Prozess ab Montag

Die Akte Strasser: Korruption oder Agenten-Thriller?

Österreich
25.11.2012 11:33
Für den Staatsanwalt ist er ein "Nehmer", er selbst sieht sich aber in der Opferrolle: Am Montag beginnt der Prozess gegen Ernst Strasser, früherer Innenminister und einstiges Mitglied des europäischen Parlaments.

Die rasante Karriere von Ernst Strasser (56) und sein tiefer Fall: Bauernbund. Sekretär von VP-Vizekanzler Riegler. Geschäftsführer der ÖVP-NÖ. Nationalrat. ORF-Kurator. Präsident des Hilfswerkes. Innenminister im Kabinett Schüssel I und II. Träger des Großen Goldenen Ehrenkreuzes am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. Und jetzt Angeklagter.

"Cash for law"-Affäre
Als erster Minister, als ehemaliges Mitglied des Europaparlaments ist er der Korruption beschuldigt. Er stolperte über die "Cash for law"-Affäre, die als Lobbyisten getarnte britische Reporter ins Rollen gebracht hatten. Als einflussreich genug habe er sich ihnen gegenüber dargestellt, um für 100.000 Euro gewisse Gesetze ändern zu können. "Da saßen in einem Lokal zwei Parteien einander gegenüber, die sich schlicht und einfach angelogen haben", rückt Strasser-Anwalt Thomas Kralik die Affäre ins vielleicht rechte, aber auch nicht gerade vorteilhaftere Licht.

Das Gesetz, um das es gegangen wäre, war ein Abänderungsantrag einer Finanzdienstleistungsverordnung. Es ging um Fristverlängerungen von sechs auf neun Monate, etwas, wofür Strasser in seiner Tätigkeit als Europaparlamentarier gar nicht zuständig gewesen wäre, es war nicht "sein" Ausschuss. Er tat nichts anderes, als Othmar Karas - dem er als Delegationsleiter vor dessen EU-erprobte Nase gesetzt worden war - eine Mitteilung zu schicken: "Schau dir das bitte an, macht das Sinn, ein Freund von mir hätte Interesse."

Anwalt Kralik kommt nicht drumherum zu feixen: "Das ist ja der Treppenwitz an der ganzen Geschichte. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist nämlich schon auf zwölf Monate verlängert. Da war ein anderer Lobbyist als Strasser wohl gewiefter!"

Kontakte aus Minister-Zeiten als Türöffner
Stolperte der Politiker also lediglich über seine Eitelkeit? Schließlich verwies er ja die Undercover-Journalisten auf seine Klienten, die ihm jeweils 100.000 Euro für seine Dienste bezahlt haben sollen. Was sein Verteidiger relativiert: "Er war schon so etwas wie ein Türöffner, er hat Termine aufgrund seiner Kontakte aus Innenminister-Zeiten zusammengebracht, die so wahrscheinlich schwer hätten stattfinden können." Aber die angeklagte Bestechlichkeit oder verbotene Intervention sei das nicht gewesen, zumal sich Strasser selbst als Opfer "dunkler Geheimdienst-Mächte" sieht.

Wie das? "Er hat die angebliche Firma der angeblichen Lobbyisten kontrollieren lassen. Die gibt es in London aber nicht", so Kralik. Und Strasser hatte ein Veto gegen neue SWIFT-Bestimmungen - das Transaktions-Vehikel zwischen Banken und auch Börsen - eingelegt und sich damit den Zorn der USA zugezogen. "Er hat bereits nach dem ersten Kontakt den Verdacht geäußert, bespitzelt zu werden, dafür gibt es auch Zeugen", sagt der Strasser-Anwalt.

Warum hat er dann die Gespräche ein halbes Jahr lang weiterlaufen lassen? "Er wollte das aufdecken, er hatte auch Angst, erpresst zu werden. Dabei hat er sich zugegeben reichlich ungeschickt angestellt. Und ehrlich: Jeder von uns hat doch auch schon eine Geschichte erlebt, von der man sagt, wenn du die erzählst, glaubt dir das kein Mensch!"

Ob Ernst Strasser Glauben geschenkt wird, wird sich ab Montag weisen. Dann startet im Wiener Landesgericht der Prozess.

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