"Vertrauensbruch"

Reparatur des Mafia-Paragrafen scheitert an ÖVP

Österreich
19.06.2013 16:30
Die Reform des umstrittenen Mafiaparagrafen 278a im Strafgesetzbuch ist - zumindest für die laufende Legislaturperiode - gescheitert. Trotz früherer Zusagen verweigerte die ÖVP der Gesetzesreparatur im Justizausschuss am Mittwoch die Zustimmung, berichteten die Justizsprecher von SPÖ und Grünen, Hannes Jarolim (Bild) und Albert Steinhauser. Beide zeigten sich darüber empört. ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath bedauerte die Blockade seiner Partei zwar, versuchte sie jedoch zu rechtfertigen: So müsse man "berechtigte Interessen von Wirtschaft und Landwirtschaft" berücksichtigen.

Die vor allem wegen des Wiener Neustädter Tierschützerprozesses in Verruf geratene Bestimmung sollte repariert werden, damit sie nicht weiter zur Verfolgung von Nicht-Regierungsorganisationen führen kann. Per Initiativantrag wollte man die Formulierung "oder erheblichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft" aus der Bestimmung über kriminelle Organisationen streichen - gerade noch rechtzeitig zur Juli-Plenarwoche des Nationalrats.

Auf die versprochene Regierungsvorlage von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hatten die Abgeordneten zuvor vergeblich gewartet. Die Ministerin hatte sich auf die Argumentation zurückgezogen, die Rechtskraft der Tierschützer-Urteile abwarten zu wollen - eine für SPÖ und Grüne absurde Argumentation, weil alle den Mafiaparagrafen betreffenden Teile nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien bereits rechtskräftig sind.

"Ich bin derart empört"
Über den nun endgültigen Rückzieher der ÖVP zeigte sich Jarolim stinksauer. "Ich bin derart empört, dass ich es gar nicht sagen kann." Es habe die klare Zusage zur Zustimmung gegeben, verknüpft mit der Unterstützung der SPÖ für die GmbH-Reform. Diese sei "eigentlich ein Topfen", man habe aber wohl oder übel dafür gestimmt.

Dass die ÖVP beim Mafiaparagrafen nun abgesprungen sei, wertete er als "echten Vertrauensbruch" und attackierte Vizekanzler Michael Spindelegger, der seinen "Haufen" nicht im Griff habe. Offensichtlich sei "irgendeinem Klüngel" in der ÖVP nachgegeben worden. "Ich erwarte, dass die Leute, die das nicht wollen, an die Öffentlichkeit treten und das sagen."

Karl als "Marionette der ÖVP-Klientelpolitik"
Steinhauser sprach von einer "Provinzposse peinlichster Sorte" und verwies darauf, dass Ministerin Karl die Gesetzesreparatur nach der Evaluierung durch Strafrechtler bereits für den Sommer 2012 angekündigt hatte. Das Scheitern gebe tiefe Einblicke in die ÖVP. Schuld trage der Bauernbund, der keine Änderung wolle, weil man sich offensichtlich den Jägern im Wort sehe.

"Die Gestaltung eines scharfen Strafrechtsparagrafen wird von den Befindlichkeiten fachfremder Parteifunktionäre abhängig gemacht", kritisierte der Grüne. "Karl muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie kein politisches Gewicht, keine Durchsetzungsfähigkeit hat und eine Marionette der ÖVP-Klientelpolitik ist."

Ikrath: "Rechtswidrige Übergriffe müssen strafbar sein"
Am Mittwochnachmittag meldete sich auch der ÖVP-Justizsprecher zu Wort und verwies auf die Interessen von Wirtschaft und Landwirtschaft, die es vor einer möglichen Neufassung oder gänzlichen Streichung zu berücksichtigen gelte.

So müsse man vor einer Neufassung oder Abschaffung des Mafiaparagrafen sicherstellen, dass die rechtswidrigen Übergriffe radikaler Tierschützer auch tatsächlich strafbar seien. "Wenn Organisationen das legale Geschäftsmodell in Wirtschaft und Landwirtschaft aufgrund gewisser politischer Einstellungen durch illegale Übergriffe zerstören wollen, muss es dafür eine strafrechtliche Handhabe geben", so Ikrath.

Versöhnlicher äußerte sich der ÖVP-Justizsprecher im Justizausschuss des Nationalrats. Laut Parlamentskorrespondenz betonte er dort, er habe sich in den eigenen Reihen massiv für eine Gesetzesänderung eingesetzt. Bedenken, die auch von Vertretern der Wirtschaft geäußert wurden, hätten jedoch leider nicht ausgeräumt werden können. Dies bedauere er vor allem vor dem Hintergrund, dass der angesprochene Paragraf dem Schutzbedürfnis dieser Gruppen überhaupt nicht Rechnung trage.

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