Wegen "Ungehorsam"

Schönborn machte Druck: Dechant in NÖ gab sein Amt ab

Österreich
26.06.2012 15:04
Nach der Ankündigung von Disziplinarmaßnahmen scheint Kardinal Christoph Schönborn nun tatsächlich gegen Mitglieder der Pfarrerinitiative hart durchzugreifen: Peter Meidinger, Dechant des Dekanats Piesting im südlichen Niederösterreich, wurde vor die Wahl gestellt, entweder sein Amt oder seinen "Ungehorsam" aufzugeben. Er habe daher sein Amt abgegeben, erklärte Meidinger am Dienstag. Es handelt sich um den ersten derartigen Fall.

Das Gespräch mit Schönborn sei demnach bereits am 11. Juni erfolgt. "Dabei habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass 20 Jahre gediegene Dekanats-, Vikariats- und Diözesanarbeit nicht ausgereicht haben, das Vertrauen des Herrn Erzbischofs zu gewinnen", so Meidinger in einem Schreiben an seine Mitbrüder. "Vor die Wahl gestellt, mein Amt oder die Pfarrerinitiative zu verlassen, habe ich mich für die Initiative entschieden, weil mir dieser Vorschlag unmoralisch erscheint und mit meinem Gewissen nicht vereinbar ist."

"Der Name muss von der Liste weg", habe Schönborn in dem Gespräch unmissverständlich klargestellt, so Meidinger. "Alternativen" seien für den Pfarrer nicht vorstellbar gewesen: So hätte der Dechant vor dem Priesterrat oder der Dekanatskonferenz klarstellen sollen, Probleme mit dem Wort "Ungehorsam" zu haben. In seinem Schreiben heißt es: "Ich habe daher für mich die Konsequenzen gezogen und heute Morgen (12. Juni 2012, Anm.) dem Herrn Erzbischof mitgeteilt, dass ich für das Amt als Dechant nicht mehr zur Verfügung stehe."

Erzdiözese verteidigt Vorgehen bei Dechant
Die Erzdiözese Wien verteidigte ihr Vorgehen gegen Meidinger. Bei diesem Amt sei gegenseitiges Vertrauen unerlässlich, erklärte der Schönborn-Sprecher Michael Prüller am Dienstag. Zudem müsse ein Dechant darauf schauen, "dass die Ordnung der Kirche im Dekanat eingehalten wird". Dies sei allerdings mit einem Aufruf zum "Ungehorsam" nicht vereinbar.

Meidinger sei auf dem Wahlvorschlag der Dekanatsversammlung an erster Stelle gestanden und sei gleichzeitig Mitglied der Pfarrerinitiative. Daraufhin habe ihn der Erzbischof gebeten, sich zumindest vom Aufruf zum "Ungehorsam" zu distanzieren, so Prüller. Nur mit diesem expliziten Begriff und nicht mit den kritischen Inhalten der Pfarrerinitiative habe man ein Problem gehabt. Seinen Beruf als Pfarrer übe Meidinger laut Prüller weiterhin aus.

Schönborns Sprecher verwies auch auf den vergangenen Priesterrat der Erzdiözese Wien am 10. Mai. Dabei hat Schönborn laut Protokoll festgestellt, dass er den Diskurs über die Themen der Pfarrerinitiative weiterhin führt, aber dass ein Aufrufen zum Ungehorsam die innere Einheit der Kirche gefährde. Er werde daher niemanden zum Dechant ernennen, der am Aufruf zum Ungehorsam festhält. Wenn ein Mitglied der Pfarrerinitiative zur Ernennung vorgeschlagen wird, müsse der Erzbischof daher auf eine Distanzierung vom Aufruf bestehen.

Seit einem Jahr wird zum "Ungehorsam" aufgerufen
Seit mittlerweile einem Jahr rufen mit ihrer Arbeitssituation unzufriedene und reformwillige Pfarrer in Österreich zum "Ungehorsam" auf. Seitdem hat sich zwar an den römisch-katholischen Prinzipien wie befohlener Enthaltsamkeit oder patriarchalischen Strukturen nichts geändert, trotzdem schafften es der Probstdorfer Pfarrer Helmut Schüller und seine Mitstreiter, eine Diskussion anzukurbeln. Die Pfarrerinitiative zählt bereits über 3.100 Mitglieder.

"Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbstständig tätig zu werden", wird der "Aufruf zum Ungehorsam", der Ende Juni 2011 auf der Homepage der Pfarrerinitiative auftauchte, eingeleitet. In biblischen sieben Punkten zählen die Pfarrer auf, welche Konventionen sie zu brechen gedenken - um damit ihren beruflichen Alltag erträglicher zu machen und eventuell Priestermangel und Kirchenfrust entgegenzuwirken.

"Wir werden uns dafür einsetzen, dass jede Pfarre einen eigenen Vorsteher hat: Mann oder Frau, verheiratet oder unverheiratet, hauptamtlich oder nebenamtlich. Das aber nicht durch Pfarrzusammenlegungen, sondern durch ein neues Priesterbild", sprach die Initiative einen der heikelsten und meistdiskutierten Punkte an, den Zölibat. Aber auch Laienpredigten und Frauenpriestertum fordern die "Ungehorsamen" bis heute, ebenso wie die Kommunionsspendung für wiederverheiratete Geschiedene.

Vatikan eher vorsichtig, Schönborn bleibt hart
Mittlerweile kann auch der Vatikan die an Bekanntheit zulegende Pfarrerinitiative nicht länger offiziell ignorieren. In seiner Predigt bei der Chrisammesse am Gründonnerstag formulierte Papst Benedikt XVI. seine Kritik überraschenderweise sehr vorsichtig und stellte lediglich Fragen an die "Ungehorsamen". Kurz darauf legte Schönborn in der italienischen Tageszeitung "La Stampa" allerdings nach und stellte - offen wie selten - Disziplinarmaßnahmen in den Raum.

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