"Ist doch absurd"

SPÖ versus ÖVP: Machtkampf um die Schule

Österreich
10.11.2012 17:45
Mit seinem bildungspolitischen Ziel des ganztägigen Unterrichts für alle bringt Bundeskanzler Werner Faymann jetzt Vizekanzler Michael Spindelegger in Bedrängnis: "Es kann nicht sein, dass es Geld für die Banken, aber nicht für die Bildung gibt", so Faymann. Nach der Regierungsklausur geht die Koalition nun also mit einem Machtkampf um das Schulsystem in die letzte Etappe vor der Nationalratswahl. Dabei ist das Problem nicht neu und wartet bereits seit vielen Jahren auf eine Lösung.

Eine zeitgemäße Bildungsreform hatte schon Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer nicht geschafft, möglicherweise auch nie gewollt. Das war allerdings auch nicht besonders überraschend, weil die resolute Tiroler ÖVP-Politikerin ohnehin der Retro-Fraktion angehört.

Jetzt aber kann man seit einigen Jahren schon auch die weitaus aufgeschlossenere SPÖ-Politikerin Claudia Schmied beim dauernden Scheitern auf offener Bühne und hinter den Kulissen beobachten. Mit dem Thema Gesamtschule etwa hat sich die in dieser Frage links-ideologisch fixierte Schmied längst in eine Sackgasse manövriert. Hauptgrund für Schmieds politische Serienniederlagen ist aber ihr mangelndes Verhandlungsgeschick. Das wird nicht nur bei der ÖVP so gesehen. Selbst in höchsten Kreisen der SPÖ sorgt die Vorgangsweise der Unterrichtsministerin immer wieder für Verwunderung.

Nach der Regierungsklausur am Freitag hat sich der Kanzler nun entschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Sein Thema ist derzeit auch gar nicht die Gesamtschule, sondern "der Vollausbau der Ganztagsschule in ganz Österreich".

Geld für Ganztagsschule aus der Erbschaftssteuer
"Die Zeiten, in denen die Mutti daheim wartet und mit dem Kind die Hausaufgaben macht, sind längst vorbei", sagt der Kanzler, der "sehr enttäuscht ist, dass mit dem Koalitionspartner die Ganztagsschule in der von mir angestrebten Form nicht möglich ist".

Das von Faymann angepeilte Modell ist das eines sogenannten "verschränkten Unterrichts". Das bedeutet, dass sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag gelernt werde. Freilich in einem aufgelockertem System, das es den Kindern ermöglicht, den Stoff auch gut zu erlernen. "Es ist doch widersinnig, die Kinder zwar am Nachmittag nicht in die Schule, aber dafür um viel Geld in die Nachhilfe schicken zu müssen. Zumal sich das viele Eltern auch gar nicht leisten können." Besonders ärgerlich findet der Kanzler, dass der flächendeckende Ausbau der Ganztagsschule von der ÖVP mit dem Hinweis auf fehlende Budgetmittel abgeschmettert werde.

Mit Lösung nicht bis zum Frühjahr warten
"Es ist doch absurd zu sagen, wir haben keine 80 Millionen Euro jährlich für ein modernes Schulsystem, aber 1,5 Milliarden Euro für die Hypo-Rettung. Es kann einfach nicht sein, dass es Geld für die Banken, aber nicht für die Bildung gibt", ist Faymann einigermaßen empört. Der Kanzler meint jedenfalls, dass er mit einer Lösung nicht bis zur nächsten Regierungsklausur im März 2013 warten wolle. "Das muss viel rascher gehen", so Faymann.

Dennoch hat die Frage das Zeug zum Wahlkampfthema. Vizekanzler Spindelegger bleibt kryptisch: "Ich bin für den Ausbau der Ganztagsschule. Allerdings ohne Zwang und auch nicht so, wie das die SPÖ will, mit dem verschränkten Unterricht."

Hinter dieser ÖVP-Abwehrhaltung vermuten manche den (Un-)Geist von Beamten-Dino Fritz Neugebauer. Denn die Ganztagsschule würde auch bedeuten, dass die Lehrer den ganzen Tag unterrichten müssen. Für viele offenbar ein Alptraum. Aber hier schickt nun Faymann seine neue Geheimwaffe, Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, ins Rennen, um ein neues Lehrerdienstrecht zu verhandeln.

Ironie der Geschichte: An den einstigen Kaderschmieden der ÖVP, den katholischen Privatschulen, wird seit jeher ganztägig unterrichtet. Nicht zuletzt deshalb gibt es in der ÖVP einige Kräfte, die der SPÖ-Idee gegenüber aufgeschlossen sind. Unter anderem soll Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner dieser Gruppe angehören. Gilt doch vor allem in der Wirtschaft, dass der Schlüssel zur Zukunft des Landes in einer guten Ausbildung der Jugend liegt.

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