'Nicht genug Beweise'

Kinder vor TV-Gerät “geparkt”: Eltern und Oma gehen frei

Österreich
26.04.2012 14:56
Eine 24-jährige Mutter von vier Kindern, ihr Ehemann und die 53-jährige Großmutter sind am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht vom Vorwurf freigesprochen worden, die Kinder des Ehepaars vernachlässigt zu haben. Dabei hatte eine Psychiaterin zuvor festgestellt, dass bei den älteren drei Kindern "schwerste Entwicklungsstörungen" vorliegen, die die Sachverständige auf Isolation und mangelnde Förderung zurückführte. So sollen die Kinder u.a. vor dem Fernseher "geparkt" worden sein.

Dem Paar waren 2011 auf Veranlassung des Jugendamtes die Kinder abgenommen worden. Der Älteste – ein damals vier Jahre alter Bub – konnte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ohne fremde Hilfe stehen. Mit den jüngeren Geschwistern kommunizierte der Kleine über Kratzen, da er sich sprachlich nicht verständlich machen konnte. Wie sich im Zuge der Erhebungen herausstellte, sollen die zwei Buben und zwei Mädchen oft stundenlang vor dem Fernseher ruhig gestellt und dabei sogar im Kinderwagen fixiert worden sein, was die Angeklagten in Abrede stellten.

Bub hat "Entwicklungsverzögerung auf allen Ebenen"
Als die Psychiaterin Gabriela Wörgötter im Auftrag des Gerichts den mittlerweile fünf Jahre und drei Monate alten Buben untersuchte, wies er ihren Ausführungen zufolge eine "globale Entwicklungsverzögerung auf allen Ebenen" auf: Seine grobmotorischen Fähigkeiten entsprechen denen eines Dreijährigen, seine sprachlichen Fähigkeiten einem Zweijährigen, obwohl er seit der Entscheidung des Jugendamts in einem speziellen Programm mit Nachdruck gefördert wird.

Kindesmutter hat "infantilen Eindruck hinterlassen"
Ein wenig, aber nicht wesentlich besser sieht es bei zwei jüngeren Mädchen aus. Lediglich der Jüngste – eineinhalb Jahre alt – sei altersadäquat entwickelt. "Bei den anderen würde jeder Laie erkennen, dass diese Kinder nicht altersentsprechend entwickelt sind", sagte Wörgötter. Der Kindesmutter bescheinigte die Sachverständige "absolute Erziehungsunfähigkeit". Die 24-Jährige leide an einer "primären Mangelbegabung" und habe bei der Untersuchung "einen infantilen Eindruck hinterlassen". Sie sei "nicht in der Lage, kindliche Bedürfnisse zu erkennen".

Großmutter war "nicht am Kindeswohl orientiert"
Anders stellte sich die Situation beim Ehemann und der Großmutter dar. Der Mann habe "keine Erziehungsfunktion in der Familie übernommen" und "nicht regulierend eingegriffen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre". Die dominante Person, die die Kinder unter sich hatte, war laut Psychiaterin die im selben Haushalt lebende 53 Jahre alte Oma, wobei ihre Erziehungsmaßnahmen dem Gutachten zufolge "nicht am Kindeswohl orientiert waren".

Richter: "Strafgericht ist falscher Veranstaltungsort"
Für Richter Daniel Rechenmacher reichte die Beweislage nicht für Schuldsprüche aus. Wie er in seiner Begründung darlegte, bestünde "kein Zweifel, dass die Kinder beträchtlich beeinträchtigt sind und die Ursache eindeutig im Umgang der Familie mit den Kindern liegt". Den drei Angeklagten könne aber nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass ihnen eine für eine Verurteilung erforderliche gröbliche Vernachlässigung bewusst war: "Es fehlt die subjektive Tatseite." Im Übrigen sei das Strafgericht "der falsche Veranstaltungsort", diese Sache gehöre primär vom Pflegschaftsgericht geklärt, meinte Rechenmacher.

Die Staatsanwältin, die in ihrem Schlussvortrag aus generalpräventiven Gründen tat- und schuldangemessene Strafen verlangt hatte, gab keine Erklärung ab. Die Freisprüche sind vorerst nicht rechtskräftig. Die älteren zwei Kinder sind derzeit in sozialen Einrichtungen untergebracht, die beiden anderen leben bei Pflegeeltern.

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