"Süchtige zum Arzt"

Mikl-Leitners Anti-Drogen-Strategie erntet Proteststurm

Österreich
14.02.2013 17:20
Mit ihrer neuen Anti-Drogen-Strategie, die im vergangenen Herbst präsentiert wurde, möchte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unter anderem Drogenkonsumenten mittels Haartests ausforschen und Süchtigen die Therapie mit Drogenersatzstoffen - die Substitutionstherapie - erschweren. Vor allem Letzteres erzürnt nun nicht nur Experten, sondern auch Gesundheitsminister Alois Stöger. So meinte dieser am Donnerstag: "Suchtkranke gehören zum Arzt, nicht zur Polizei."

"Die Substitutionstherapie ist ein jahrzehntelanger parteiübergreifender Konsens. Sowohl gesundheitspolitisch Verantwortliche als auch die Fachwelt befürworten ein Weiterführen des Weges", betonte Stöger, der hinter der Ankündigung der Ministerin vielmehr eine Politik "auf dem Rücken von Suchtkranken" vermutet als eine gut durchdachte und wissenschaftlich fundierte Strategie gegen die steigende Drogenkriminalität in Österreich. Wie aktuelle Zahlen des Drogenberichts 2012 belegen, ist die "Anzahl der suchtgiftbezogenen Anzeigen 2011 weiter angestiegen".

Experte: "Der Vorstoß der Ministerin ist fachlich unbegründet"
Der Gesundheitsminister stellte sich klar gegen das Vorhaben, von der Substitutionstherapie abzurücken, und beruft sich auf Experten, die in dem Bereich tätig sind. Einer von ihnen ist Hans Haltmayer, Referent für Substitution und Drogentherapie der Ärztekammer Wien. "Die Forderung von Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner nach einer Abkehr von der Substitutionsbehandlung ist aus ärztlicher Sicht entschieden abzulehnen. Sie ist fachlich unbegründet und stellt eine unzulässige Einmischung in medizinische Behandlungsstandards dar", betonte Haltmayer.

"Verglichen mit der Entzugsbehandlung oder gar keiner Behandlung reduziert die Methadonbehandlung signifikant den Konsum von Opiaten und anderen Drogen, die kriminelle Aktivität, die HIV-Ansteckungsrate, die Überdosierungsrate sowie die Gesamtsterblichkeit", heißt es in einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. "Eine Abkehr von der Substitutionsbehandlung würde diese positive Entwicklung umkehren", warnt Haltmayer vor den Konsequenzen, sollte die Substitutionstherapie abgeschafft werden. Zudem sei diese Form der Ersatztherapie eine seit vielen Jahren erprobte und wissenschaftlich sehr gut belegte Behandlungsform bei Opiatabhängigen.

Alexander David, Arzt und Drogenbeauftragter der Gemeinde Wien, warnte ebenfalls vor einer "Politisierung des Problems", wenngleich ihm bewusst sei, dass es solche Diskussionen immer wieder geben werde. Der Verein Neustart wiederum zitierte aus eigenen Statistiken, die aus seiner Sicht den Erfolg der Ersatztherapie belegen: "In weit über 60 Prozent werden mit der Substitution unter entsprechender Betreuung aus chronisch Kranken unauffällige Steuerzahler", erklärte Vereinssprecher Andreas Zembaty.

Mikl-Leitner über Stöger: "Weiß nicht, was ihn geritten hat"
Trotz der breiten Kritik bleibt Mikl-Leitner ihren Plänen treu. Am Donnerstag beschwichtigte sie aber - sie denke überhaupt nicht an die Abschaffung der Substitutionstherapie. Vielmehr gehe es ihr um einen "ganzheitlichen Ansatz: weniger Substitution, hin zu mehr Begleitung und Therapie", führte sie im Ö1-"Mittagsjournal" aus.

Ihrer Ansicht nach sei die Gefahr, dass die Drogenersatzmittel auf dem "Schwarzmarkt" landen und somit das Problem nur verlagert werde, jedoch viel zu groß, um das derzeitige System aufrechtzuerhalten. Zudem hatte sie auch andere - weniger positive - Zahlen parat: Lediglich fünf von 100 Patienten sollen laut der Ministerin den tatsächlichen Ausstieg aus der Drogenszene schaffen.

In Richtung des Gesundheitsministers meinte Mikl-Leitner, sie wisse nicht, "was ihn da geritten hat", sein Ressort habe jahrelang Zeit gehabt, "eine eigene Strategie auf den Weg zu bringen". Außerdem verstehe sie ihren Vorstoß lediglich als Diskussionsgrundlage.

In drei Bundesländern starten in Kürze Haartest-Pilotprojekte
Viel konkreter hingegen ist bereits die Jagd nach Drogenkonsumenten mittels Haartests. In Kürze werden in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien Pilotprojekte starten, in deren Rahmen Drogenkonsumenten mittels Haarproben aus dem Verkehr gefischt werden sollen. Da eine Untersuchung des Urins lediglich über eine Beeinträchtigung zum aktuellen Zeitpunkt (bis 48 Stunden) Auskunft gibt, gelten Haaranalysen als eine verlässlichere Messmethode, die Aussagen über einen länger andauernden Drogenkonsum zulässt.

Doch auch diese Strategie stößt auf Kritik. So hatte zuletzt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim verärgert auf Mikl-Leitners Idee reagiert und sich gegen einen "Generalverdacht" gegen Jugendliche, die im Fokus der Pilotversuche stehen werden, ausgesprochen. "Die Argumentation, dass Haaranalysen im Zuge von Verkehrskontrollen die Sicherheit auf den Straßen erhöhen, ist nicht nur absurd und unsachlich, sondern würde Österreich im Lichte der internationalen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum internationalen Gespött machen", so Jarolim. Außerdem zeigte er sich skeptisch, dass Haartests einwandfreie Ergebnisse liefern können.

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