Pilgerstätte

“Goodbye, J.R.”: Eine Pilgerfahrt zur “Dallas”-Ranch

Adabei
01.12.2012 17:00
J.R. ist tot – doch im Herzen der Fans lebt TV-Bösewicht Larry Hagman weiter. Tausende pilgern zur bekanntesten Fernseh-Farm der Welt, legen Blumen für ihr Idol ab. Ein "Krone"-Lokalaugenschein im US-Bundesstaat Texas.

Die Strecke von Dallas nach Parker dauert mit dem Auto knapp 30 Minuten. Andere Verkehrsmittel gibt es hier auch nicht, es sei denn, man ist des Reitens mächtig. Hier, nördlich der Millionenmetropole, ist Texas noch Texas. Wer in der Heimat von George W. Bush keinen Monstertruck in der Garage stehen hat und nicht die Republikaner wählt, gilt als Sonderling. Präsident Barack Obama ist für die meisten ein Sozialist oder bestenfalls ein Weichei. Unter der in den USA viel gepriesenen Freiheit versteht man im Kernland des "Lone Star States" einzig und allein das ungehinderte Tragen von Schusswaffen.

Willkommen auf der Southfork Ranch
Auf der schnurgeraden Durchzugsstraße geht es vorbei an Rinderfarmen und Steak-Lokalen. Wüstenstaub liegt in der Luft, die Monotonie der amerikanischen Provinz lässt sich mit jedem Atemzug inhalieren. Nach 45 Minuten biegt der Fahrer dann nach rechts ab – "Welcome" steht auf einem Straßenschild, dann weist ein Pfeil in Richtung eines überdimensionalen und weiß lackierten Torbogens, auf dem in schwarzer Schrift die Lettern "SF" eingraviert sind.

Wer die Anreise bis dahin über sich ergehen lassen hat, ist nun am Ziel der Träume angelangt – willkommen auf der Southfork Ranch; jahrzehntelang - und mit der neuen Serie wieder - Schauplatz der wohl berühmtesten Soap Opera der Welt: "Dallas".

Hier haben sich alle Dramen der TV-Familie Ewing abgespielt. Liebe, Hass, Intrigen und sämtliche anderen menschlichen Abgründe. Öl-Millionen hin oder her, glücklich waren die Figuren Sue Ellen und Co. fast nie.

Ein freundlicher Touristenführer mit Cowboyhut holt die Schaulustigen mit einem grünen Traktor ab und beginnt die Tour über das Set. "Als die Produzenten der Serie eine Kulisse gesucht haben, sind sie mit dem Flugzeug über diese Farm geflogen und haben sich spontan in sie verliebt", erzählt der Angestellte. "Und dem Besitzer den Pachtvertrag zum Drehen mit einem dicken Scheckbuch schmackhaft gemacht." Doch ihm sei es noch gut ergangen. "Bis auf die Tatsache, dass plötzlich Unbekannte bei ihm im Pool plantschten. Er hat die Anlage dann an einen Nachfolger verkauft. Doch der hatte richtig Pech. Er beschloss, wie die fiktiven Vorbilder, auf dem Areal nach Öl zu bohren. Doch in unserem Traktor befindet sich mehr davon als unterhalb im ganzen Erdreich. Der Unglücksrabe musste Konkurs anmelden."

Pilgerstätte von Hagman-Fans
Doch Stimmung will an diesem spätherbstlichen November-Nachmittag bei den Besuchern nicht so recht aufkommen. Das Lächeln über die Scherze des Mittvierzigers wirkt aufgesetzt. Es fehlt jemand. Und zwar jene Person, die der Kultserie wie keine andere den Stempel aufgedrückt hat: John Ross Ewing Jr. oder kurz J.R. Zwei Buchstaben, die zum Inbegriff des durchtriebenen Bösewichts wurden. Gespielt von Larry Hagman, der vor etwas mehr als einer Woche seiner Krebserkrankung erlegen ist.

Seit dem Bekanntwerden des Todes des Kultschauspielers ist auf der Southfork Ranch nichts mehr so, wie es früher war. Die Anlage hat sich in einen Pilgerort für den verstorbenen Star verwandelt. "Vor wenigen Tagen stand Larry hier noch für die Neuauflage der Serie vor der Kamera", schildert die traurige Verwalterin des Gutes und führt die Besucher durch die dreistöckige Villa. Überall hängen Fotos und Aquarelle des Mimen, einmal in schweren goldfarbenen Rahmen, dann wieder in modernen Einfassungen.

Besucher legen Blumen ab, erinnern sich an die spannendsten Momente der Seifenoper. "Nein, so wie damals wird es nicht mehr ohne ihn", sind sich fast alle einig.

Im Museum wird mit Wehmut noch einmal der Gas-Griller begutachtet, auf dem das Ekelpaket einst seine Burger für die illustren Gäste gebraten hat, und natürlich der Revolver, mit dem J.R. damals angeschossen wurde. Hektisch werden noch Fotos von einem Nachbau der Badewanne gemacht, in der er sich einst mit einer seiner Affären geräkelt hat.

Ruhm hatte seinen Preis
Für Hagman, der im wirklichen Leben so fundamental anders als seine Lebensrolle gewesen sein soll, war die Serie Fluch und Segen zugleich. Von Ende der Siebzigerjahre bis wenige Tage vor seinem Tod in einem Spital in Dallas ist der gebürtige Texaner immer wieder auf die Farm zurückgekehrt. Auch wenn die meisten Szenen in einem Studio in Kalifornien gefilmt wurden, von der markanten weißen Ranch kam er nie los. Sei es für die Außen-Dreharbeiten bei im Sommer oft unerträglichen 40 Grad, Interviews oder Werbespots – immer wieder kam er zurück. Seine Rolle brachte ihm Millionen und Ruhm.

Doch der hatte auch seinen Preis. Vor seiner ersten Lebertransplantation soll der Mime an einem durchschnittlichen Drehtag drei Flaschen Champagner verdrückt haben. Seit Jahren war er gesundheitlich angeschlagen. Doch selbst mit 81 Jahren ließ er sich von seinen Schmerzen am Set nichts anmerken. In seinem Sterbebett ist er dann ruhig entschlummert – begleitet von seiner Familie und TV-Ehefrau Sue Ellen alias Linda Gray. So viel zum Thema Verbundenheit mit der Serie.

"Goodbye, J.R.", meint eine Touristin beim Abschied von der Southfork Ranch. Sein fieses Lachen hat ihn längst unsterblich gemacht. Und nicht nur die Besucherin hat bei der Heimreise von der Kulissen-Tour nun die unvergessliche "Dallas"-Melodie im Kopf.

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(Bild: kmm)



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