"Ich habe heute Geburtstag – bitte gebt mir ein Ticket" oder "Brauche nur EIN Ticket – nicht mehr". Schon Stunden vor dem eigentlichen Konzertbeginn stehen zahlreiche Fans mit selbst gebastelten Schildern bei der U-Bahn-Station Gasometer Schlange, um das Unmögliche möglich zu machen – noch eine Karte für eine seit Monaten ausverkaufte Show zu ergattern. Andere haben scheinbar mehr Erfolg, scheitern aber beim Kartenlesegerät am Eingang. Dutzende gefälschte Tickets sind im Umlauf – so mancher Fan zahlt dafür an die 100 Euro und darf enttäuscht und verärgert die Heimreise antreten.
Absolute Senkrechtstarter
Doch warum eigentlich der ganze Aufruhr? Im Gasometer-Oval sind an diesem Abend niemand Geringere als Mumford And Sons zu Gast. Das Quartett aus London spielt zwar noch nicht viel länger als fünf Jahre zusammen, hat aber in dieser Zeit zwei Alben veröffentlicht, unzählige Konzerthallen gefüllt und neben drei Billboard- und zwei BRIT-Awards erst unlängst auch noch zwei Grammys eingesackt. Der Hype um den charismatischen Frontmann Marcus Mumford und seine Bandmitglieder ist schier unermesslich.
Auch im Gasometer herrscht Bombenstimmung. Schon beim Herausräumen der Instrumente Minuten vor dem Beginn brandet im Saal Jubel auf. Als die Band dann mit dem Titeltrack des Grammy-geadelten Albums "Babel" in die Konzertnacht startet, gibt es kein Halten mehr. Fehlerlos an den Instrumenten, unscheinbar in der Optik, zurückhaltend in der Publikumsinteraktion – Mumford And Sons sind weder große Redenschwinger noch exaltierte Bühnenclowns. Die Briten fahren ihre Musik auf das Ursprüngliche zurück.
Musik für die freie Natur
Sie lassen die Instrumente sprechen und verzichten auf bombastische Bühneneffekte. Dem altersmäßig total durchmischten Publikum gefällt das sehr gut. Inbrünstig vorgetragene Hits wie "I Will Wait", das elegische "Winter Winds" oder "White Blank Page" sind im Prinzip Lagerfeuer-Folk-Songs mit Alternative-Einschlag, die gleichermaßen auf einer intimen Open-Air-Wiesenshow als auch in großen Stadien funktionieren könnten. Das Publikum dürfte wohl von derselben Sehnsucht nach Wildwest-Romantik und Freiheit getrieben sein, wie die Band selbst.
Das manifestiert sich nicht nur auf dem Gebirgsmassiv-Bild auf der Bühnenleinwand, sondern auch an den über den gesamten Saal gehängten Glühbirnen, die beim Tophit "Little Lion Man" erstmals angehen und danach fortlaufend für atmosphärische Stimmung sorgen. Sie spenden das passende Licht für diese vier unscheinbaren Herren auf der Bühne, die, unrasiert und Flanellhemden tragend, derzeit mit Sturm und Karacho an der Speerspitze sämtlicher Charts stehen.
Leibgericht für Musikfeinschmecker
Unterstrichen wird die hemdsärmelige Darbietung feinster Working-Class-Hero-Mentalität von allerlei (halb-)exotischen Instrumenten wie Trompeten, einer Ziehharmonika, einem Banjo und Rasseln. Erlaubt ist, was gefällt, und gefallen tut hier allen alles. Ein Schuss Bob Dylan hier, eine Prise Bruce Springsteen da, abgeschmeckt mit einem Teelöffel The Gaslight Anthem, und fertig ist das Leibgericht der tanzenden, feiernden und singenden Zuseher.
Nur selten übt sich Marcus Mumford zwischen den zahllosen Hits in Konversation, bezirzt das Publikum dabei aber mit begrenzten Deutschkenntnissen und der ehrlich gemeinten Liebe zur Wiener Architektur. Als er und seine großartigen Mitstreiter zum Abschluss den Song "The Cave" anspielen, kratzt der Lärm im Saal noch einmal ganz kurz an der gesundheitsgefährdenden Dezibel-Grenze. Kein Wunder, dass Ex-Oasis-Raubein Noel Gallagher in einem Interview ungewohnt bescheiden zugab, dass er furchtbar gerne "The Cave" geschrieben hätte. Die Mumford-Gang verabschiedet sich danach demütig und zufrieden. Nächste Station? Wohl die ganz großen Konzerthallen.
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