Schmelze am Südpol

Antarktis droht ein gewaltiger Verlust von Schelfeis

Wissenschaft
12.05.2012 22:17
Die Antarktis wird in den kommenden Jahrzehnten stärker zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen als bislang prognostiziert. Das lassen jedenfalls Klima- und Eismodelle befürchten, berichten Forscher um Hartmut Hellmer vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Demnach droht dem Südpol gegen Ende des 21. Jahrhunderts ein gigantischer Eisverlust.

Wie die AWI-Forscher in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Nature" schreiben, wird das Filchner-Ronne-Schelfeis (Bild) im antarktischen Weddell-Meer noch in diesem Jahrhundert rapide zu schmelzen beginnen und damit als Barriere für nachrutschendes Festland-Eis wegfallen. Bisher waren die meisten Experten davon ausgegangen, dass die Folgen der Erderwärmung vor allem in der Amundsen-See und damit im Westen der Antarktis zu spüren seien.

Wassererwärmung setzt Schelfeis zu
"Das Weddell-Meer hatte niemand so richtig auf der Rechnung, weil alle glaubten, seine Wassermassen seien im Gegensatz zur Amundsen-See kalt genug, um dem Schelfeis nichts anhaben zu können. Wir aber zeigen, dass die warmen Wassermassen des Weddell-Meeres in den kommenden Jahrzehnten dem Filchner-Ronne-Schelfeis mächtig zusetzen werden", sagt Hellmer, Ozeanograf am AWI und Erstautor der Studie.

Mithilfe verschiedener Modellberechnungen konnten er und sein Forscherteam zeigen, dass es im Zuge des Temperaturanstieges über dem Weddell-Meer innerhalb der nächsten sechs Jahrzehnte zu einer Kettenreaktion kommen kann, an deren Ende vermutlich große Festland-Eismassen ins Meer abrutschen werden.

Steigende Lufttemperaturen als Auslöser
Ausgelöst wird diese Kettenreaktion von stetig steigenden Lufttemperaturen über dem südöstlichen Teil des Weddell-Meeres, was dazu führen wird, dass das dort heute noch solide Meereis in wenigen Jahrzehnten immer dünner und brüchiger werden wird. Das, so Hellmer, führe dazu, "dass eine hydrographische Front im Weddell-Meer aufbricht, die bis jetzt verhindert, dass warmes Wasser unter das Schelfeis gelangt".

Weil dann wärmeres Wasser unter das Filchner-Ronne-Schelfeis strömt, beginnt dieses von unten schmelzen. Vor allem in jenen Bereichen, in denen das Schelfeis auf dem Meeresboden aufsetzt und in den Gletscher übergeht, befürchten die Forscher die größten Schmelzraten. Dort schmilzt das Filchner-Ronne-Schelfeis schon heute um rund fünf Meter pro Jahr, "zur nächsten Jahrhundertwende werden die Schmelzraten auf bis zu 50 Meter pro Jahr ansteigen", prophezeit Jürgen Determann vom AWI-Team.

Eisschmelze lässt Meeresspiegel steigen
Wie im Falle einer solchen Megaschmelze des Schelfeises das dahinter gelagerte Festlandeis reagieren wird, untersuchen Hellmer und Determann derzeit. "Schelfeise sind für das nachgelagerte Inlandeis wie ein Korken in der Flasche. Sie bremsen die Eisströme, weil sie in den Buchten überall anecken und zum Beispiel auf Inseln aufliegen. Schmelzen jedoch die Schelfeise von unten, werden sie so dünn, dass die bremsenden Flächen immer geringer werden und sich das dahinterliegende Eis in Bewegung setzt", befürchtet Hellmer.

Weil dann mehr Eis vom Kontinent ins Meer fließen und dort teilweise schmelzen würde, dürfte der Meeresspiegel zusätzlich um 4,4 Milimeter pro Jahr ansteigen, so die Berechnung der Forscher.

Das Filchner-Ronne-Schelfeis ist die zweitgrößte permanente Eisdecke in der Antarktis und flächenmäßig größer als Deutschland. Dort, wo es mit dem Festland in Verbindung steht, ist es über 1.000 Meter dick, an der Abbruchkante zum offenen Meer (Bilder)  nur rund 200 Meter stark.

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