Schüler als Opfer

Missbrauchsprozess gegen Ex-Pater in OÖ gestartet

Österreich
01.07.2013 16:47
Im Landesgericht Steyr in Oberösterreich hat am Montag der Missbrauchsprozess gegen den ehemaligen Konviktsdirektor des Stiftes Kremsmünster begonnen. Dem mittlerweile in den Laienstand zurückversetzten 79-jährigen Ex-Pater werden sexuelle und gewalttätige Übergriffe auf insgesamt 24 ehemalige Schüler vorgeworfen. Der Angeklagte zeigte sich weitgehend geständig, sein Verteidiger sieht die Taten aber als verjährt an. Nach Anklagevortrag und Entgegnung des Verteidigers wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Der Angeklagte kam erst knapp vor Verhandlungsbeginn mit dem Lift zum Verhandlungssaal. Gegenüber den zahlreichen wartenden Journalisten wollte er nichts sagen. Der weißhaarige Mann im dunklen Anzug, der gebeugt und am Stock zu seinem Platz ging, versteckte sein Gesicht nicht. Er ließ das Blitzlichtgewitter mit stoischer Ruhe über sich ergehen. Auf Fragen des Richters nach seinen Personalien antwortete er ruhig und mit sicherer Stimme.

Der Tatzeitraum erstreckt sich von September 1973 bis Juni 1993. Neben sexuellen Übergriffen wirft die Anklage dem 79-Jährigen auch Schläge, teils mit einer Ochsenpeitsche, Tritte, beidhändig ausgeführte "Stereowatschen", das Ausreißen von Haaren sowie die Drohung, er werde seine Pumpgun holen, oder das "Vogelfrei-Erklären" von Schülern vor. Bei Letzterem seien die Mitschüler dazu ermuntert worden, den Betreffenden zu drangsalieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Zu den sexuellen Übergriffen sei es nicht nur im Stift, sondern auch bei diversen Auslandsreisen gekommen. "Der Angeklagte dürfte ein Gespür dafür gehabt haben, wen er sich aussuchte", so die Staatsanwältin. Viele der Opfer hätten schulische oder soziale Probleme gehabt. Der Ex-Pater habe sich als ihr Schutzpatron dargestellt.

Verteidigung ortet Verjährung der Taten
Der Angeklagte bat den Richter bei der Verlesung der Anklagepunkte lauter zu sprechen, denn er höre schlecht. Ansonsten ließ er die Vorwürfe still über sich ergehen. "Mein Mandant wird sich weitgehend geständig zeigen und bei den Opfern entschuldigen", kündigte sein Verteidiger an. "Aber so schlimm diese Taten gewesen sein mögen, die Frage ist, ob er von einem Strafgericht noch verurteilt werden kann." In dem Prozess dürfte es daher vor allem um die Frage der Verjährung gehen. Der Verteidiger wies aber in seinen Ausführungen auch darauf hin, dass es in den Aussagen einiger Betroffener Widersprüche gebe.

Zwölf Opfer wollten öffentliche Verhandlung
"Bei vielen der von mir Vertretenen ist das Leben völlig anders verlaufen, als sie es sich vorgestellt haben", sagte ein Opfervertreter, der für neun ehemalige Schüler dem Prozess folgt. Ihr Mandant kämpfe bis heute mit Selbstmordgedanken, so eine andere Privatbeteiligten-Vertreterin. Die Geschädigten schließen sich teilweise mit Schmerzensgeldforderungen dem Verfahren an. Laut den anwesenden Privatbeteiligten-Vertretern würden ihre - insgesamt zwölf - Mandanten ausdrücklich eine öffentliche Verhandlung begrüßen. Der Verteidiger hingegen pochte auf einen Ausschluss. Der Richter entschied in diesem Sinne. Als Begründung führte er an, dass es auch Opfer ohne Vertreter gebe und er deren Privatsphäre schützen müsse.

Am ersten Prozesstag sagten zwei mutmaßliche Opfer sowie der Abt des Stiftes als Zeugen aus. Dann sah sich das Gericht die Videos der Einvernahmen aus dem Ermittlungsverfahren an. Am Dienstag soll die psychiatrische Sachverständige Heidi Kastner gehört werden. Hier geht es vor allem um die Frage, ob oder welche Folgeschäden bei den ehemaligen Schülern durch den Missbrauch zurückgeblieben seien, hieß es. Dann werden erneut Opfer befragt und Videos der kontradiktorischen Einvernehmen abgespielt. Mit einem Urteil wird am Mittwoch gerechnet. Im Fall eines Schuldspruchs drohen dem Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft.

Drei Jahre vom Bekanntwerden bis zur Anklage
Vom Bekanntwerden der Kremsmünsterer Missbrauchsaffäre in den Medien bis zur Anklage dauerte es mehr als drei Jahre. Ursprünglich gab es Ermittlungen in 39 Fällen. Einige Verfahren wurden eingestellt, weil die Vorfälle verjährt oder die Beweise zu dünn waren. Insgesamt wurden mehr als 700.000 Euro an Opfer gezahlt.

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