Proteste in Kairo

Stichwahl zwischen Mubarak-Freund und Muslimbruder

Ausland
29.05.2012 07:27
In Ägypten kämpfen ein gemäßigter Islamist und ein Mann des ehemaligen Regimes des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak in der Stichwahl am 16. und 17. Juni um das höchste Staatsamt. Das gab Faruk Sultan, der Präsident der Wahlkommission, am Montag in Kairo offiziell bekannt. Daraufhin kam es bereits in der Nacht auf Dienstag zu heftigen Protesten, das Wahlkampfbüro eines Kandidaten wurde in Brand gesteckt (siehe Video oben).

In der ersten Runde der Präsidentenwahl am 23. und 24. Mai habe Mohammed Mursi (Bild links), der Kandidat der Muslimbruderschaft, mit knapp 5,8 Millionen Stimmen vorne gelegen. Mubaraks letzter Ministerpräsident Ahmed Shafik (rechts) kam demnach mit 5,5 Millionen Stimmen auf den zweiten Platz. Die Wahlbeteiligung lag bei 46 Prozent.

Die Wahlkommission wies am Montag die Wahlanfechtungen von fünf unterlegenen Kandidaten als "grundlos" ab. Die Beschwerdeführer hatten Verstöße gegen die Wahlordnung sowie unstatthafte Wählerbeeinflussungen und massiven Stimmenkauf aufgezeigt.

Linker Kandidat sieht Verstöße
Unter den Beschwerdeführern gegen den ersten Wahlgang war der linke Kandidat Hamdien Sabbahi, der mit 4,8 Millionen Stimmen überraschend auf dem dritten Platz gelandet war. Er beanstandete auch, dass Shafik eigentlich von der Wahl hätte ausgeschlossen werden müssen. Er berief sich darauf, dass die Wahlordnung vorsieht, dass Vertreter des alten Regimes nicht wählbar sind.

Der gemäßigte Islamist und Ex-Muslimbruder Abdel Moneim Abul Futuh, dessen Beschwerde von der Wahlkommission ebenfalls abgewiesen wurde, sagte in Kairo, die Wahl sei "nicht sauber" gewesen. "Ich hatte gehofft, sie würde zumindest so fair und korrekt sein wie die Parlamentswahl (zur Jahreswende, Anm.). Sie war es nicht." Abul Futuh, den Meinungsforscher vor der Wahl als Favoriten gehandelt hatten, kam mit knapp 4,1 Millionen Stimmen nur auf den vierten Platz.

Erste Proteste gegen Wahlausgang
In der Nacht auf Dienstag kam es bereits zu ersten Protesten gegen den Wahlausgang. Rund 2.000 Menschen versammelten sich in Kairo auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz. Die Demonstranten riefen: "Das Volk will das Regime zum zweiten Mal stürzen!" Am späten Montagabend griffen Unbekannte die Wahlkampfzentrale des Präsidentschaftskandidaten Ahmed Shafik an und setzten ein Nebengebäude des Büros in Flammen.

Nach Angaben von Mitarbeitern Shafiks dabei ging eine Garage in Flammen auf, in der Wahlkampf-Poster gelagert wurden. Der Brand konnte aber schnell wieder gelöscht werden. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera berichtete, gab es keine Verletzten. Vor dem Gebäude versammelten sich am Abend etwa 20 Anhänger Shafiks, des letzten Regierungschefs des langjährigen Staatschefs Hosni Mubarak. Sie riefen: "Mit unserer Seele und unserem Blut werden wir uns für dich, Shafik, opfern." Sie machten politische Gegner Shafiks, vor allem die Muslimbrüder und pro-demokratische Bewegungen, für den Angriff verantwortlich.

Sieger bringen sich in Stellung
Die beiden Bestplatzierten brachten sich unterdessen bereits für das Finish in Stellung. "Ich verspreche allen Ägyptern eine neue Ära", erklärte Shafik am Samstag in Kairo. Die Muslimbruderschaft umwarb einige der in der ersten Runde unterlegenen Kandidaten. Unter anderem sollen ihnen die Vize-Präsidentschaft und wichtige Posten in der nächsten Regierung angeboten worden sein, falls sie ihre Anhänger im Juni zur Wahl Mursis aufriefen. Sabbahi und Abul Futuh erklärten, in keinerlei Verhandlungen mit den Muslimbrüdern zu stehen.

Aktivisten der Aufstandsbewegung, die den Sturz Mubaraks bewirkt hatte, zeigten sich bitter enttäuscht über einen Wahlausgang, der den Bürgern nur noch die Wahl zwischen einem Mubarak-Mann und einem frommen Islamisten belässt. Einige von ihnen hatten die Wahl von vornherein boykottiert, andere ihre Stimme dem Linken Sabbahi oder dem mit wenig Chancen angetretenen Aktivisten Khalid Ali gegeben. Die meisten Organisationen der sogenannten Revolutionsjugend neigen nun dazu, zur Wahl Mursis aufzurufen. Gegenüber dem Ex-Regime-Mann Shafik betrachten sie ihn als das "geringere Übel".

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