Mikl-Leitner erfreut

Schengen: Berlin und Paris wollen ausscheren

Ausland
20.04.2012 14:50
Vor einem Treffen der EU-Innenminister kommende Woche nimmt der Dauerstreit um neue Schengen-Regeln laut einem Medienbericht an Schärfe zu. Deutschland und Frankreich wollen aus Angst vor illegaler Einwanderung wieder nationale Landesgrenzen kontrollieren lassen, falls die europäischen Außengrenzen im Süden und Osten nicht ausreichend gesichert werden, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag. Auch Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner tritt für diesen Vorschlag ein.

Konkret forderten der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich und sein französischer Amtskollege Claude Gueant in einem Schreiben vom 17. April, nationale Regierungen sollten "die Möglichkeit einer auf 30 Tage befristeten Wiedereinführung der Binnen-Grenzkontrollen haben". Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, sollten die nationalen Regierungen selbst bestimmen.

Sarkozy droht mit Austritt aus Pakt
Solche Ankündigungen hatte zuletzt auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy im Wahlkampf gemacht und mit einem vorläufigen Austritt seines Landes aus dem Schengener Abkommen gedroht, wenn es keine grundlegende Reform gebe (siehe Infobox). Die Debatte sei "seit Längerem schon ein Thema", hieß es am Freitag aus deutschen Regierungskreisen. Einige Länder wie Österreich unterstützten den Vorstoß, bei anderen gebe es Widerstand.

Besonders an den südlichen und östlichen Außengrenzen des Schengen-Raums sei die Aufgabe "zunehmend schwieriger" geworden, "illegale Migration zu bekämpfen und die Grenzsicherung der Gefährdungslage anzupassen", heißt es in dem Brief Friedrichs und Gueants an die dänische EU-Ratspräsidentschaft. Es gebe bisher kaum Möglichkeiten zu reagieren, wenn ein Land die Standards für den Grenzschutz nicht erfülle.

Vor allem Griechenland ist damit überfordert, seine Grenze zur Türkei gegen illegale Einwanderung abzuschotten. Der griechische Innenminister Michalis Chrisochoidis hatte kürzlich gewarnt, dass jährlich 150.000 illegale Einwanderer nach Griechenland kämen um dort zu bleiben oder in ein anderes Land der EU weiterzureisen.

Entscheidungsrecht als Knackpunkt
Das Entscheidungsrecht ist ein Knackpunkt in der bisherigen Schengen-Debatte. Gegen den Widerstand aus den meisten EU-Staaten will die Europäische Kommission künftig als letzte Instanz über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen entscheiden. Bereits in der Vergangenheit hatten unter anderem Deutschland, Frankreich und Spanien jedoch auf die nationale Souveränität in dieser Frage gepocht.

Der Vorschlag aus Paris und Berlin solle laut der "Süddeutschen Zeitung" am kommenden Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg beraten werden. Die Entscheidung dürfte aber frühestens im Juni fallen, sagte ein Vertreter der dänischen Ratspräsidentschaft dem Blatt.

EU-Kommission für Fünf-Tage-Regel
Die EU-Kommission wollte zum deutsch-französischen Brief keinen speziellen Kommentar abgeben. Ein Sprecher erklärte in Brüssel lediglich, der Kommissions-Vorschlag zu einer Stärkung und zu mehr Transparenz der Schengen-Regeln aus dem Vorjahr nehme den EU-Staaten keine Kompetenzen weg.

"Wir sagen, dass fünf Tage" für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit von den einzelnen Ländern möglich sei, so der Sprecher. Dieser Zeitraum habe sich in der Vergangenheit als praktikabel herausgestellt. Bei einer Verlängerung dieser Frist müsse aber ein EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden: "Das betrifft nicht die Souveränität der EU-Staaten."

Mikl-Leitner gegen Mitsprache Brüssels
Mikl-Leitner wiederum befürwortet ein Instrumentarium, damit Schengen-Staaten in bestimmten Fällen - etwa für 30 Tage - Grenzkontrollen durchführen können. Die Entscheidungen für vorübergehende Kontrollen müssten aber jeweils im Bereich der EU- bzw. anderen Teilnehmerstaaten liegen - und nicht in Brüssel, sagte die Ministerin am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal".

Die Minister der Schengen-Länder trügen die Verantwortung für die innere Sicherheit in ihren Staaten, sagte Mikl-Leiner. Daher könne es nicht sein, dass die EU-Kommission Kompetenz bei der Entscheidung über vorübergehende Grenzkontrollen erhalte, die Schuld für eine Gefährdung der inneren Sicherheit aber zulasten des Einzelstaates ginge.

Die Innenministerin sprach zwar von verstärkter illegaler Immigration, die sich an der Zahl der Asylanträge und an den Schlepper-Aufgriffen ablesen lasse. Die im Schengen-Abkommen festgeschriebene Reisefreiheit sei aber "ein hohes Gut". Die Regelung für vorübergehende Grenzkontrollen, die laut Vertrag in Ausnahmefällen wie internationalen Großveranstaltungen gestattet sind, sei daher auch bisher nicht missbraucht worden.

In 25 Ländern keine Grenzkontrollen
Nach dem 1985 ins Leben gerufenen Schengen-Abkommen werden heute in 25 Ländern Europas die Grenzen - außer in Ausnahmefällen - nicht mehr kontrolliert. Im Vorjahr hatte Frankreich vorübergehend seine Grenze zu Italien kontrolliert, um Flüchtlinge aus Nordafrika an der Einreise zu hindern. Als Dänemark im vergangenen Sommer kurzzeitig die Grenzen nach Deutschland und Schweden kontrollierte, war dies auf heftige Proteste gestoßen (siehe Infobox).

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