Bestechungsprozess

“Fallensteller” Ernst Strasser: “How did you come to me?”

Österreich
27.11.2012 15:25
Der ehemalige Innenminister und EU-Abgeordnete Ernst Strasser, der sich am Vortag vor Gericht als "Fallensteller" für vermeintliche US-Agenten präsentiert hatte (siehe Infobox), kam auch am Dienstag im Bestechungsprozess ausgiebig zu Wort, diesmal aber vor allem in Videoaufzeichnungen. "May I ask you how did you come to me?", fragte der Angeklagte die vorgeblichen Lobbyisten da in etwas gewöhnungsbedürftigem Englisch. Mit der Übersetzung seiner Aussagen zeigte sich der 56-Jährige nicht immer einverstanden.

Die mit Spannung erwartete Einsicht der Originalbänder der von britischen Journalisten heimlich mitgeschnittenen Szenen war zunächst an der Tonqualität gescheitert. Nachdem die technischen Probleme mit dem Abspielgerät behoben waren, konnte die Filmvorführung schließlich doch beginnen.

Den Aufzeichnungen konnte der Schöffensenat dann etwa entnehmen, dass Strasser nur eineinhalb Stunden benötigte, um mit dem Flugzeug von Wien nach Brüssel zu gelangen, wie er seinen Gesprächspartnern einleitend mitteilte. "In the times of the vulcan ashes" (gemeint: der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im März 2010, Anm.) sei das nicht möglich gewesen.

Treffen fand in "the funny time of the year" statt
Vielsagend auch der Termin der Begegnung: Das heimlich aufgenommene Treffen fand am 11. November 2009 statt - dem offiziellen Faschingsbeginn, worauf Strasser die Briten unbedingt aufmerksam machen wollte. Um 11.11 Uhr beginne "the funny time of the year. Children make a mascerade", so Strasser. Und weiter: "In Austria the people go around and drink beer and schnaps."

Der Ex-Innenminister wollte den Journalisten im weiteren Verlauf des Gesprächs mitteilen, dass es in seiner Heimat Ende Oktober außergewöhnlich milde Temperaturen gegeben hatte: "In Austria it was late summer with 20 degrees." Österreich sei außerdem grundsätzlich "a drinking country". Er selbst trinke aber keinen Alkohol: "I give a example for drinkers." In diesem Zusammenhang erzählte Strasser, er habe als Student in einer Brauerei gearbeitet, wo ein Kollege am Arbeitsplatz 20 Bier getrunken und nichts gegessen habe. Dafür habe er nach Feierabend noch ein paar Bier mit nach Hause genommen.

Strasser achtete auf seine schlanke Linie
Als es in dem Restaurant schließlich ans Bestellen ging, merkte Strasser mit der Speisekarte in der Hand an: "I have to be careful about my body." Den Einwurf eines Journalisten, er mache einen fitten Eindruck, begrüßte Strasser mit einem lachenden "Thank you".

Auch die schon bekannten, über YouTube verbreiteten Sequenzen, in denen Strasser über seinen politischen Werdegang referierte, bekamen die Zuhörer noch einmal zu sehen. Dass er in Brüssel sei, bezeichnete Strasser als "mistake", der Chef seiner Partei habe ihn zum "frontrunner" im EU-Wahlkampf bestimmt ("This was not my wish"). Er werde nun die Zeit in Brüssel nutzen, um sich ein Netzwerk aufzubauen, das er danach für seine eigene Firma nützen könne ("Of course I am a lobbyist").

Zu seiner politischen Einstellung erklärte Strasser: "My political is in the center of the political." Dass dies so sei, führte er darauf zurück, dass er "son of a little farmer" sei.

Strasser: "Ja, das ist sicher schlecht ausgedrückt"
Mit der schriftlichen Übersetzung seiner Aussagen zeigte sich Strasser nicht immer ganz zufrieden. Diskutiert wurde etwa über die Frage, ob die Phrase "You have to influence" das direkte Gegenüber anspricht oder ob das "you" ganz allgemein "man" bedeuten soll. Auch dass das Wort "input" mit "Einfluss" auf die Gesetzgebung übersetzt wurde, widerstrebte der Verteidigung. Und mit "When all the things are going up" habe er, Strasser, lediglich gemeint: "Wie sich die Dinge entwickeln." Auf ein "Sprachproblem" in Zusammenhang mit der Übersetzung angesprochen, gab Strasser zu: "Ja, das ist sicher schlecht ausgedrückt."

In voller Länge wurde auch ein weiteres Treffen mit den Journalisten präsentiert, diesmal im angeblichen Hauptquartier in London. Dabei rühmte sich Strasser etwa mit seinen einstigen berufsbedingten Kontakten zu amerikanischen Geheimdiensten und erklärte in voller Breite, wie nationale und EU-Politik funktionieren. Zudem erteilte er den vermeintlichen Lobbyisten auch noch den Ratschlag, nach Brüssel zu übersiedeln, um "lobbying competence" aufzubauen. Und schließlich wurde der Ex-Minister neugierig, warum gerade er als Kontakt auserkoren wurde: "May I ask you how did you come to me?"

Urteil erst 2013 erwartet
Vor Beginn der Videovorführung war verkündet worden, dass sich der Bestechungsprozess in die Länge ziehen wird. Der von Verteidiger Thomas Kralik als Entlastungszeuge nominierte Steuer- und Unternehmensberater Thomas Havranek, der in Strassers Auftrag versucht hatte, Informationen über die Firma der als Lobbyisten getarnten englischen Journalisten einzuholen, habe infolge eines Auslandsaufenthalts vor Weihnachten keine Zeit mehr für eine Zeugenaussage, hieß es. Der Prozess wird somit nicht wie bislang erwartet am 13. Dezember, sondern erst Mitte Jänner 2013 zu Ende gehen.

E-Mail-Verkehr belastet Strasser
Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna hatte den Ex-Innenminister zu Beginn des zweiten Verhandlungstags mit belastenden E-Mails konfrontiert. Diese würden deutlich machen, dass Strassers Mitarbeiterinnen in dessen Auftrag bei den Fraktionskollegen Othmar Karas und Hella Ranner vorgefühlt hatten, ob noch rechtzeitig ein Abänderungsantrag hinsichtlich einer Anlegerschutz-Richtlinie eingebracht werden könnte.

Derartige Änderungen hatten sich die als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten gewünscht, denen Strasser laut Anklage für ein jährliches Honorar von 100.000 Euro seine Einflussnahme auf die Gesetzgebung im Europäischen Parlament in Aussicht gestellt hatte. Strassers Assistentin recherchierte demnach per Mail bei Mitarbeitern von Karas und Ranner, wer für die Behandlung der Richtlinie zuständig war, in welchem Stadium sich die Prüfung der Richtlinie befand und ob "ihr Chef" (Strasser, Anm.) einen Abänderungsantrag einbringen könne.

"Es kann sein, dass ich versucht habe, Informationen über Inhalte, Leute, die Umgebung dieser Leute zu sammeln. Es geht nicht darum, irgendetwas zu veranlassen, irgendetwas zu tun, sondern um Informationen einzuholen. Wir haben weder gesagt, dass wir etwas einbringen wollen, noch haben wir etwas eingebracht", meinte Strasser dazu.

"Mein Chef müsste dringend wissen ..."
Der für die Richtlinie, die Entschädigungen für Anleger vorsah, fachlich an sich gar nicht zuständige Strasser erfuhr per E-Mail, man könne "über Ranner jederzeit" einen Abänderungsantrag einbringen. Allerdings musste Strassers Assistentin dann zur Kenntnis nehmen, dass die dafür vorgesehene Frist bereits abgelaufen war.

Darauf verschickte Strassers Mitarbeiterin an Ranners Büro ein Mail mit der Passage "Denkst du, dass Ranner noch etwas retten kann?", und eine Mitarbeiterin von Karas erhielt ein mit "Wichtigkeit hoch" versehenes Mail folgenden Inhalts: "Mein Chef müsste dringend wissen, ob euer Chef (Karas, Anm.) bereit wäre, einen Abänderungsantrag einzubringen."

Strasser bleibt dabei: "Wollte Agenten Futter geben"
In weiterer Folge rief Strasser persönlich mehrfach bei der betreffenden Karas-Mitarbeiterin an und machte Druck, was diese äußerst ungewöhnlich fand. "Ich habe mich null eingemischt in die Entscheidungsfindung", rechtfertigte sich Strasser vor Gericht. Es sei ihm nur darum gegangen, Informationen zu sammeln, um den vermeintlichen englischen Lobbyisten, die Strasser seiner Aussage zufolge als Geheimdienst-Agenten enttarnen wollte, "Futter zu geben". Er habe "diese Leute hinhalten und bei Laune halten" wollen. Im Übrigen sei es "in den letzten 20 Jahren nicht vorgekommen, dass Karas für mich einen Vorschlag umgesetzt hat".

Am Donnerstag ist die Vorführung weiterer Aufzeichnungen der Treffen mit den vermeintlichen Lobbyisten geplant.

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