"Wirtschaft stärken"

Bilanzpolizei und Maßnahmenpaket beschlossen

Österreich
09.11.2012 13:51
Lange hat es gedauert, aber jetzt bekommt auch Österreich als letzter EU-Staat eine Bilanzpolizei. Die Regierung hat am Freitag bei ihrer Herbstklausur in Laxenburg einen von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter vorgelegten Gesetzesentwurf beschlossen. Außerdem wurden ein umfangreiches Arbeitsmarkt- und Unternehmerpaket vorgelegt und eine Reform der Invaliditätspension abgesegnet, wie Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger bei einer Pressekonferenz zur Klausur bekannt gaben.

Im Rahmen der Einführung einer Bilanzpolizei erhält die Finanzmarktaufsicht (FMA) als Prüfbehörde die Aufgabe, Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse sowie sonstige vorgeschriebene Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen auf ihre Rechtmäßigkeit, Richtigkeit und auf die Einhaltung von Rechnungslegungsstandards hin zu überprüfen. Dafür hat die Aufsicht auch jährlich Prüfungsschwerpunkte vorzugeben.

Die Prüfung selbst kann von der FMA an einen Verein delegiert werden. Dieser muss vom Finanzministerium zugelassen, unabhängig und nicht auf Gewinn ausgerichtet sein. Ein solcher Verein hat den Namen "Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung" zu führen und darf in Ausübung seiner Tätigkeit an keine Weisungen gebunden sein. Befangenheit der Vereinsmitglieder muss ausgeschlossen sein.

Strafen bis zu 100.000 Euro für "frisierte" Bilanzen
Geprüft wird stichprobenartig sowie wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen. Kooperiert das Unternehmen mit dem Verein nicht oder äußert berechtigte Zweifel am Ergebnis, prüft die FMA selbst. Bei Verstößen hat die Finanzmarktaufsicht nach "Maßgabe des öffentlichen Interesses" eine Veröffentlichung anzuordnen, Bagatellfälle, also offensichtlich unwesentliche Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften, sind also nicht betroffen.

Strafen können bis zu 100.000 Euro ausmachen, wenn ein Unternehmen den Prüfern gegenüber Falschangaben macht. Finanziert wird die Bilanzpolizei von den geprüften Unternehmen selbst und zwar mit jeweils 7.500 Euro pro Jahr. Allerdings werden auch die Mitglieder des Prüfvereins mit 10.000 Euro zur Kasse gebeten. Wenn dann noch Kosten für die eigentlichen Prüfer offen bleiben, müssen die Unternehmen dafür aufkommen.

Wirtschafts- und Arbeitsmarktpaket präsentiert
Die erste Pressekonferenz nutzte die Regierungsspitze zudem dazu, um ihr Wirtschafts- und Arbeitsmarktpaket zu bewerben. Mit den insgesamt 30 Maßnahmen stärke man die Wettbewerbsfähigkeit und bekämpfe Armut, erklärte Faymann. Um das wirtschaftlich starke Land so erfolgreich weiterzuführen, seien Änderungen notwendig. Deshalb investiere man in Ausbildung und Qualifizierung. Aber auch für sozial Schwache gebe es Verbesserungen, verwies der Kanzler auf kleinere Änderungen bei der Notstandshilfe. Politisch geeinigt habe man sich außerdem auf ein Bankeninsolvenzrecht, das stärkere Kontrolle bringen soll.

Spindelegger betonte, man brauche eine Gründerwelle, warne doch etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut aktuell vor einer Eintrübung der Konjunktur. Eine solche Gründerwelle erwartet sich die Regierung etwa von der GmbH neu mit niedrigerem Mindeststammkapital, die sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken werde. Weiters würden bürokratische Hürden, etwa in der Gewerbeordnung, entflechtet. Und um Jungunternehmer zu unterstützen, werde ein entsprechender Fonds eingerichtet, der mit nächstem Jahr wirksam werden soll.

Invaliditätspension wird neu geregelt
Der Vizekanzler erwähnte auch die Neuregelung der Invaliditätspension. Grundprinzip ist, dass die befristete Invaliditätspension bald der Vergangenheit angehört - und zwar für alle, die am 1.1.2014 jünger als 50 Jahre alt sind, also jene, die nach dem 31.12.1963 geboren sind. Zudem einigte sich die Regierung auf die neue Bildungsteilzeit, die es Arbeitnehmern ermöglichen soll, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um sich weiterzubilden. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens einem halben Jahr besteht und die Arbeit entweder um ein Viertel oder um die Hälfte der Normalarbeitszeit reduziert wird (mindestens zehn Stunden/Woche). Bei Reduktion auf 50 Prozent bekommt man Teilzeit-Weiterbildungsgeld in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes (442 Euro monatlich), bei Reduktion um ein Viertel die Hälfte davon. Mindestdauer sind vier Monate, Höchstdauer zwei Jahre.

Vom Kanzler hervorgehoben wurde zudem das neue Krankengeld für Selbstständige und Leistungserweiterungen bei Zahnambulatorien. Mit einer entsprechenden Gesetzesnovelle von Gesundheitsminister Alois Stöger von der SPÖ werden derzeit noch geltende Beschränkungen für Zahnambulatorien beseitigt. Sie können künftig z.B. auch Inlays, Implantate und Zahnspangen anbieten und das wohl zu einem geringeren Preis als die niedergelassenen Mediziner. Damit könne man vielen beispielsweise Zahnspangen zu einem niedrigeren Preis zur Verfügung stellen, erläuterte Faymann.

Sämtliche Beschlüsse der Regierungsklausur in Laxenburg findest du in der Infobox!

Gesamtkosten noch nicht benannt
Die Gesamtkosten der 30 Maßnahmen wurden von der Regierungsspitze nicht genannt. Teilweise seien sie schon im Budget eingearbeitet, sagte Spindelegger. Außerdem erwartet man positive Effekte, rechne man doch etwa pro gegründetem Unternehmen mit durchschnittlich vier Arbeitsplätzen.

Die Maßnahmen würden dazu beitragen, "dass wir gut aufgestellt ins nächste Jahr gehen", zeigte sich Spindelegger überzeugt. Und: Bis kurz vor der Wahl in knapp einem Jahr werde man noch "einiges draufsetzen". Ausschließlich harmonisch dürfte es aber auch bis zur Wahl nicht zugehen: "Der Friedensschluss von Laxenburg ist nicht am Programm", es handle sich um zwei verschiedene Parteien, versicherte Spindelegger. Es werde weiterhin Auffassungsunterschiede geben, aber in den wesentlichen Reformen bringe man etwas weiter, versprach Faymann.

Keine Einigung bei Ganztagsschule
Gescheitert ist die SPÖ übrigens mit ihrem Wunsch nach mehr Geld für den Ausbau der Ganztagsschule. Die Sozialdemokraten hatte einige Tage vor der Klausur eine Verdoppelung der Mittel für den Ausbau der Ganztagsschule auf 160 Millionen Euro pro Jahr gefordert, und zwar für die Jahre 2014 bis 2018. Die ÖVP war damit allerdings nicht einverstanden.

Allerdings verreinbarte die Regierung bereits eine weitere Klausur für Anfang März. Bis dahin soll der weitere Ausbau der ganztägigen Schulangebote laut Unterrichtsministerin Claudia Schmied von der SPÖ beschlossene Sache sein. "Da führt kein Weg daran vorbei. Das Projekt wird ins Ziel kommen", meinte Schmied. "Wir bringen das durch bis März."

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