Schreie und Gebete

Chaotischer Auftakt im 9/11-Prozess in Guantanamo Bay

Ausland
06.05.2012 10:43
In Amerika nennt man sie die "Guantanamo Five" - fünf Männer, die als Hauptverantwortliche der Anschläge vom 11. September 2001 gelten. Die vergangenen Jahre haben die mutmaßlichen Topterroristen isoliert hinter den Mauern eines Hochsicherheitsgefängnisses im US-Stützpunkt auf Kuba verbracht. Am Samstag musste die Gruppe um Khalid Sheikh Mohammed, der als Chefplaner der Anschläge gilt, zur Anklageverlesung vor einem Militärrichter erscheinen. Der Prozess startete allerdings ziemlich chaotisch.

Neben dem 47-jährigen Pakistani Khalid Scheikh Mohammed und dem Jemeniten Ramzi Binalshibh, der zur Hamburger Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehörte, müssen sich der Saudi-Araber Mustafa Ahmad Al-Hawsawi, Mohammeds Neffe Ali abd Al-Aziz Ali sowie der Jemenit Walid bin Attash für eine Verwicklung in die Anschläge verantworten

Der neunstündige Gerichtstermin am Samstag war das erste Mal seit mehr als drei Jahren, dass die Inhaftierten in der Öffentlichkeit zu sehen waren. Und das nutzen die Männer aus, um pures Chaos zu stiften.

"Gadafi ist hier!"
Die fünf Angeklagten weigerten sich, auf die Fragen des Militärgerichts zu antworten. Zudem bekannte sich keiner der Fünf schuldig oder nicht schuldig, wie es sonst zum Verfahrensauftakt üblich, aber nicht vorgeschrieben ist. Stattdessen trieben sie den Richter zur Verzweiflung.

Der Angeklagte Binalshibh betete während der Verhandlung auf dem Fußboden und schrie, der getötete libysche Machthaber Muammar Gadafi werde in Guantanamo festgehalten. Außerdem zog er mit Schreien wie "Ihr werdet uns töten und anschließend sagen, wir hätten uns das Leben genommen!" immer wieder Aufmerksamkeit auf sich.

Katz-und-Maus-Spiel mit dem Richter
Schlussendlich weigerten sich die Angeklagten auch noch, die Ohrstöpsel für die Übersetzung des Verfahrens zu benutzen. Daraufhin ordnete das Gericht an, der Übersetzer im Gerichtssaal solle für alle hörbar arbeiten. Auch die Verteidiger der fünf Männer spielten das Spiel ihrer Mandanten mit, sie beantworteten Routinefragen des Gerichts mit Beschwerden, die Verdächtigen seien in der Haft gefoltert worden.

Die Anhörung soll nun von 12. bis 15. Juni fortgesetzt werden. Diesen Termin setzte Militärrichter James Pohl am Samstagabend fest, nachdem ihn die Angeklagten zuvor praktisch völlig ignoriert hatten.

Verantwortung für Anschläge im September 2001?
Den Männern wird vorgeworfen, für den Tod von knapp 3.000 Menschen bei den Anschlägen in New York, Washington und Pennsylvania im Jahr 2001 verantwortlich zu seien. Ihnen droht die Todesstrafe.

Das Verfahren hatte unter US-Präsident George W. Bush begonnen. Dessen Nachfolger Barack Obama stoppte es wegen rechtsstaatlicher Bedenken gegen die Militärprozesse in Guantanamo, scheiterte jedoch mit seinem Vorhaben, den Angeklagten vor einem Bundesgericht in Manhattan den Prozess zu machen. Vor gut einem Jahr erlaubte Obama dann neue Militärprozesse in Guantanamo.

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung könnten noch Monate vergehen. Als frühester Termin wurde der Mai 2013 genannt. Bis dahin wird eine Serie von komplizierten und langwierigen Anhörungen erwartet - erst recht nach dem zähen Verfahrenauftakt am Samstag.

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