Fairtrade-Handy

Weltweit erstes faires Smartphone geht in Produktion

Elektronik
06.06.2013 13:07
Sie haben sich viel vorgenommen, die acht Mitarbeiter des niederländischen Unternehmens Fairphone: Mit einem einzigen Smartphone wollen sie die Art und Weise, wie elektronische Produkte heutzutage hergestellt werden, verändern. Ihre Vision: ein unter fairen und umweltverträglichen Bedingungen nachhaltig produziertes Mobiltelefon. Viele Internetnutzer teilten diesen Traum: Mithilfe ihrer finanziellen Unterstützung geht das Fairphone jetzt in Produktion.

Faire Arbeit für fairen Lohn – das kennt man bereits aus dem Supermarkt, beispielsweise von Obst, Kaffee, Kakao und Fruchtsäften oder von diversen Textilien, auf denen ein entsprechendes Fairtrade-Siegel prangt. Damit die Plantagenarbeiter in Südamerika oder die Baumwollpflücker in Indien mehr verdienen, sind viele Verbraucher inzwischen bereit, beim Einkauf etwas tiefer in die eigene Tasche zu greifen.

Der Frage, woher unsere elektronischen Geräte wie Notebooks, Tablets oder Smartphones stammen und unter welchen Bedingungen diese produziert werden, stehen viele Konsumenten jedoch nach wie vor relativ gleichgültig gegenüber. Geiz ist eben geil - sofern nicht gerade ein weiterer Bericht über eine neue Selbstmordserie beim Auftragsfertiger Foxconn die Runde macht.

Das eigentliche Problem beginnt jedoch schon viel früher, fernab der Fließbänder in Fernost, nämlich bei der Gewinnung der für die Produktion der Geräte dringend benötigten Rohstoffe in Afrika, wo Menschen, darunter häufig Kinder, unter Einsatz ihres Lebens in lediglich notdürftig gesicherten Schächten nach wertvollen Mineralien schürfen – ohne davon letztlich groß zu profitieren.

Ein Stück Technik und Gewissheit
Bas van Abel, Gründer und Geschäftsführer des niederländischen Unternehmens Fairphone, möchte dies ändern und ein Umdenken beim Konsumenten bewirken, sodass am Ende alle in der Kette etwas davon haben: vom Mineralienschürfer in Afrika über den Fließbandarbeiter in Fernost, der die Geräte zusammensetzt, bis zum Konsumenten, der dann nicht nur ein Stück Technik, sondern auch Gewissheit in den Händen halten kann.

Van Abels Vision: die Herstellung eines unter Gewährleistung von guten Arbeitsbedingungen und Umweltstandards nachhaltig produzierten Smartphones, eines "Fairphones" eben. Was lange unmöglich schien, wird jetzt Wirklichkeit: Bereits im Sommer soll die Produktion eines entsprechenden Geräts starten, im Herbst wird mit der Auslieferung begonnen, wie das gleichnamige Unternehmen am Dienstag verkündete.

Investition in den Wandel
Ermöglicht haben dies Tausende Internetnutzer, die das Fairphone via Crowdfunding vorbestellten und dem Unternehmen so das benötigte Geld vorstreckten. "5.000 Menschen zahlten 325 Euro für ein Mobiltelefon, das sie nicht in eigenen Händen gehalten haben. Das heißt, dass dies mehr als nur ein Mobiltelefon ist", so Bas van Abel. "Die Menschen investieren in den Wandel und zeigen, dass wir gemeinsam komplexe Lieferketten öffnen und die Art und Weise, wie Produkte hergestellt werden, ändern können."

Crowdfunding gewährleistet Unabhängigkeit
Das Erreichen des Ziels von 5.000 Mobiltelefonen sei ein bedeutender Moment für Fairphone, da es zeige, dass es eine bestehende Nachfrage nach Produkten gebe, die für soziale und ökologische Faktoren Rechnung tragen, die Hand in Hand mit ihrer Herstellung gehen. Das Crowdfunding der Produktion ermögliche es Fairphone darüber hinaus, seine Unabhängigkeit zu bewahren und mit der Herstellung ohne weitere Investitionen zu beginnen.

Existenzsichernde Löhne
Das erste Mobiltelefon von Fairphone wird laut Unternehmen konfliktfreie Mineralien, Zinn und Tantal aus der Demokratischen Republik Kongo enthalten und in einem Werk zusammengesetzt werden, in dem ein eigens eingerichteter Fonds die Verteilung existenzsichernder Löhne unter den Arbeitern sicherstellt. Über seine Stückliste, Kostenaufschlüsselung und Direktlieferanten möchte Fairphone Transparenz bieten.

Das kann das Fairphone
Das fair produzierte Smartphone, über dessen Design die Spender im Internet abstimmen konnten, basiert auf Googles mobilem Betriebssystem Android und verfügt über einen günstigen Quad-Core-Prozessor, ein Gigabyte RAM sowie 16 Gigabyte Speicher. Letzterer lässt sich per microSD-Slot um bis zu 32 Gigabyte erweitern. Das Display misst 4,3 Zoll und bietet eine Auflösung von 960 x 540 Pixeln. Zwei Kameras – eine mit 1,3 Megapixeln auf der Front sowie eine 8-Megapixel-Kamera samt LED-Blitz auf der Rückseite – runden das Angebot ab.

Ins Internet gelangt das Fairphone per UMTS/HSPA. Angaben zu WLAN- und Bluetooth-Versionen fehlen bislang ebenso wie Angaben darüber, welche Gesprächs- und Standby-Zeiten der wechselbare 2000-mAh-Akku des Fairphone ermöglicht. Eine detaillierte Auflistung der Spezifikationen gibt es auf der offiziellen Website des Unternehmens.

Recycling und Ersatzteile für das "Danach"
"Unter Berücksichtigung der vollen Lebensdauer des Produktes, ist Fairphone bereits bestehenden E-Schrott-Recyclingprogrammen beigetreten, hat ein Handy-Rückkaufprogramm und bietet Ersatzteile aller wichtigen Komponenten über seine Vertriebskanäle an", teilte Fairphone mit. Der Prototyp soll dem Unternehmen nach im August verfügbar sein. Über die Webseite laufen die Vorbestellungen für den ersten Produktionslauf indes weiter. Wer sich vor dem 14. Juni zum Kauf entscheidet, soll eine Special Edition erhalten.

Ob das Fairphone von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten. Eines ist den Machern aber schon jetzt gelungen: "Fairphone reißt ein wichtiges Thema der Elektronikindustrie an, über das niemand sprechen will: die Herkunft unserer Produkte."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele