Schattenseite

Supergedächtnis kann Kriegstrauma verschlimmern

Wissenschaft
15.05.2012 10:25
Bestimmte Genvarianten verleihen ihren Trägern ein überdurchschnittlich gutes Gedächtnis. Doch das muss nicht immer von Vorteil sein: Wissenschaftler haben nämlich jetzt herausgefunden, dass so ein Supergedächtnis auch seine Schattenseiten haben. So kann bei Kriegsopfern die Entstehung von posttraumatischen Stress-Störungen gefördert werden.

Forscher um Dominique de Quervain und Andreas Papassotiropoulos von der Universität Basel konnten in einer neuen Studie zeigen, dass die Träger der Genvariante, die ein besseres Gedächtnis verleiht, auch von negativen Erlebnissen stärker belastet werden. Die Wissenschaftler haben zusammen mit Kollegen der ETH Zürich und aus Deutschland eine Genvariante namens PRKCA identifiziert, deren Träger emotional aufgeladene Erinnerungen markant besser abrufen können.

Tests mit über 700 Studenten
Für ihre Studie mussten sich 723 Studenten 72 Bilder mit positiven, negativen oder neutralen Sujets merken. Dann prüften die Forscher, an wie viele der negativen Bilder sie sich erinnerten. Es stellte sich heraus, dass dies Trägern einer bestimmten Form des PRKCA-Gens besser gelang, wie am Dienstag in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften berichtet wurde. Die Überprüfung im Kernspintomographen zeigte, dass zwei Gehirnareale aktiver waren, die mit dem emotionalen Gedächtnis in Verbindung gebracht werden.

Im zweiten Teil der Studie wollten die Forschenden wissen, ob das bessere Gedächtnis die Auswirkungen von schlimmen Erlebnissen vergrößert. Zusammen mit Kollegen von den Universitäten Konstanz und Ulm suchten sie die Genvariante im Erbgut von Flüchtlingen des Bürgerkriegs in Ruanda. Tatsächlich litten Träger der Genvariante PRKCA häufiger an quälenden Erinnerungen an Kriegserlebnisse wie etwa Verwundungen oder Vergewaltigungen. Sie wiesen auch häufiger Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS) auf, indem sie zum Beispiel immer wieder das Geschehene durchlebten oder Gedanken und Gespräche darüber vermieden.

Supergedächtnis lässt PTBS-Risiko steigen
"Bisher gab es nur schwache Hinweise darauf, dass Menschen mit besonders gutem Gedächtnis anfälliger für PTBS sind", erklärten die Forschenden. "Wir zeigen nun, dass es eine genetische Verbindung zwischen dem Gedächtnis und dem Risiko für PTBS gibt." In Zukunft könnte ein genetischer Test womöglich dabei helfen, posttraumatische Probleme gezielter zu behandeln.

Wer sich von solchen Studien ein Gen-Doping für ein besseres Gedächtnis erhofft, wird enttäuscht: Über die Gehirnleistung eines Einzelnen sagen Gedächtnisgene nichts aus. Die Unterschiede im Erinnerungsvermögen sind nur in großen Gruppen statistisch messbar. Am Gedächtnis wirken viele Gene mit und eben auch die Umwelt. Doch könnte die Erforschung dieser Gene Ansatzpunkte für Medikamente gegen Gedächtnisstörungen aufzeigen, wie sie bei Depressionen und Stress auftreten. Erste Tests mit derart identifizierten Molekülen an Menschen laufen bereits.

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