Gasometer-Topshow

Slash zelebrierte höchste Stromgitarrenkunst

Musik
11.02.2013 01:42
Ein bitterkalter Sonntagabend konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Wiener Gasometer der Schweiß von der Decke tropfte. Gitarrenheld Slash und seine hervorragenden Mitstreiter heizten mit unzähligen Rockklassikern ein und boten dem Publikum so manche Überraschung. Immer dabei: eine heftige Portion Spielfreude und sensationelle Stimmung.
(Bild: kmm)

Begeisterung zum Quadrat – würde jemand nach einer Kurzversion des Slash-Gastspiels im Wiener Gasometer fragen, wäre sie mit diesen drei Worten beschrieben. Leichtes Schneetreiben und winterlich-kalte Temperaturen halten die Besucher an diesem Sonntagabend nicht davon ab, dem "Godfather of Guitars" zu huldigen. Für den heiß ersehnten Gig im Gasometer gibt es schon seit Wochen keine Karten mehr, unzählige Foreneinträge und eBay-Versteigerungen bewiesen, wie begehrt einzelne Tickets für das Rockspektakel sind.

Ein Mann wie ein Comic
Slash selbst wirkt auch nach mehr als 25 wilden Jahren im Musikgeschäft noch surreal. Den Körper wieder sichtbar in Form gebracht, die wild-wuchernde schwarze Lockenmähne über die Sonnenbrillen hängend und den traditionellen Zylinder wie eine Krone am Kopf tragend, sieht Slash – mit bürgerlichem Namen Saul Hudson – noch immer wie eine ins reale Leben gebeamte Comicfigur aus.

Der Mann weiß aber nicht nur optisch herauszustechen, die Fingerfertigkeiten an seiner angestammten Gibson-Les-Paul-Gitarre sind beispiel- und makellos. Die erst kurz zuvor zugezogene Grippe merkt man dem Gitarrenheroen zu keiner Sekunde an, Medikamente und ein freier Tag im Vorfeld haben den 47-Jährigen für die Wien-Show rechtzeitig fitgepäppelt. Dem nicht genug hat der Wahl-Kalifornier an diesem Abend etwas ganz Besonderes vor: Die herkömmliche Tour-Setlist wird kurzerhand gedreht und verändert, die Spielfreude von den ersten Klängen des Openers "Ghost" hinweg ins Unermessliche gesteigert.

Moderner Purismus
Showeffekte sind dabei völlig überflüssig – bei Slash regiert der Rock 'n' Roll in Reinkultur. Enge Jeans statt ablenkende Hintergrundvideos, erdiger Schweiß statt püppchenhaftes Gehopse, handgemachte Soloeinlagen statt programmierter Computersounds. Eben Hard Rock moderner Natur, der sich liebevoll in einen 80er-Jahre-Mantel wickeln lässt, ohne jemals altbacken zu wirken.

Mit grandiosen Songs wie "Back From Cali", "No More Heroes" oder dem ausufernden "Anastasia" hat Slash längst seine Solo-Reifeprüfung bestanden. Ungemein exakt lässt der Gitarren-Großmeister seine Salven auf das feiernde Publikum zufliegen und drängt sich bei den überbordenden Soloeinlagen wissentlich-geschickt in den Vordergrund. Obwohl Slash während der zweistündigen Show stets das hellste Bühnenlicht bekommt, ist gerade die spürbare Homogenität seiner Band "Myles Kennedy & The Conspirators" wesentlich mitverantwortlich für ein Wiener Publikum, das sich ob seiner ekstatischen Stimmung das Prädikat "Weltklasse" verdient.

Fulminante Sangesstimme
Sänger Kennedy, seines Zeichens bekannt von den Alternative-Rockern Alter Bridge und lange als Steven-Tyler-Nachfolger bei Aerosmith im Gespräch gewesen, beherrscht ob seiner langjährigen Bühnenerfahrung nicht nur die Interaktion mit dem Auditorium, sondern auch die stimmliche Balance zwischen Eigenständigkeit und Axl-Rose-Tribut.

Gerade bei den zahlreichen Guns-N'-Roses-Songs wie "Mr. Brownstone", "Nightrain" oder "Sweet Child O' Mine" beweist Kennedy eindrucksvoll, dass er Rock-Diva Axl Rose deutlich in die Schranken weisen kann. Hinter den beiden allgegenwärtigen Frontmännern agiert eine perfekt aufeinander eingespielte Backing-Band, die ihr Werk meist unspektakulär, aber präzise wie ein Schweizer Uhrwerk verrichtet.

Gute Mischung
Slash selbst lässt die Hüften kreisen, legt unzählige Bühnen-Kilometer zurück und zieht mit "Mean Bone" und "Jizz Da Pit" sogar zwei Klassiker seines längst verblichenen Projekts Slash's Snakepit aus dem Köcher. Selbst Bassist Todd Kerns darf sich am Mikro austoben – neben "Doctor Alibi" auch beim ewigen Guns-N'-Roses-Klassiker "Welcome To The Jungle". Da stört es auch nicht, dass der angestammte Live-Klassiker "Civil War" heute außen vor gelassen wird.

Zwischen Gassenhauern der Marke "Nothing To Say" und "You're A Lie" spielt die fünfköpfige Kombo sogar erstmals auf dieser Tour die Ballade "Gotten". Raum für Kritik bleibt bei diesem wuchtigen Slash-Karriere-Querschnitt naturgemäß wenig – lästig erscheint maximal die übertriebene Selbstinszenierung des Gitarreros. Die schier endlose Soloeinlage beim Guns-N'-Roses-Song "Rocket Queen" ist ebenso übertrieben, wie der Slash-Solo-Song "Starlight" überschätzt ist.

Positive Ernte
Das ist aber freilich jammern auf hohem Niveau, denn der Rockexpress rattert gekonnt im ICE-Tempo über die Köpfe der Anwesenden. Mit dem famos choreografierten Konfettiregen beim abschließenden Jahrhundertklassiker "Paradise City" schließt sich der Kreis legendärer Rocksongs. Slash hat den Wienern das wohl größtmögliche Geschenk eines Musikers bereitet: den Ausbruch aus der Routine und Mut zur Abwechslung. Geerntet hat er grenzenlose Begeisterung.

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