In die Luft gehen

Kappadokien “erfahren”: Im Ballon ins Feenreich

Reisen & Urlaub
06.10.2012 17:00
Vulkanausbrüche, Wasser und Wind haben in Kappadokien eine atemberaubende Landschaft geformt – die märchenhaften "Feenkamine". Wer sie besonders intensiv erleben will, muss in die Luft gehen: mit dem Ballon.

Irgendwo in der Ferne zieht ein Adler in der noch kühlen Luft des heraufdämmernden Morgens seine ersten Bahnen. Es ist völlig still, und niemand im Korb unseres riesigen Heißluftballons will diese Ruhe stören. Nur das Fauchen des Brenners ist zu hören, der die Luft in der dünnen Stoffhülle erhitzt: Es ist der einzige "Motor" des schwerfällig erscheinenden Gefährts. Doch gute Piloten – unserer ist wohl so einer – können damit präzise und fast metergenau den Ballon steuern. So gleiten wir, die sanften Luftströmungen ausnützend, in unserem Korb knapp vorbei an faszinierenden Gesteinsformationen.

Zuerst fährt der Pilot das lang gestreckte, tief eingekerbte "rosa Tal" entlang. Die Felsen sind zum Greifen nahe. Schließlich lässt er den Brenner mächtig fauchen und treibt den Ballon bis in eine Höhe von 1.300 Meter. Den Ausblick nach unten vermeidet man da lieber, der in die Ferne ist gewaltig. Auf der einen Seite ein 4.000 Meter hoher Vulkan, auf der anderen ein Tafelberg, hinter dem langsam die Sonne hervorlugt. Selbst die Landung, der heikelste Teil einer derartigen Luftfahrt, verläuft sanft. Das Gläschen Sekt für die Passagiere, ausgeschenkt mitten auf einer Wiese, ist ein fast schon dekadenter Abschluss eines großartigen "Abenteuers".

Noch immer ein Geheimtipp
Wir befinden uns in Kappadokien, 200 Kilometer südwestlich von Ankara. Dieser Teil der Türkei ist ein einmaliges Juwel in der touristischen Landschaft und völlig zu Unrecht noch für viele ein Geheimtipp. "Kappa–wie, Kappa–was" hört man oft, wenn man sein Reiseziel im anatolischen Hochland nennt.

Um zu verstehen, wie diese faszinierende Landschaft entstanden ist, muss man weit in der Geschichte zurückgehen. Irgendwann vor Jahrmillionen brachen wohl die drei Vulkane der Gegend aus. Es bildete sich eine Schicht Tuffstein, der durch Erosion in unterschiedlicher Weise abgetragen worden ist. Manche Teile blieben stehen, manche senkten sich und die Zeit formte die märchenhaften, bis zu 50 Meter hohen Felsnadeln, die hier "Feenkamine" genannt werden. Wer Fantasie hat, findet immer neue Vergleiche. An Steinpilze oder überdimensionale Spargel erinnern sie am ehesten. Bis 1950 waren sie sogar noch bewohnt, heute werden viele von ihnen revitalisiert und als Hotels ausgebaut.

Und die Bewohner der Gegend nützten den Umstand aus, dass Tuffstein mit einfachsten Werkzeugen leicht zu bearbeiten ist. Sie bauten Höhlen, wo sie sich vor feindlichen Angriffen verstecken konnten, und gruben sogar unterirdische Städte, die bis zu acht Stock in die Tiefe reichen. Mehrere tausend Menschen lebten dort über Wochen hinweg.

Bestsellerautor Erich van Däniken vermutet zwar, sie könnten als Fluchtburgen vor Außerirdischen gedient haben. Eher belegt ist aber, dass die ersten vor 4.000 Jahren entstanden und dann den Christen als Versteck dienten – sei es zur Römerzeit oder später bei Überfällen der Araber.

Erkundung nur ohne Platzangst
Die wohl größte der 50 unterirdischen Städte liegt in Derinkuyu. Wer Platzangst hat, ist hier fehl am Platz. Treppen hinuntersteigend, die immer enger und niedriger werdenden Gänge entlang stolpernd, klettern wir im schummrigen Licht tief und tiefer. Es ist ein Labyrinth im Untergrund mit allem Drum und Dran. Küchen, Wohnbereiche, ja sogar Ställe für das Vieh gab es. Und Brunnen für das Wasser. "Das Tunnelsystem in der Gegend muss an die 1.000 Kilometer lang sein", vermutet Führer Metin. Der Untergrund ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

Im 8. bis 13. Jahrhundert wurden sogar Klöster in die Felsnadeln gestemmt – mit Kirchen und wunderbaren Malereien an den Wänden. Dass dieses heute islamische Gebiet eine christliche Vergangenheit hat, zeigt sich hier mehr als deutlich.

Es mutet zunächst auch ein wenig seltsam an, dass Kappadokien für seine exzellenten Weine bekannt ist. Der Staat hat in letzter Zeit die Steuern zwar mächtig erhöht, an der Ausschank hat sich aber nichts geändert.

Kappadokien kann man auch "erwandern"
Kappadokien mit dem Ballon zu "erfahren" ist eine spannende Möglichkeit. Aber auch "erwandern" lässt sich die Gegend sehr gut. Besonders mit Metin als Führer, der jedes Pflänzchen und jede Frucht der Gegend erklären kann. So wird ein Spaziergang zum praktischen Botanik-Unterricht. Wilde Trauben und andere Beeren schmecken köstlich. Wir gehen durch das "weiße Tal", das manche auch Liebestal nennen. Warum, wird klar, wenn man die auch an überdimensionale Phallussymbole erinnernden Felsnadeln bedenkt.

So verabschiedet sich Metin mit einem fröhlichen "Güle güle" von uns. "Güle güle" bedeutet zunächst einmal "Auf Wiedersehen". Es beinhaltet aber auch den Wunsch: "Ich hoffe, es hat dir gefallen und du kehrst bald wieder." Daher sagen wir gerne: "Bis bald in Kappadokien, lieber Metin."

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