Das funktioniert derzeit noch nicht gut genug.

"Krone": Ihr werdet für die nächsten Alben keine neuen Songs schreiben?
Jones: Wir werden sehen. In erster Linie sind wir über das neue Album glücklich. Es bekam überraschend viele gute Kritiken und wir haben Singles, deren Potenzial ich als solche anfangs gar nicht bemerkt hätte. Wir werden uns das noch genau überlegen, wie wir das weiterführen werden.

"Krone": Kann es sein, dass den Hörern vielleicht die Aufmerksamkeitsspanne für drei aufeinanderfolgende Alben fehlen?
Jones: Ich weiß nicht, es gibt mittlerweile so viele verschiedene Wege, ein Album zu hören oder kaufen. Etwa den traditionellen Weg oder als Download – wir laden selbst viele Alben herunter. Das kann auch seine Vorteile haben. Ich selbst habe unlängst die Eagles-Dokumentation heruntergeladen und seitdem höre ich mir die ganze Zeit die Eagles an. Queens Of The Stone Age haben ihr Album ohne großen Label-Rückhalt rausgebracht, landeten auf Platz eins und spielen in den großen Arenen.

"Krone": Du hast also keine Probleme mit den ganzen Download-Praktiken, die so populär wurden?
Jones: Wir befinden uns in einem Veränderungsprozess, wo es manche Bands schaffen und manche nicht. Die Labels springen mittlerweile auf erfolgreiche Internet-Bands auf - das ist fast schon üblich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir künftig hauptsächlich Musik zum Streamen anbieten und dafür bezahlt werden. Aber Vinyl etwa erfreut sich größerer Popularität, selbst Kassetten kursieren wieder. Das finde ich großartig, ich bin ja selbst damit aufgewachsen.
Jamie Morrison: Die ganzen Plattenläden sperren zu, das ist sehr traurig, weil du einfach nicht mehr die Möglichkeit hast, nach Musik zu stöbern.

"Krone": Ihr seid mit dem Album in vielen Charts sehr hoch gekommen, in England von Stand weg auf Platz drei. Bist du auch mit etwas Abstand zum Album noch zufrieden mit dem Ergebnis?
Jones: In den Top 10 und Top 20 hat sich das Album monatelang gehalten, damit konnten wir überhaupt nicht rechnen. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Markt sehr R&B- und Pop-lastig ist, sind wir sehr überrascht und erfreut über diesen Erfolg.

"Krone": Direkt vor den Albumaufnahmen habt ihr euch eine Zeit lang aus dem Livegeschehen zurückgezogen. Aus welchen Gründen?
Jones: Wir wollten es einfach anders angehen. Ansonsten spielst du dein Album zwischen Touren sechs bis acht Wochen lang ein. Dieses Mal haben wir uns einfach Zeit gelassen und uns nicht gestresst. Es war schön, einen Song zu schreiben und ihn reifen, entwickeln lassen.

"Krone": Du bist Vater zweier Töchter. Da sind doch auch Pausen nötig.
Jones: Ich habe immer versucht, auch während den Touren nach Hause zu kommen. Etwa nach drei Wochen für drei oder vier Tage. Meine Töchter sind sechs und acht Jahre alt und das Wichtigste für mich.

"Krone": Nimmst du sie auch auf Tour mit?
Jones: Manchmal schon. Jetzt müssen sie in die Schule, aber wenn wir oft montags Soundchecks machen, sind sie immer dabei. Sie prügeln dann immer auf Jamies Drumkit ein. Das sind richtige Diebe, sie stehlen ihm auch oft seine Sticks. Die anderen Instrumente interessieren sie noch nicht.

"Krone": Jamie, wie viele Drumsticks verbrauchst du dann in dem Fall?
Morrison: Eine ganze Menge, ich bringe sie schon haufenweise zu den Proben mit. (lacht)

"Krone": Beruht "Graffiti On The Train" auf einem bestimmten Konzept?
Jones: Ich würde sagen, es gibt mit den Themen Angst oder Angstlosigkeit einen roten Faden. Ich habe zur gleichen Zeit ein Drehbuch geschrieben, wo es um überwältigende Angst geht. Das ist dort miteingeflossen.

"Krone": Der Song "Been Caught Cheating" wurde von Amy Winehouse inspiriert. Was macht diese Person so besonders?
Jones: Sie ist nicht nur eine Sängerin, sondern auch eine Songwriterin mit einem Talent für mehrere Zeitalter. Ich bin durch "Back To Black" auf sie aufmerksam geworden, habe das Album dann drei Jahre später wieder angehört und war plötzlich zu "Been Caught Cheating" inspiriert. Da sind so viele starke Nummern drauf, unglaublich. Wir haben auch etwa fünf, sechs Songs in Nachtsessions aufgenommen, wo wir uns betranken. Ich hatte nie die Chance, Amy diesen Song vorzuspielen.

"Krone": Das neue Album klingt ruhiger als die vorigen.
Jones: Ich würde sagen, es klingt filmischer, bombastischer. Wir haben sehr viel Melancholie und Verträumtheit darauf verpackt. Ich finde, das Album ist sehr gut ausbalanciert und wird live in den richtigen Clubs auch gut einschlagen.

"Krone": Du bereitest jetzt deinen ersten Film als Regisseur vor. Erzähl doch darüber.
Jones: Ja, das versuche ich gerade. Wir versuchen das als Band. Wir lieben Musik, Filme, wir lieben es, Geschichten zu erzählen und das alles spielt bei uns zusammen. Ich finde, wir leben in der perfekten Zeit, um all diese Talente zu vermischen. Es ist uns wichtig, etwas zu erschaffen, wo wir dann zurückblicken und sagen können: "Wow, das ist ein wirkliches Meisterwerk." Es wird ehrlich und echt sein, soll uns als Band zeigen.

"Krone": Würde es dich auch reizen, einen Hollywood-Film zu drehen?
Jones: Ich glaube nicht, dass wir die Ambitionen haben, so ein Projekt in Angriff zu nehmen. Mir ist wichtig, meine Story machen zu können. Ich würde einfach keine Story eines anderen verfilmen wollen, ich will auch keine Texte anderer Leute singen. Das ergibt für mich keinen Sinn. Ich mag eben die Eagles-Dokumentation. Sie sprechen dort so offen über sich und ihre Karriere. Diese Chance hatten sie jahrelang nicht und genau deshalb finde ich das Projekt so interessant.

"Krone": Gemeinsam habt ihr auch, dass ihr beide echte, handgemachte Musik erschafft. Die Charts sagen derzeit etwas anderes.
Jones: Ich habe kein Problem damit, dass die Kids heutzutage auf Reality-TV, X-Factor und all diese obskuren Websites stehen. Wenn du echte, selbst geschriebene Musik machst, bist du auch verwundbar. Du nimmst das Feedback von Menschen viel persönlicher. Für mich ist das aber wichtig, die Musik ist mein Leben. Ein Album inspiriert mich nicht dazu, Musik zu machen. Die Musik selbst inspiriert mich dazu. Ich gebe da nicht so viel Wert darauf, ob ich jetzt groß im Rampenlicht stehe oder nicht. Bin ich auf einem Frontcover, ist das aber natürlich trotzdem cool. (lacht)

"Krone": Was jeher so unglaublich viele gute Pop- und Rockbands kommen?
Jones: Vielleicht liegt das am ewig grauen Himmel? Wie kannst du etwa von der Schweiz inspiriert werden? Dort ist ja alles so verdammt perfekt. Du musst schon nach New York reisen, um Konflikte zu sehen. Ich glaube vieles lag auch an Manchester in den 60er- und 70er-Jahren, als dort die große Depression herrschte. Da haben sich dann Bands wie New Order oder Joy Division formiert. "Definitely Maybe" von Oasis wurde auch in Manchester verfasst. Ich glaube, es liegt einfach am Lebensstil. Daran, dass eben nicht alles in Ordnung ist. Und das bringt dir auch mehr Ideen für Texte.

"Krone": Weil wir von Oasis gesprochen haben, bist du der Vergleiche mit den Brit-Pop-Größen schon müde?
Jones: Das Thema wurde schon oft durchgekaut. Ich denke, es ist einfach wichtig für die Außenwirkung, um uns irgendwo zu kategorisieren.
Morrison: Für mich gibt es auch keine musikalischen Genres, sondern nur gute und schlechte Musik. Journalisten und Plattenlabel müssen kategorisieren. Und da die Plattenlabel aussterben, werden Journalisten da wichtiger, denn sie geben dem Leser die Richtung vor. Vergleiche doch zum Beispiel die Beatles mit dem schottischen DJ Calvin Harris. Bei Harris ist nicht viel dahinter, aber dennoch muss er in eine Schublade gesteckt werden. Es geht um die Qualität, nicht um die Kategorisierung.

"Krone": Weil ihr gerade wieder auf Tour seid, wann sieht man euch für eine Clubshow wieder in Österreich?
Jones: Hoffentlich bald. Wir planen eine kleine Europatour nach den fixierten Terminen. Du kannst heute nicht mehr vor den Festivals auf Tour gehen, weil die Leute ihr Geld eben in die Festivals investieren möchten. Sollte es sich heuer nicht ausgehen, würden wir zumindest gerne 2014 kommen.

"Krone": Was hältst du von Festivals, wo es den Leuten oftmals mehr um die Party und das Bier als um die Musik einer Band geht?
Jones: Das ist ganz unterschiedlich. Wir waren unlängst in London auf einem Festival - und da sind die Leute für die Musik da und nicht, um sich die Birne wegzuknallen. Was auch cool an Festivals ist, ist die Tatsache, dass du backstage mit so vielen anderen Bands abhängst und richtig viel Spaß hast. Das ist auf normalen Touren ja nicht der Fall.

"Krone": Fühlt ihr als Künstler eigentlich Unterschiede zwischen einem europäischen und - beispielsweise - einem australischen Publikum?
Jones: Das kann schon sein. Es ist ganz verschieden. Ich mag es gerne, wenn du plötzlich irgendwo wieder ein paar 15-jährige Kids siehst, die dich und deine Band gerade entdecken. Es kommt wohl eher auf den Wochentag an. Von Donnerstag bis Samstag gehen alle wie verrückt ab, bei Shows zwischen Sonntag und Mittwoch sind sie um einiges ruhiger. (lacht)

"Krone": Wie wichtig ist es euch, sich stilistisch immer wieder zu verändern?
Jones: Sehr wichtig, sonst wird es langweilig. Denk doch mal an die Rolling Stones oder Aerosmith – bei denen ist es anders, da geht es oft nur um den einen großen Hit auf dem Album. Wir waren nie diese große Hitband, sondern eher eine Albumband. Ich habe ja auch ein sehr breites Geschmacksfeld und höre an diesem Tag Stevie Wonder und am nächsten die Sex Pistols.

"Krone": Was ist für dich die schönste Zeit beim Entwerfen eines Albums?
Jones: Ich liebe den Songwriting- und Aufnahmeprozess. Ich liebe es, an Details zu schrauben und bei den anderen mitzuarbeiten. Nur wenn es um meine eigenen Parts geht, verliere ich komischerweise immer die Lust darauf. (lacht)

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