Interview

Sportfreunde Stiller im Gespräch mit der “Krone”

Musik
27.05.2013 17:00
Sie haben bei den Amadeus Awards gespielt, waren unlängst in der ausverkauften Szene Wien zu Gast und haben mit "New York, Rio, Rosenheim" nach sieben langen Jahren endlich wieder ein Album veröffentlicht. Die Sportfreunde Stiller sind zurück. Die "Krone" hat sich mit Peter Brugger und Rüdiger "Rüde" Linhof über die schönen Seiten des Musikerdaseins, unnötiges Negativdenken und - natürlich - Fußball unterhalten.
(Bild: kmm)

"Krone": Rüde, ihr macht seit vielen Jahren gute Platten, tourt viel und seid sympathische Zeitgenossen. Ein schöner Beruf, oder?
Rüdiger Linhof: Das Schöne an unserer Beschäftigung – ich wage es gar nicht als Beruf zu bezeichnen – ist, dass man immer Etappen hat, wo man etwas abschließen kann und wieder neu beginnt. Da kommt erst die Platte und dann die Phase, in der man sie den Leuten durch Interviews, Promotion und Konzerte vorstellt. Das ist mit einer unheimlichen Geschwindigkeit und viel Arbeit verbunden, aber man trifft auch immer neue Leute, eröffnet neue Gespräche, dreht neue Videos ab. Das Unplugged-Album hat uns 2009 geholfen, Musik wieder neu kennenzulernen. Wir haben dabei vieles neu betrachtet und auch einiges gelernt. 2011 haben wir dann das erste Mal überhaupt beschlossen, dass jetzt ein Jahr lang Funkstille ist. Da ist jeder seinen eigenen Weg gegangen. Unser Drummer Flo hat mit "Grimms Erben" ein Buch geschrieben und eine Platte aufgenommen, ich habe mit der Rapperin Fiva MC eine Platte produziert und Peter hat sich einfach Zeit für sich selbst genommen.

"Krone": Die Pause war ja bewusst gewählt. Ich fand von euch ein Zitat, in dem ihr sagt, dass die "Narben der Vergangenheit" zu "Schönheitsflecken" mutiert sind. Was meint ihr damit genau?
Linhof: Das Zitat ist nicht direkt von uns und ich finde es auch etwas überzogen. Wir sind einfach drei unterschiedliche Typen in der Band, in der aber jeder für das selbe Thema brennt. Man muss auch verschiedene Vorstellungen haben, damit kreative Energie entstehen kann. Man braucht Auseinandersetzungen, damit nicht alles verflacht. Jeder weiß, wie anstrengend es sein kann, wenn man sich nicht einig ist. Ich würde so etwas aber nicht als Narbe bezeichnen, sondern als Prozess, um sich wieder zu finden. Es ist währenddessen total nervig, im Nachhinein aber genial, dass es so gegangen ist. Jeder hatte einen neuen Ansatzpunkt für das Miteinander.

"Krone": Jetzt seid ihr mit dem Album "New York, Rio, Rosenheim" zurück im Geschäft. Wo liegt denn die Querverbindung zwischen diesen drei Städten?
Peter Brugger: Die Menschen, die dort leben. Sie leben alle unterschiedliche Leben, versuchen aber, mit ihrer Umgebung klarzukommen. In dem Lied selbst beschreiben wir die positive Energie, die die stärkste Kraft des Menschen ist und wahnsinnig viel verändern und gutmachen kann.
Linhof: Die Themen Angst und Krise sind so allgegenwärtig. Mir kommt vor, als ob sich das immer weiter zuspitzen würde. So als würde die Welt untergehen, Europa zusammenbrechen und keiner mehr eine Perspektive haben. Schon der Wetterbericht suggeriert uns, dass gleich der nächste Monster-Tsunami auf uns zurollt. Mich langweilt das. Ich habe keinen Bock auf Krise, sondern Bock auf optimistische Menschen. Die sollen sich öfter zu Wort melden. Man kann sein Leben nicht genießen, wenn man nicht optimistisch nach vorne schaut. Optimismus heißt nicht Naivität, sondern den Glauben zu haben, etwas bewegen zu können. Darum geht es in dem Lied. Die Menschen von New York über Rio bis Rosenheim sollen sich einfach positiv lauter zu Wort melden.

"Krone": Kann man den Optimismus trotz negativer Berichterstattung nicht trotzdem für sich selbst wahren?
Linhof: Es geht mehr darum, Mut zu fassen. Gute Ideen gehören lauter formuliert. Ich als verkappter Hippie sag' jetzt einfach mal, dass ich keinen Bock mehr auf Krise habe (lacht). Es muss sich immer die Waage halten, aber man muss einmal Ideen in den Raum werfen, um zu wissen, warum man überhaupt da ist und arbeitet. Es geht weiter, es muss ja weitergehen.

"Krone": Bei euren Konzerten habt ihr die Möglichkeit, die Menschen für eine Zeit lang von Alltagsproblemen wegzubringen. Kriegt ihr das als Band dann auch mit?
Brugger: Der Gedanke ist nicht bewusst im Kopf. Auf der Bühne hat man so viele Gedanken, da bin ich oft mit mir selber beschäftigt. In den schönen, freien Momenten merke ich eine schöne Verbindung unter uns auf der Bühne und auch eine tolle Connection zum Publikum. Da geht halt einfach etwas. Man muss sich keine Gedanken darüber machen, wie man gerade spielt oder singt, sondern macht einfach. Das sind die optimalen Situationen.

"Krone": Die Single "Applaus, Applaus" wird als Nachfolger eures Hits "Ein Kompliment" gesehen. Geht ihr da d'accord oder ist es ein eigenständiges Lied?
Linhof:Das ist ein völlig eigenständiges Lied, das auch zu einer anderen Zeit geschrieben wurde. Ich war im Nachhinein total überrascht, als mir zum ersten Mal gesagt wurde, es wäre "Kompliment"-ähnlich. Es ist aber ein Lied, das mich total positiv trifft. Als Nachfolger von "Das Kompliment" würde ich den Song aber nicht sehen.

"Krone": Das Video zu diesem Song habt ihr im niederösterreichischen Litschau mit David Schalko gedreht. Wie hat sich diese Kooperation ergeben?
Brugger: Wir sind schon lange mit ihm befreundet. Wir haben seine Arbeiten verfolgt und finden sie wirklich großartig. Er geht sehr weit und macht ganz mutige Sachen. Gerade "Braunschlag" ist ja wirklich der Wahnsinn. Wir wollten schon länger mal zusammenarbeiten und diesmal waren Zeit und Lust dazu vorhanden. Wir hatten wirklich schöne Tage bei bestem Wetter im Waldviertel.

"Krone": Mutig zeigt ihr euch auch auf der neuen Platte. Im Song "Es muss was Wunderbares sein (von dir geliebt zu werden)" singt sogar euer Drummer Flo. Wolltet ihr euch bewusst verändern und von gängigen Schemen ausscheren?
Brugger: Das war keine bewusste Herangehensweise. Wir haben nur die Ideen, die im Raum standen, sehr detailliert und mit einer starken Überprüfung unseres Gefühls erarbeitet. Wir wollten jedes Gefühl eines jeden Liedes genau treffen, und vielleicht ist das Album auch deshalb etwas extremer geworden. Es gibt auch intime Lieder wie zum Beispiel "Festungen & Burgen". Früher hätten wir einen Refrain groß werden lassen, weil wir immer dachten, dass da was passieren muss. Dieses Mal haben wir darauf geachtet, dass einfach nur das Gefühl in den Songs liegt. "Es muss was Wunderbares sein..." hat der Flo geschrieben und ich habe gemerkt, dass ich das Lied nicht so singen kann wie er. Er konnte perfekt in die Rolle dieses narzisstischen Typen schlüpfen und so kam auch in diese Richtung was Neues heraus.

"Krone": Ihr habt dieses Mal total auf Fußballsongs verzichtet – sehr ungewöhnlich für eine Band, bei der sich schon einmal ein ganzes Album um das runde Leder gedreht hat.
Brugger:Wir haben wohl keinen Fußballsong drauf, weil wir eben schon ein komplettes Album gemacht haben (lacht). Wir haben ziemlich viel darüber gesagt und es war damals, im Frühjahr 2006, wie ein Rausch. Damals hatten wir nur den Plan, ein WM-Lied zu schreiben, und dann kam eine Idee nach der anderen. Wir haben damals alles, was zu diesem Thema in uns steckte, rausgeschrieben (lacht).

"Krone": Ihr seid jetzt wieder auf Tour und wahnsinnig viele Konzerte sind bereits ausverkauft. Wie fühlt sich das – vor allem nach dieser Pause – für euch an?
Linhof: Es ist sehr schön, aus dem Studio zu kommen und zu merken, dass die Leute neugierig sind, was man so gemacht hat. Ich hätte nie gedacht, dass es nach mittlerweile 17 Jahren noch immer so viele Leute gibt, die bei uns vor der Bühne stehen und dabei Spaß haben. Das hätte ich mir anfangs nie gedacht und ich bin immer wieder überrascht davon, dass es weitergeht.

"Krone": Ihr werdet oft in die Schublade gesteckt, eine Band für Pubertierende zu sein. Stört euch diese Bezeichnung?
Brugger: Ist das tatsächlich so? Das hat sich noch keiner getraut zu fragen – Respekt (lacht).
Linhof:Es ist zumindest nicht unser Grundleitmotiv. Ich kann für bewegen. Wenn auch kritischere Auseinandersetzungen wie in "Festungen & Burgen" nur Eigenschaften sind, die Pubertierende haben dürfen, dann mache ich gerne Musik für diese Zielgruppe. Ich kenne aber genug Leute, die schon im Leben stehen und genauso brennen wie wir. Fadheit oder Ernsthaftigkeit sind nicht unbedingt Leitmotive, die nur für Erwachsene gelten. Die interessanten Leute empfinden vielschichtig und können genauso gut einmal hemmungslos auf die Scheiße hauen und feiern, als sich auch Zeit nehmen, ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Genauso läuft es bei uns auf der Platte. Das hat nichts mit Pubertät zu tun, sondern mit dem Leben.

"Krone": Aus welchem Grund ist eigentlich ein langsamer Song wie "Festungen & Burgen" entstanden? Solche Art von Songs ist man nicht von euch gewöhnt.
Brugger: Das ist einfach eine Erfahrung, wie wahnsinnig schwierig es ist und wie viel Mut es bedarf, sich zu öffnen. Zum Beispiel im Gespräch mit Freunden. Das muss gar nichts wahnsinnig Dramatisches sein, aber jeder empfindet auch Kleinigkeiten als Verletzung - und wenn man das ewig in sich hineinfrisst, wird es nicht gut. Dann bist du irgendwann ein elendiger Müllhaufen (lacht). Gespräche können das ändern. Wenn man sich selbst wirklich öffnet, kann sich das Gegenüber meistens auch öffnen und dann entstehen schöne, zwischenmenschliche Momente.

"Krone": Wie läuft das bei euch intern ab? Wird auch immer alles diskutiert und besprochen? Kracht ihr oft zusammen?
Linhof:Wir reden und diskutieren total viel miteinander und legen die Karten auf den Tisch. Das ist unsere Art. Keiner hält hinterm Berg und man überlegt sich auch keine politisch korrekten Floskeln. Das hat teilweise was Geschwisterliches und ist schon cool, dadurch sind Ärger und Frust auch nach zehn Minuten verraucht. Das ist in allen Bereichen des Lebens wichtig. In der Band liegt so etwas nur an den Menschen und im Beruf leider oft an der Struktur und dem Geist einer Firma. Ich genieße die Momente, wo wir einfach unverschämt zueinander sind und einen Beruf - unter Anführungsstrichen - führen, in dem man eben so sein kann.

"Krone": Als große Fußballfans, die ihr seid – habt ihr jemals eure Tourpläne nach wichtigen Spielen ausgerichtet?
Brugger: Wir haben das gemacht und damit auch wirklich schon beschissene Erfahrungen gemacht. Während der letzten EM haben wir ein Konzert nach hinten verlegt und es sogar "Mitternachtskonzert" genannt. Wir waren total stolz auf uns und dann hat der Spielplan plötzlich ergeben, dass das Spiel Tschechien gegen Portugal stattfand. Das war grottenschlecht und wir waren, genauso wie die Leute im Publikum, schon total müde. Da kamen dann schon Leute, die nur mehr wollten, dass der Lärm endlich aufhört (lacht). Zum Champions-League-Finale am 25. Mai hatten wir auch ein Konzert, das konnten wir zum Glück auf 19 Uhr nach vorne verlegen. Wir spielen aber auch am Tag des deutschen Pokalfinales Bayern München gegen Stuttgart, und das auch noch im Austragungsort Berlin. Da können wir nichts mehr verlegen. Wenn also da draußen noch ein Manager ist, der da was ändern kann – bitte melde dich bei uns (lacht).

"Krone": Ihr könntet ja eine Leinwand aufbauen, die ihr von der Bühne aus seht.
Linhof: Nein, das geht nicht. Irgendwo müssen ja Grenzen gezogen werden (lacht). Als bei der letzten EM Deutschland gegen Griechenland gespielt hat, waren wir gerade bei einem Festival. Das war witzig, denn wir konnten während unseres Auftritts Tormeldungen und vereinzelte Spielsituationen durchgeben. Das wurde dann zu einem kollektiven schönen Moment, weil wir alle in der gleichen Situation waren. Wir mussten das dann halt durchziehen.
Brugger: Das war wirklich grandios. Mit jedem Tor wurde die Stimmung noch weiter angeheizt. (lacht)

"Krone":Hast du als bekennender Bayern-Fans schon mal mit Campino von den Toten Hosen diskutiert? Ihr müsst ja spinnefeind sein.
Brugger: Es gab mal so eine Situation beim Rock am Ring. Sie haben als Headliner auf der Hauptbühne gespielt und wir am selben Tag auf der Alternative-Stage. Wir haben uns dann ihr Konzert angesehen und da kam dann irgendeine Durchsage, dass wir ganz okay wären, aber von Fußball keine Ahnung hätten. Ich dachte mir nur, dass ich das so nicht auf mir sitzen lassen kann, und jemand sagte mir, ich solle doch auf die Bühne gehen. Du musst dir vorstellen – Rock am Ring, es war dunkel, 80.000 Leute und Höllenstimmung. Dann latsche ich auf die Bühne und Campino dreht sich um und ist total verwirrt, weil er mich sieht. Mich hat ja auch keiner aufgehalten. Campino sang sein Lied fertig und kam zu mir rüber. Ich habe dann bloß gesagt: "Ich bin Bayern-Fan und das ist ja auch okay, ich bin ja deshalb auch kein Arsch" (lacht laut). Dann haben die Leute plötzlich nur "Pfui, pfui" gerufen. Das war wirklich lustig.

"Krone": Sind die Bayern in ganz Deutschland tatsächlich so verhasst?
Brugger: Geliebt und gehasst eben. Sie polarisieren halt total. Millionen lieben sie, Millionen hassen sie.

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