Viele Baustellen

Jörg Haiders politisches Erbe: Ein Justizmarathon

Österreich
02.10.2012 12:28
Knapp vier Jahre ist es her, dass Jörg Haider im Süden von Klagenfurt mit seinem Dienstwagen in den Tod gerast ist. Die Verherrlichung seiner Ära betreiben inzwischen nicht einmal mehr seine politischen Erben. Sein Nachfolger als Parteichef in Kärnten, Uwe Scheuch, ist über die "Part of the game"-Affäre gestolpert, sein Koalitionspartner Josef Martinz wurde am Montag zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Und das ist erst der Anfang: Die vielen Baustellen und mutmaßlichen Korruptions-Feuchtbiotope, die Jörg Haider hinterließ, werden erst aufgearbeitet.

Waren es vor vier Jahren noch Trauertränen, so vergießt man in Kärnten heute wohl eher Tränen aus Zorn über die Machenschaften des einstigen "Landesvaters", die jetzt Stück für Stück, Geschäft für Geschäft, ans Tageslicht geraten. Haider ist nach wie vor ständig präsent, allerdings zumeist im Zusammenhang mit Strafprozessen und Untersuchungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Da geht es um Staatsbürgerschaften für sponsernde Russen, wie bei der "Part of the game"-Affäre von Uwe Scheuch, dessen Verfahren, das erstinstanzlich einen Schuldspruch brachte, derzeit zum zweiten Mal beim Oberlandesgericht Graz liegt.

Um russisches Geld für Pässe geht es auch bei Haiders ehemaligem Protokollchef Franz Koloini, der für seinen damaligen Chef fast 200.000 Euro von der Bank abgehoben, ihm einen Teil in bar übergeben und den anderen Teil auf Sparbüchern mit Einlagen von jeweils 14.990 Euro deponiert haben soll. Das Geld war der "Rest" von Zahlungen, die zwei russische Investoren überwiesen, um an österreichische Pässe zu gelangen, so der Vorwurf. Geldwäsche nennt es die Staatsanwaltschaft, die Richterin mochte das nicht so sehen und fällte Freisprüche, die allerdings aufgehoben wurden. Damit geht der Prozess zurück an den Start, die beiden Russen, die 2007 tatsächlich Österreicher wurden, sind übrigens auch angeklagt, weil sie Haider bestochen haben sollen.

Die Causa Birnbacher hat exemplarisch aufgezeigt, was in Kärnten unter Haider möglich war. Der Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher gestand vor Gericht, es habe eine Vereinbarung zwischen ihm, Martinz und Haider gegeben, wonach sein völlig überzogenes Millionenhonorar auch zur Parteienfinanzierung dienen sollte. Martinz gab das danach zu - und auch wieder nicht, gestand aber, Geld von Birnbacher erhalten zu haben. Der Schöffensenat unter Richter Manfred Herrnhofer sah die Schuld des Ex-Politikers als erwiesen an. Die beiden Vorstände der Kärntner Landesholding fassten ebenfalls Gefängnisstrafen aus. Rechtskräftig sind auch diese Urteile nicht.

Der Birnbacher-Prozess hatte mit derHypo zu tun, der Koloini-Prozess hat es ebenfalls. Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer ist inzwischen zwei Mal verurteilt, einmal rechtskräftig wegen Bilanzfälschung, das zweite Mal nicht rechtskräftig wegen Untreue. Es geht um einen Vorzugsaktien-Deal, ein zweiter, ganz ähnlich gestrickter Deal steht vor der Anklage. Haider hatte mit diesen Vorgängen zwar nichts zu tun, mit der Hypo aber um so mehr, allein wegen der Milliardenhaftungen, die er der Landesbank gewährte.

Mit einem weiteren Hypo-Prozess hat er allerdings direkt zu tun: Die Bank gab der maroden Fluglinie Styrian Spirit auf Wunsch Haiders zwei Millionen Euro unbesicherten Kredit. Haider steckte dazu drei Millionen Steuergeld in die Airline. In erster Instanz gab es da zwar einen Freispruch für Kulterer und seinen langjährigen Stellvertreter Günter Striedinger, der aber vom OGH im Sommer aufgehoben wurde. Die OGH-Begründung liest sich übrigens wie ein Schuldspruch.

Millionenzahlungen für Haiders Steckenpferd, den Fußballverein SK Austria Kärnten, sind der Grund, warum sich fast der gesamte Ex-Vorstand der BayernLB vor Gericht verantworten muss. Der Vorwurf: Bestechung eines Amtsträgers. Die Hypo gehört mittlerweile der Republik Österreich, dem Land blieben - neben 500 Millionen im Zukunftsfonds - die Milliardenhaftungen, Klagsdrohungen der Bayern.

Walter Meischberger, Mathias Reichhold, Hubert Gorbach, Karl-Heinz Grasser, sie alle hat Haider in die Politik geholt, sie alle sind im Visier der Justiz. Auch Neo-Politiker Frank Stronach profitierte von der Zusammenarbeit mit Haider. Dieser verschaffte ihm günstig den Kauf von Schloss Reifnitz, nun untersucht die Justiz.

Die "Connect"-Affäre ist ebenso mit dem Verstorbenen verbunden wie die Affäre um eine Jubelbroschüre des Landes, die für die Landtagswahl 2009 zu einer Wahlkampfbroschüre des BZÖ umgemodelt wurde. Die Idee für die Jubelbroschüre fiel noch in Haiders Zeit als Regierungschef, für den Wahlkampf stand er ob seines Ablebens zwar nicht mehr zur Verfügung, doch berief sich seine Nachfolgerriege fast ununterbrochen auf ihn.

Das tut sie inzwischen nicht mehr. Landeshauptmann Gerhard Dörfler, gegen den ebenfalls ermittelt wird, meint inzwischen nur noch, er würde Haider gerne ein paar Fragen stellen. Im Übrigen hat er von nichts gewusst und war nie dabei. Finanzlandesrat Harald Dobernig steht selbst im Visier der Justiz, auch er wurde von Haider, damals als Büroleiter, geholt und "erbte" das Finanzressort samt riesigem Schuldenberg. Die Verbindlichkeiten hindern Dörfler und Dobernig aber nicht daran, in bester Haider-Manier vor Weihnachten "Teuerungsausgleiche" bar an die Bedürftigen zu verteilen oder Gutscheine für eine Woche Gratisfahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln per Postwurf unters Volk zu bringen. Mit dem Porträt Dörflers natürlich. Wer dabei einen Zusammenhang mit den Landtagswahlen sieht, wird von Dörfler brüsk zurechtgewiesen.

Das 70 Millionen Euro teure Fußballstadion, in dem sich bei Spielen des Regionalligisten Austria Klagenfurt ein paar Hundert Zuschauer verlieren, das Tibetzentrum samt Luxushotel in Hüttenberg, das zum Tourismus-Magneten werden sollte, das Schlosshotel Velden, das sich Milliardär Karl Wlaschek im vergangenen Jahr wohl eher aus Sentimentalität als aus Rendite-Überlegungen zugelegt hat, die nie zustande gekommene Untertunnelung der Bahnstrecke am Wörthersee, eine von Haider erwogene und dann doch verworfene Seilbahn von Minimundus zum EM-Stadion - Projekte gab es genug, Nachhaltigkeit war dabei offenbar eher weniger im Fokus.

Nachhaltig ist bis dato hingegen die Blockade der Freiheitlichen im Kärntner Landtag. Acht Mal haben sie bisher die Abstimmung über die Auflösung des Landtages verhindert, um rasche Neuwahlen zu verhindern. Weitere Blockaden und Auszüge sind angekündigt. Das Demokratieverständnis der Freiheitlichen zeigt sich dabei an Aktionen wie jener, als Dörfler die Kärntner Landesregierung - dort hat die FPK die absolute Mehrheit - den Wahltermin 3. März 2013 "beschließen" ließ - ungeachtet der Tatsache, dass dafür jegliche Kompetenz fehlt, jedenfalls vor der Auflösung des Landesparlaments.

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