"Paranoide Theorien"

Prozess gegen vier Wiener Islamisten gestartet

Österreich
23.05.2012 17:39
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen - vor dem Betreten des Gerichtssaals musste eine Sicherheitsschleuse passiert werden, drinnen überwachten Verfassungsschützer das Geschehen - hat am Mittwoch in Wien der Prozess gegen vier Islamisten begonnen. Während die Staatsanwältin in einem rund eineinhalbstündigen Powerpoint-Vortrag die Vorwürfe gegen die Gruppe um den Hauptangeklagten Thomas Al J. (26) skizzierte, bezeichnete dessen Verteidiger die Anschuldigungen als "paranoide Verschwörungstheorien".

Neben den vier vor Gericht anwesenden Angeklagten, die Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen sein sollen, fehlten zwei weitere Mitangeklagte beim Prozessauftakt: Einer ist untergetaucht, hält sich vermutlich in Libyen auf und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht, der andere hat sich entschuldigt, weil er sich um seine angeblich erkrankte Mutter kümmern müsse.

Konkret sollen die untereinander befreundeten Männer die Ziele der Al-Kaida und verwandter Terror-Netzwerke sowie zwei Wiener Jugendliche unterstützt haben, die im Mai 2009 Wien verlassen hatten, um sich in Pakistan in einem Lager der radikal-islamischen Hizb-i-Islami-Milizen ausbilden zu lassen. Al J. soll dem Jüngeren der beiden rund 4.000 Euro überwiesen haben. Der Mann soll außerdem Reisen zu Terrorcamps organisiert und versucht haben, Ende 2009 mit seiner Familie und mehreren Mitangeklagten nach Somalia zu gelangen, "um sich dort den Al-Shabaab-Milizen anzuschließen und mit diesen zu kämpfen und diese auch auf sonstige Weise zu unterstützen", wie es in der Anklage heißt.

Verteidiger: "Ganz normale Verhaltensweisen"
Nachdem das gescheitert war, soll er bis zu seiner Festnahme am 15. Juni 2011 eine fundamentale Website betrieben und dabei für die Al-Kaida und den Dschihad eingetreten sein, indem er einen Text des Extremisten Anwar Al-Awlaki ins Deutsche übersetzte, in dem zur Ermordung aller Ungläubigen aufgerufen wurde, die den Propheten Mohammed beleidigen. Sein Mandant habe "ganz normale Verhaltensweisen gesetzt" und sich nichts Strafbares zuschulden kommen lassen, konterte dagegen Verteidiger Lennart Binder.

Al J. habe dem Jugendlichen zwar Geld zukommen lassen, doch nicht für Terror-Zwecke. Er sei davon ausgegangen, dass der Bursche in einer Koranschule unterrichtet wird. Für den Schulabbrecher und Sozialhilfeempfänger, der mit 15 zum Islam konvertiert war, nichts Besonderes, wie er erklärte. Dass er dem Burschen im Glauben, er würde in einer pakistanischen Koranschule unterrichtet, Geld zukommen ließ, sei "unter Brüdern üblich". Die ironisch gemeinte Frage der Staatsanwältin, ob in diesem Fall auch sie bei Bedarf mit einer finanziellen Zuwendung rechnen könne, bejahte Al J., "meine Telefonnummer haben Sie ja".

"Wollte mit Islamisten-Artikel nur Freunde informieren"
Die letztlich gescheiterte Reise der 13-köpfigen Gruppe nach Somalia - Versuche, über Äthiopien und Dschibuti dorthin zu gelangen, schlugen fehl - war laut Binder "eine Fernreise, um andere Länder kennenzulernen". Der 26-Jährige habe sich "ein Bild vom Somalia machen wollen. Das war damals ein relativ ruhiges Land. Kämpfe hat es damals nur in Mogadischu gegeben". Der Angeklagte selbst betonte, er habe "unter den Al Shabaab-Milizen leben wollen" und sei davon ausgegangen, dass diese ihm ein Haus zur Verfügung stellen.

Sich als Kämpfer zu betätigen, sei für ihn aber nicht infrage gekommen: "Für das, dass ich mich am bewaffneten Kampf beteilige, habe ich mich nicht fähig gehalten." Daher habe er beschlossen, "dass ich dort einmal lebe und schaue, wie es weitergeht". Es sei nie geplant gewesen, sich Milizen anzuschließen, betonte der Anwalt. Mit dem übersetzten und auf seiner privaten Homepage publizierten Artikel habe Thomas Al J. zudem "nur seine Freunde informieren wollen", sagte Binder.

Die Angeklagten bekannten sich zum Auftakt "nicht schuldig". Der Prozess wird am 30. Mai mit der Befragung der weiteren Angeklagten fortgesetzt, bis 22. Juni sind insgesamt zehn Verhandlungstage anberaumt.

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