"Tickende Zeitbombe"

Fußfessel-Sextäter wohnt neben einem Kinderheim

Österreich
22.08.2012 15:30
Obwohl zu zwei Jahren Haft, acht Monate davon unbedingt, verurteilt, muss ein Vergewaltiger nicht einen Tag ins Gefängnis. Wie berichtet, bekommt der Salzburger eine Fußfessel umgeschnallt, darf die Strafe daheim vor dem Fernsehapparat "verbüßen". Lapidare Erklärung dazu aus dem Justizministerium: "Es ist, wie es ist." Das Opfer ist verzweifelt, bezeichnet den 51-Jährigen als "tickende Zeitbombe", und eine "Krone"-Information macht den Skandal noch brisanter: Das Haus des Hundetrainers liegt nur 60 Meter von einem Kinderheim entfernt.

Ein bisschen Gebüsch und ein kleiner Zaun – nur das trennt jenen verurteilten Sexualstraftäter, der vor Jahren eine 15-Jährige fünf Mal missbraucht hatte, in Zukunft von spielenden Kindern. Die "Krone" erreichte eine der Betreuerinnen am Handy, die fiel aus allen Wolken, will aber nichts zu dem Fall sagen: "Wir sind gerade mit den Kleinen im Bad", erklärte sie. Im Hintergrund fröhliches Kinderlachen. Erhält der Sextäter seine Fußfessel, wird er es bald bis ins Wohnzimmer hinüber hören können.

Sexopfer: "Heim ist ja gleich nebenan"
"Das Heim ist ja gleich nebenan", erklärt Sabine K. (Name geändert), das Opfer des Salzburger Hundetrainers. Sie selbst wohnte ebenfalls im Haushalt mit dem Herrn B. – damals, als noch alles gut schien, als die Familie den orientierungslosen Teenager sogar adoptieren wollte. Alles war perfekt, bis der heute 51-Jährige sie zwischen 2005 und 2006 fünf Mal missbrauchte. Damals war die Heranwachsende gerade einmal 15 Jahre alt.

Und nicht einmal nach der neuen Erkenntnis schrillen bei der Justiz die Alarmglocken. Das Oberlandesgericht Linz entschied – trotz des Protestes eines Gefängnisdirektors – für die Fußfessel. Die "Krone" fragte Sprecher André Starlinger: Wieso darf ein Sextäter neben Kindern wohnen? "Das unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Ich würde mich strafbar machen, wenn ich darauf antworte", so Starlinger.

Straftäter verging sich daheim an Mädchen
Schulterzucken auch im Justizministerium. Obwohl das Sexopfer in einem Brief an Justizministerin Beatrix Karl händeringend darum flehte, den Verbrecher nicht mit einer Fußfessel zu belohnen, heißt es dort nur: "Es ist verfassungsrechtlich nicht möglich, Tätergruppen bei Fußfesseln auszunehmen." Nachtrag: "Es ist, wie es ist." Dabei hatte es im März 2010, als die damalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner die Einführung der Fußfessel bekannt gab, noch klar und deutlich geheißen: "Sexualstraftäter sind ausgenommen."

Trotz negativer Prognose Fußfessel gewährt
Drei Monate später, als das Gesetz dann geschrieben war, klang das dann schon anders. Für Sextäter würden aber immerhin besondere Hürden eingebaut werden. Man wollte die Opferinteressen in die Erwägungen miteinbeziehen. Daher müssten Sextäter von einer Begutachtungsstelle genau überprüft werden, am Ende sei eine positive Risikoprognose erforderlich. Die gab es aber für den Salzburger nicht. Im Gegenteil: Die Begutachtungsstelle ortete bei ihm Rückfallgefahr. Deshalb lehnte der Strafvollzug für ihn auch die Fußfessel ab. Erst die Berufungsinstanz in Linz setzte sich über alles hinweg und entließ den Sextäter in Freiheit.

Auch bei einem 41-Jährigen aus Deutschland war es, wie es war. Auch er ein verurteilter Vergewaltiger, auch er mit Fußfessel daheim – und trotz Überwachung soll er sich erneut an einem Mädchen (7) vergangen haben. Die Staatsanwaltschaft München hat jetzt Anklage erhoben. Auch diese Zahlen aus Österreich beunruhigen: Vier Sexualstraftäter tragen derzeit Fußfessel. Seit das "Gefängnis daheim" salonfähig geworden ist, waren es 22 Verurteilte.

Interview mit Vergewaltigungsopfer Sabine K.
"Krone": Frau Sabine K., Sie sind das Opfer des Vergewaltigers, der jetzt mit Fußfessel daheim leben darf. Was bedeutet das Urteil für Sie?
Sabine K.: Es ist für mich nicht in Worte zu fassen, er wird mit einer Fußfessel belohnt und das als Mehrfachtäter. Dieser Mann muss keine Wiedergutmachung für seine Taten leisten. Es ist so schlimm.

"Krone": Wieso erhält er die Fessel überhaupt? Ein Gefängnisdirektor sagte ja Nein, weil ein Missbrauch nicht auszuschließen sei.
Sabine K.: Die genaue Begründung für dieses Skandalurteil ist ja eine Geheimsache, die erfahre ich ja nicht. Nicht einmal die Auflagen sind mir bekannt. Er darf ja arbeiten gehen, darf also das Haus verlassen und gleich daneben ist ein Kinderheim. Wieso darf er das?

"Krone": Fühlen Sie sich vom Justizministerium und von der Ministerin im Stich gelassen?
Sabine K.: Sie muss doch etwas tun können. Dieser Mann ist viel zu gefährlich, er ist eine tickende Zeitbombe. Aber auch mein Brief mit der Bitte, die Fußfessel nicht zu genehmigen, blieb ja ohne Folgen.

"Krone": Sie wurden fünf Mal vergewaltigt. Wie übersteht man das und kann man das überhaupt?
Sabine K.: Ich habe heute noch Albträume, dieser Mann hat mein Leben zerstört. Ich musste sogar aus Salzburg wegziehen.

"Krone": Welches Urteil würden Sie sich wünschen?
Sabine K.: Er soll seine Zeit absitzen, so wie es geplant war. Sein Haus ist sehr gemütlich. Das ist keine Strafe.

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