Bestechungsprozess

BVT-Chef: Ernst Strasser fürchtete auch Russen-Spione

Österreich
04.12.2012 15:01
Die Befragung von Peter Gridling, seit März 2008 Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), im Bestechungsprozess gegen Ernst Strasser hat am Dienstag eine erstaunliche Neuigkeit ans Licht gebracht: Demnach habe der frühere Innenminister und EU-Abgeordnete - der ja schon eine Verfolgung durch westliche Geheimdienste befürchtete, wie er am ersten Verhandlungstag aussagte - ihn im April 2011 zu Rate gezogen, weil er Sorge hatte, dass ihn auch ein russischer Geheimdienst im Visier habe.

Generell gab der BVT-Direktor zu Protokoll, dass er erst nach dem Auffliegen der Korruptionsaffäre von Strasser erfahren habe, dass diesem angeblich ein Geheimdienst auf den Fersen sei. Der ehemalige Innenminister habe ihn im April 2011 "um Rat gebeten, weil er die Einladung eines russischen Geschäftspartners zu einem Konzert hatte", gab Gridling am fünften Verhandlungstag zu Protokoll. Strasser habe diesen Umstand mit einem Ost-Geheimdienst in Verbindung gebracht.

BVT-Chef: Verdacht gegen Journalisten nicht erwähnt
Auf die Frage von Richter Georg Olschak, ob auch von einem westlichen Geheimdienst die Rede gewesen sei, erklärte der BVT-Chef, er habe Strasser auf die vermeintliche Londoner Lobbying-Agentur Bergman & Lynch angesprochen, hinter der sich die beiden britischen Aufdeckungsjournalisten getarnt hatten, denen Strasser auf den Leim gegangen war. Der Politiker habe die Frage, ob dieses Unternehmen mit einem Geheimdienst zu tun haben könnte, allerdings verneint, so Gridling.

Strasser behauptete vor Gericht bekanntlich, das Spiel der Journalisten von Anfang an durchschaut und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit den falschen Lobbyisten eingelassen zu haben, weil er den Verdacht gehabt habe, im Visier eines Geheimdiensts zu stehen. Er habe die Agenten bzw. deren Auftraggeber aufdecken wollen. Zum BVT sei er deshalb nicht gegangen, weil man dem Verfassungsschutz einerseits "pfannenfertige Unterlagen" liefern müsse und er andererseits befürchtet habe, mit seinen noch vagen Hinweisen "von denen ausgelacht" zu werden, wie der Angeklagte in der Vorwoche festgestellt hatte.

Der BVT-Chef erzählte diesbezüglich von einem zufälligen Treffen mit dem früheren Innenminister in einem Wiener Kaffeehaus im November 2010 - just zu jenem Zeitpunkt hatte Strasser auch erstmals die falschen Lobbyisten getroffen. Die angeblich auf ihn angesetzten Agenten erwähnte Strasser damals laut Gridling mit keinem Wort.

Ex-Assistentin: Strasser war "fast schon paranoid"
Zuvor hatten Strassers ehemalige Assistentinnen bei ihren Aussagen die "Agentenjagd"-Version ihres Ex-Chefs bestätigt: Die 31-jährige Daniela K., bis zu Strassers Rücktritt als EU-Parlamentarier Leiterin von seinem Büro in Wien, erklärte, dass der Politiker ihr gegenüber schon im Herbst 2010 den Verdacht geäußert habe, von einem Geheimdienst abgehört zu werden. Sein Verhalten sei "fast schon paranoid" gewesen: Er habe ihr etwa einmal "im Vorbeigehen" einen Zettel hingelegt, auf den er gekritzelt hatte, "dass wir abgehört werden".

Als Richter Olschak der Zeugin vorhielt, sie habe bei einer Einvernahme im Ermittlungsverfahren angegeben, ihr ehemaliger Chef habe den Agenten-Verdacht erst nach Auffliegen der Bestechungsaffäre im März 2011 geäußert, meinte Daniela K., sie könne sich nicht mehr genau erinnern. Das sei alles schon lange her. Ihrer Erinnerung nach sei die Bemerkung im Herbst 2010 gefallen.

Auch mit den Vertretern der Firma Bergman & Lynch, die laut Anklage als vermeintliche Lobbyisten Strasser für die Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung Geld in Aussicht gestellt hatten, hatte Daniela K. Kontakt. Der Assistentin fiel in diesem Zusammenhang auf, dass man bei Anrufen bei Bergman & Lynch stets auf einem Anrufbeantworter landete: "Drei Sekunden später hat man einen Rückruf erhalten. Das war teilweise sehr auffällig." Sie habe das auch mit Kollegen besprochen: "Das mutet seltsam an."

Ex-Praktikantin: "Die Homepage war etwas merkwürdig"
Katarin W. (29), zunächst Praktikantin und später Assistentin von Strasser in Brüssel und Straßburg, erklärte im Anschluss im Zeugenstand, die vermeintliche Lobbying-Agentur Bergman & Lynch habe Anfang März 2010 per E-Mail um einen Termin mit Strasser ersucht. Diese Nachricht habe sie ihrem Chef weitergeleitet und sich zugleich die Homepage der Firma angesehen: "Die Homepage war etwas merkwürdig. Komisch. Weil keine Fotos da waren, keine Namen von Ansprechpartnern. Es waren keine Informationen da."

Im weiteren Verlauf habe ihr Chef den Geheimdienst-Verdacht ins Spiel gebracht und vermutet, sein Büro werde abgehört: "Er hat gesagt, dass wir uns nicht fürchten sollen und den Betrieb ganz normal aufrechterhalten sollen." Dass Bergman & Lynch eine Scheinfirma war, habe sie erst mitbekommen, als die "Sunday Times" die Tarnung auffliegen ließ und Strasser erklärte: "Jetzt wissen wir, wer dahintersteckt."

Vor seinem Rücktritt habe Strasser alle seine Assistentinnen angerufen "und mitgeteilt, dass er dem Herrn Pröll den Rücktritt anbieten muss. Da war ich fertig mit der Welt", gab Katarin W. zu Protokoll. Sie habe befürchtet, damit ebenfalls ihren Job zu verlieren.

Per Mail bei Strassers Fraktionskollegen nachgefragt
Die frühere Strasser-Assistentin hatte hinsichtlich einer Richtlinie beim Anlegerentschädigungsschutz auf Geheiß ihres Chefs bei Mitarbeitern von Strassers Fraktionskollegen Othmar Karas und Helga Ranner nachgefragt und sich erkundigt, ob man noch einen Abänderungsantrag einbringen könne. Einen solchen sollen sich laut Anklage die vermeintlichen Lobbyisten gewünscht haben, die Strasser ein jährliches Honorar von 100.000 Euro für eine Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung in Aussicht stellten.

Da ihr aus dem Büro Ranner beschieden wurde, die dafür vorgesehene Frist sei bereits abgelaufen, hatte sich die Assistentin per E-Mail mit der Bemerkung "Denkst du, dass man da noch etwas retten kann?" an eine Kollegin im Büro Karas gewandt. Richter Olschak nannte das nun "eine hartnäckige Korrespondenz". "Ich habe mir nichts gedacht dabei", erwiderte die Zeugin, "es war das erste Mal, dass ich mit so was befasst war." Sie habe "das so aufgefasst, dass die Sinnhaftigkeit dieses Antrags geprüft wird".

Weitere Assistentin nahm Geheimdienst-Verdacht nicht ernst
Die 31-jährige Kerstin M., ebenfalls eine vormalige Assistentin des Ex-Delegationsleiters der ÖVP im EU-Parlament, sagte im Zeugenstand aus, sie habe den Geheimdienst-Verdacht, von dem Strasser erzählte, nicht ernst genommen.

Interessantes Detail, das bei der Befragung von Kerstin M. bekannt wurde: Staatsanwältin Alexandra Maruna zitierte aus einem Mail-Verkehr mit Strasser, in dem die Frau ihren Chef im Jänner 2010 darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er ein Gratis-Handy, das ihm Motorala angeboten hatte, nicht annehmen dürfe. "Warum nicht?", schrieb Strasser laut Maruna zurück. "Ist nicht erlaubt laut Geschäftsordnung", entgegnete Kerstin M.

Karas wird am Donnerstag befragt
Der Prozess wird am Donnerstag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen ist unter anderem Karas, der nunmehrige EU-Delegationsleiter der ÖVP.

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