EGMR-Urteil

Adoptionsregelung diskriminiert Homo-Paare in Österreich

Österreich
19.02.2013 22:50
Ein in Österreich lebendes lesbisches Paar hat vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg einen Sieg im Streit um die Adoption eines Buben errungen. Laut Urteil werden homosexuelle Paare durch das österreichische Adoptionsrecht benachteiligt. Die Politik zeigt sich nach dem Urteilsspruch diskussionsbereit. Doch während Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) eine absolute Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen bei Ehe und Adoption fordert, will die ÖVP nur Änderungen in puncto Stiefkindadoption zustimmen.

Die Straßburger Richter urteilten am Dienstag, die fehlende Möglichkeit einer Stiefkindadoption diskriminiere gleichgeschlechtliche Paare in Österreich im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paaren, bei denen ein Partner das leibliche Kind des anderen adoptieren möchte.

Die beiden Frauen, deren Identität nicht bekannt gegeben wurde, hatten gegen die Weigerung der österreichischen Gerichte geklagt, der Adoption des Buben durch die Partnerin der Mutter zuzustimmen, ohne dass damit die rechtliche Beziehung der leiblichen Mutter zu dem Kind aufgehoben wird. Die Frauen beriefen sich auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Diskriminierungsverbot (Artikel 14) in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8).

Mehrheit der Richter sieht Diskriminierung
Mit einer Mehrheit der Stimmen urteilten die Richter, dass eine Verletzung von Artikel 14 der Menschenrechtskonvention in Verbindung mit Artikel 8 in Bezug auf unverheiratete heterosexuelle Paare vorliegt. Keine Verletzung der Menschenrechtskonvention sehen die Richter dagegen im Vergleich zu verheirateten Paaren.

"Der Gerichtshof war der Auffassung, dass die Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerinnen im Vergleich zu einem unverheirateten heterosexuellen Paar, bei dem ein Partner die Adoption des Kindes des anderen anstrebt, auf ihrer sexuellen Orientierung beruhte", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. "Die österreichischen Gerichte haben keine überzeugenden Argumente zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Ungleichbehandlung zum Schutz der Familie oder des Kindeswohls vorgebracht."

Zugleich betonte der Gerichtshof, dass die Menschenrechtskonvention die Staaten nicht dazu verpflichte, unverheirateten Paaren das Recht auf Stiefkindadoption einzuräumen. Der Gerichtshof verwies auf einen Fall in Frankreich, wo die Straßburger Richter keine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung sahen, weil unverheiratete Paare – ob homo- oder heterosexuell – nach französischem Recht generell kein Recht auf Stiefkindadoption hätten.

Stiefkindadoption abgewiesen, weil Kind noch beide Eltern hat
Ein österreichisches Landesgericht hatte im Februar 2006 den Antrag der Frauen auf Stiefkindadoption abgelehnt. Die Richter argumentierten, dass das österreichische Recht zwar keine genaue Definition von "Eltern" enthält, aber darunter doch deutlich zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts verstehe. Solange ein Kind, wie im vorliegenden Fall, beide Elternteile habe, gebe es auch keinen Bedarf, einen von beiden durch Adoptiveltern zu ersetzen. In diesem Zusammenhang hielt das Gericht fest, dass das Kind einen regelmäßigen Kontakt zu seinem Vater unterhält. Im September 2006 wies der Oberste Gerichtshof eine Berufung des lesbischen Paares ab.

Jubel bei Homosexuellen-Initiativen nach Urteilsspruch
Groß ist die Freude über das EGMR-Urteil naturgemäß bei der Wiener Homosexuellen-Organisation HOSI: "Dies untermauert die Berechtigung unserer langjährigen Forderung an die österreichische Innenpolitik, entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen. Es ist bedauerlich, dass wieder erst eine Verurteilung Österreichs durch den EGMR notwendig war, damit eine solche Regelung nun endlich umgesetzt wird. Wir rufen daher Regierung und Parlament – und hier insbesondere die ÖVP – auf, nun auch alle anderen gesetzlichen Unterschiede zwischen Eingetragener Partnerschaft und Ehe zu beseitigen und insbesondere den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin zu ermöglichen", so HOSI-Wien-Vorstandsmitglied Martina Fink.

Begeisterung machte sich auch bei der SoHo (Sozialdemokratische Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen Organisation) breit, da das Urteil die "massive Diskriminierung von Regenbogenfamilien" beende. Die ÖVP fordere man nun auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen, hieß es.

Bewegung auf politischer Ebene - Änderung schon greifbar?
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zeigte sich ebenfalls "hocherfreut" über das Urteil des EGMR. Eine Sprecherin der Ressortchefin erklärte, es handle sich um ein "richtungsweisendes" Urteil. Die Ministerin gehe davon aus, dass die Debatte über völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften nun neuen Schwung erhalte, und möchte mit der ÖVP intensiv diskutieren.

Heinisch-Hosek: "Ehe und Adoption soll für alle offen stehen"
"Es wäre schöner, wenn die Heirat am Standesamt für alle Menschen möglich wäre", sagte die Ministerin am Dienstagabend in der "ZiB 2". "Das soll dann auch Ehe heißen." Gefragt, ob das auch das Recht auf Adoption beinhalten sollte - also nicht nur die Adoption eines Stiefkindes, wie vom EGMR gefordert - sagte sie: "Selbstverständlich." Das sei Linie der SPÖ. Das Argument, Kindern müsse das Recht auf Vater und Mutter zugestanden werden, mit dem die ÖVP derartige Pläne zurückweist, lässt Heinisch-Hosek nicht gelten - dass dieses Modell immer das Beste für das Kind sei, sei nicht bewiesen.

ÖVP nur bei Adoption von Stiefkindern gesprächsbereit
Auch die ÖVP ließ nach dem EMGR-Urteil nicht lange auf eine Reaktion warten und berichtete bereits am Dienstagnachmittag, dass Justizministerin Beatrix Karl noch im Frühjahr eine Neuregelung für die Adoption von Stiefkindern in homosexuellen Partnerschaften vorlegen wolle. Es gehe dabei nur um einen Paragrafen, der geändert werden müsse. Entscheidend sei, dass es dabei nur um die Adoption von Stiefkindern geht. Die reguläre Adoption soll weiterhin heterosexuellen Ehepartnern vorbehalten sein. Dabei handle es sich um eine "feste Überzeugung", begründete ein Sprecher Karls die Unterscheidung.

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