Comeback des Lebens

Samuel Koch: Gestern fast tot, heute fröhlich

Adabei
30.12.2012 09:00
Zwei Jahre nach seinem tragischen Sturz in "Wetten, dass..?" lächelt der vom Hals abwärts gelähmte Samuel Koch wieder von der Bühne. Und zwar als Schauspieler im Theater. Eine starke Rolle für einen starken Mann.

Er sieht aus wie ein Greis. Rauschebart, graues Haar, Opa-Brille. Aber das Gesicht, das sich dahinter und darunter versteckt, das kennt jeder. Dort oben auf der Bühne sitzt Samuel Koch in seinem Rollstuhl und spielt einen alten Militärarzt, jeder Blick perfekt einstudiert, die Mimik ist die eines Profis. Auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten, ist der 25-Jährige nicht länger Samuel Koch, der einen Arzt mimt, er IST dieser Arzt, und zwar mit jedem Satz, der ihm über die Lippen kommt.

Ein Name, der für eine Tragödie steht
Samuel Koch. Ein Name, der für eine Tragödie steht, für einen Menschen, der mit ein paar Stelzensprüngen bei "Wetten, dass..?" groß herauskommen wollte und nach einem Sturz vor Millionenpublikum vom Schicksal in den Rollstuhl geprügelt wurde.

Zwei Jahre ist das jetzt her. Damals stand noch Thomas Gottschalk vor der Kamera, und der ganze deutschsprachige Raum verfolgte in jenem Dezember 2010 den Verfall eines jungen Mannes vom muskulösen Sportfan zum Gelähmten, vom TV-Schönling zum abgemagerten Kranken. Und dann die ersten Interviews. Diese Schilderungen von Nächten ohne Schlaf, nur weil eine Fliege durch das Krankenzimmer summte, von wahnsinnigen Schmerzen, die durch einen Körper zuckten, den Samuel Koch doch längst nicht mehr richtig bewohnte, von der Trennung seiner Freundin, nur damit sie das konnte, wozu er damals nicht mehr fähig schien: mühelos zu leben.

Da werden auch die voyeuristischen Zyniker dabei gewesen sein, die Herzlosen, die dachten: Der macht das nicht mehr lange, der ist keiner für den Rollstuhl, eingehen wird er wie eine Primel. Andere Menschen in seiner Situation lassen sich tatsächlich fallen, lehnen die Reha ab, die Behandlungen, sitzen bloß in ihren Rollstühlen, schauen mit leeren Augen – aber nicht in das Leben, das kommt, sondern in das, das war. Das davor. Vor dem Unfall, vor der Krankheit, vor der Unfähigkeit, sich selbst einen Teller aus dem Küchenregal zu holen oder sich auch nur am Rücken zu kratzen. Samuel Koch ist keiner dieser Menschen. Er kann zwar nicht mehr gehen, aber sich deshalb gehen zu lassen, kommt nicht in Frage.

Und er wirkt nur deshalb wie ein Greis, weil er es muss. Für die Rolle. "Ich soll aussehen wie fast 60", erzählt er in einem Interview. Wochenlang ließ er sich den Bart wachsen, aufgeklebte Faschings-Borsten kommen für einen echten Schauspieler nicht in Frage. Bis 6. Jänner kann jeder im Studio-Theater in Hannover für ein paar Euro Zeuge eines kleinen Wunders werden: Wenn in "Nach Moskau!?" ein Schauspieler sein Bestes gibt, den viele schon abgeschrieben haben. "Vor anderthalb Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich hier jetzt mit meinen Kommilitonen herumsitze. Da war ich in der Klinik in der Schweiz, mein Luftröhrenschnitt war gerade zugenäht worden", sagt er. Längst hat er die Spezialklinik verlassen, lebt alleine in einer Wohnung in Hannover, studiert seit Oktober wieder Schauspielerei und steht nun zum ersten Mal auf der Bühne. Sein Tagesablauf hat nichts mit dem eines Pflegebedürftigen zu tun: sechs Uhr aufstehen, acht bis zehn Uhr Reha, dann zur Uni. In einem eigenen Raum kann der 25-Jährige dort Proben und Therapie verbinden.

Gestern noch fast tot, heute wieder fröhlich
Auch vergangene Woche zeigte sich der Schauspieler beim ORF-Jahresrückblick, sitzt in Talkshows und spricht über das Comeback seines Lebens. Gestern noch fast tot, heute wieder fröhlich. Gerade zu Silvester brauchen wir solche Geschichten. Und er erzählt sie mit einer Weisheit, die zu der Rolle passen würde, die er spielt. Angesprochen auf seine Krankheit, sagt er: "Man kann auf jedem Niveau klagen, aber auch auf jedem Niveau glücklich sein."

Langsam, aber doch, kämpft er sich zurück in seinen Körper: "Seien es die Innenseiten der Knie, der Ellenbogen oder die rechte Gesäßbacke, lustige Dinge fange ich an zu spüren", erklärt er. Das erinnert stark an eines seiner ersten Interviews, der Unfall war damals noch frisch, als er rief: "Papa, ich will wieder gehen können." Vielleicht wird der Tag auch kommen, an dem er sich aus seinem Rollstuhl erhebt und den ersten Schritt macht. Die Ärzte haben ja auch nicht an seine Schauspiel-Karriere geglaubt.

Das wäre ein Zeichen für die Welt, wenn es ihm gelingen würde. Nämlich, dass jeder Mensch alles schaffen kann, wenn er es nur wirklich will. Die Erfahrung jedoch, selbst bei Sportlern, die im Rollstuhl landeten, hat oft gezeigt, dass mit Willenskraft und Ehrgeiz nicht alles zu schaffen ist, dass man das Schicksal nicht immer austricksen kann. Weil die Verletzungen eben zu stark und der Medizin Grenzen gesetzt sind. Aber an sich glauben sollte man immer.

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(Bild: kmm)



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