"Krone"-Interview

“Versteht Gott Ihre Lovestory, Herr Pfarrer?”

Österreich
24.11.2012 17:53
Am letzten Sonntag, bei der Predigt, das Geständnis: Ich liebe eine Frau, mehr als alles andere. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der Pfarrer von Hausleiten, Peter Janousek (49), über das Ringen um Aufrichtigkeit, Rücktritt und Neubeginn.

Hausleiten im Weinviertel. Bei der Predigt vor einer Woche hielten die Kirchenbesucher hier den Atem an: Pfarrer "Ja", wie er von seinen "Schäfchen" liebevoll genannt wird, verkündete, dass er sein Amt zurücklegen werde. Er sagt Ja zu seiner großen Liebe.

Die Kirche steht auf einem Hügel mit Blick über die Tullner Spargelfelder - hier lag einst das größte Safran-Anbaugebiet der Monarchie. Mit Pfarr- und Friedhof bildet sie ein klösterliches barockes Ensemble. Der Apfelbaum, den Flüchtlinge aus Bosnien gepflanzt haben, die der Volkspfarrer hier in den Neunziger Jahren aufgenommen hat, trägt Ende November noch immer grüne Äpfel.

Hochwürden trägt Jeans, dazu eine dunkelblaue Fleece-Jacke. Er stellt sich selbst an die Kaffeemaschine und bereitet Große Braune für seine Gäste zu. Als wir am Tisch in seiner Wohnung Platz nehmen, zündet er sich eine Marlboro light und dann die Osterkerze an. "Als Zeichen der Auferstehung des Herrn", erklärt er, "aber auch, weil es menschliche Wärme ins Gespräch bringt." Das hier soll schließlich kein plumpes Outing werden.

Hier gibt's vier Hörproben von Peter Janousek: zum Thema Beziehung, über sein Treffen mit Kardinal Christoph Schönborn, den Zölibat und die Pfarrerinitiative.

Im Käfig hinter ihm sitzen zwei stumme gelbe Vögelchen. "Sie haben meiner Tante gehört. Nachdem sie gestorben ist, hab' ich sie zu mir ins Pfarrhaus genommen."

Ende Dezember räumt er seinen Platz. Es sind Tage des Abschieds - aber in seinen Augen leuchtet auch der Zauber des Neuanfangs.

"Krone": Herr Pfarrer, sind Sie sehr erleichtert? Oder ist die Wehmut größer?
Peter Janousek: Es ist beides da. Mir war es wichtig, ehrlich den Menschen, dem lieben Gott und auch mir selber gegenüber zu sein. Als zölibatär lebender Mensch habe ich um meinen Weg gerungen. Und gemerkt, dass die Sehnsucht nach Partnerschaft einfach so groß ist, dass ich Veränderung brauche.

"Krone": Ein Pfarrer in Ihrer Situation ist bis heute untergetaucht, viele, vermutlich Tausende, führen ein Doppelleben. Warum haben Sie die Flucht nach vorne angetreten?
Janousek: Zu den Priestern, die Partnerschaft im Untergrund leben, kann ich nichts sagen. Die müssen das für sich entscheiden. Ich habe dem Bischof bei meiner Priesterweihe Treue, Gehorsam, Armut und den Zölibat versprochen. Das habe ich immer sehr ernst genommen. Es hat auch niemand gesagt: "Geh, Sie können doch trotzdem bleiben!" Das hätte ich auch nie getan. Das wäre für mich kein Weg gewesen. Ich bin immer offen mit meiner Pfarrgemeinde umgegangen. Das hat den Vorteil, dass man alles sagen kann... Und das habe ich getan.

"Krone": Wie reagieren die Menschen?
Janousek: Wir sind eine sehr lebendige Pfarre, deshalb sind wir uns sehr nahe und begleiten einander im Gebet. Natürlich sind viele jetzt traurig und betroffen über mein Weggehen. Ich bin vielen lieb geworden und dafür bin ich sehr dankbar. Ich bekomme aber auch sehr viel Anteilnahme und Zustimmung.

"Krone": Was sagen Sie jenen, die enttäuscht sind?
Janousek: Dass es weitergehen wird, auch ohne mich. Denn das, was uns verbindet, ist Jesus. In der Trauerphase begleiten wir einander - so lange, bis wir mit Freude und Offenheit in die Zukunft gehen. Ich weiß, dass diese Menschen aus ihrem persönlichen Christsein heraus die Stärke dazu haben.

"Krone": Wie muss man sich die Beichte beim Herrn Kardinal vorstellen?
Janousek:(lacht) Ich bin zu ihm nach Wien gefahren. Mir fällt es nicht leicht, über persönliche Dinge zu sprechen. Deshalb war es für mich nicht gerade ein angenehmes Gespräch. Der Herr Kardinal hat aber sehr verständnisvoll reagiert. Ich habe ihn, wie es das Kirchenrecht verlangt, ersucht, mich von den priesterlichen Pflichten zu entbinden und meine Resignation anzunehmen.

"Krone": Hat er versucht, Sie zu halten?
Janousek: Nein, weil meine Entscheidung ganz klar war. Er hat gesagt, dass es ihm leid tut. Er hat mir aber auch seine Segenswünsche mit auf meinen Weg gegeben.

"Krone": Wann haben Sie Ihre Freundin kennengelernt?
Janousek: Das erste Mal sind wir einander schon während meiner Zeit als Jugendseelsorger begegnet. Aber damals war es noch keine Liebesbeziehung. In den letzten drei Jahren haben wir uns besser kennengelernt, haben den Wunsch gespürt, miteinander eine Existenz aufzubauen und unser Leben gemeinsam zu gestalten. Dabei haben wir uns immer wieder die Frage gestellt: Trauen wir uns das zu?

"Krone": Was macht Ihre Freundin?
Janousek: Sie ist 39 und im öffentlichen Dienst tätig. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Außer, dass sie sich sehr freut.

"Krone": Viele Leute stellen sich so eine Beziehung vor wie in der "Dornenvögel"-Saga... Trifft das zu?
Janousek: Das ist eine ganz falsche Vorstellung. Für mich war es eher so, dass der liebe Gott mich einen Menschen kennenlernen lässt, den ich von ganzem Herzen liebe und der auch mich liebt.

"Krone": Also würde Gott Ihre Lovestory verstehen?
Janousek: Wenn ich ihn biblisch richtig verstanden habe, dann schon. Ja. Wir Christen glauben ja an einen befreienden Gott. Jesus steht ein für die Liebe zwischen den Menschen. Das betone ich bei jedem Begräbnis: Was von einem Menschen letztendlich bleibt, ist nicht der Grabstein und nicht das Haus, das er gebaut hat, sondern die Liebe, die er weitergeschenkt hat.

"Krone": Wollen Sie auch heiraten?
Janousek: Kirchlich könnten wir nur heiraten, wenn ich um die Laisierung in Rom ansuche. Das haben wir noch nicht entschieden. Wir möchten schon gerne heiraten. Allein schon deshalb, weil ich aus meiner Arbeit heraus weiß, wie viele Probleme ein Zurückbleibender haben kann, wenn er in sogenannter wilder Ehe zusammengelebt hat. Aber erst muss jetzt einmal ein bisschen Ruhe in meinem Leben einkehren.

"Krone": Was werden Sie in Zukunft arbeiten?
Janousek: Auch das ist noch völlig offen. Ich bin HTL-Absolvent in Kunststofftechnik, aber das ist zu lange her. Alles vergessen! (lacht) Ich habe mir keinerlei Sicherheiten aufgebaut. Für mich steht im Vordergrund, mich am 30. Dezember, beim Dankesgottesdienst, von meiner Gemeinde zu verabschieden.

"Krone": Wären Sie geblieben, wenn es den Zölibat nicht mehr gäbe?
Janousek: Das habe ich mir nie überlegt. Wir haben ja immer noch dieses barocke Pfarrerbild. Ein halber Heiliger, der omnipräsent sein soll: 40 Stunden hauptamtlich, 40 Stunden ehrenamtlich, dazu unbezahlte Überstunden. Wo bliebe da Zeit für eine Partnerschaft?

"Krone": Warum wird er Ihrer Meinung nach nicht abgeschafft?
Janousek:
Erstens ist er ein mächtiges Versetzungsinstrument, andererseits ist er eine Art Vertrag: Der Priester verspricht die Ehelosigkeit, der Bischof verspricht, für ihn zu sorgen. Die Abschaffung wäre in erster Linie ein finanzielles Problem. Verheiratete Priester bekämen Kinder, bräuchten mehr Platz zum Wohnen, ließen sich vielleicht scheiden, würden vererben...

"Krone": Fühlen Sie sich manchmal als Abtrünniger?
Janousek: Kaum jemand bezeichnet Priester, die ausgeschieden sind, mehr als Abtrünnige. Die Kirche nimmt schon zur Kenntnis, dass Priester sich anders entwic begleitet. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich doch sehr viel verändert. Neu ist aber die Betroffenheit der Menschen. Sie sagen: Muss das so sein? Muss das Kirchenrecht so dominant sein?

"Krone": Ihre Antwort?
Janousek: Es müsste in Europa möglich sein, den Zölibat zu versprechen, und dann, wenn ein Priester eine Frau findet, auch sagen zu können: "Liebe Gemeinde, ich heirate!"

"Krone": Wünschen Sie und Ihre Frau sich noch Kinder?
Janousek: Frauen beherrschen bekanntlich das Multitasking, aber Männer können nur eins nach dem andern. Ich hab' es jetzt der Gemeinde gesagt. Jetzt kommt die Verabschiedungsphase, dann die Umsiedlung, dann die berufliche Neuorientierung. Und dann schauen wir mal. Trauen wir uns auch das noch zu? (denkt lange nach) Offen sind wir dafür...

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