"Sind verzweifelt"

Uni-Besetzungen: Studenten wieder auf den Barrikaden

Österreich
20.04.2012 14:55
Szenen, die an vergangene Zeiten erinnern: Studenten haben am Donnerstag das Audimax und das Rektorat der Universität Wien für mehrere Stunden besetzt. Sie protestierten gegen die geplante Abschaffung des Bachelorstudiums der Internationalen Entwicklung sowie gegen autonom verwaltete Studiengebühren. Sowohl Audimax als auch Rektorat wurden schließlich geräumt. Am Freitag blieb das Hauptgebäude der Uni geschlossen. Rektor Heinz Engl verteidigte die Räumungsaktion.

Aus Sicht der "Basisgruppe Internationale Entwicklung (IE)" ist die geplante Abschaffung des erst vor vier Jahren eingeführten, von rund 2.000 Studenten inskribierten Bachelorstudiums "bisher einmalig in der österreichischen Geschichte und kann von den Betroffenen nicht hingenommen werden". Da bisherige Gespräche mit dem Rektorat gescheitert seien, hätten die Studenten sich zu einer "deutlicheren Botschaft gezwungen" gesehen. "Wir sind verzweifelt, wir haben schon alles probiert", begründete ein Demonstrant die Besetzung. "Wir müssen das nächste Semester mit dem Ziel starten, die Uni wirklich lahmzulegen", lautete die Forderung.

Das Vorsitzteam der Österreichischen HochschülerInnenschaft an der Uni Wien solidarisierte sich mit den Protestierenden. "Die Pläne der Universität, den Bachelor der Internationalen Entwicklung zu streichen sowie der Umgang mit den Studierenden heute zeigt abermals, dass das Rektorat nicht im Interesse der Studierenden arbeitet", so die Studentenvertreter Kübra Atasoy, Julia Kraus und Maria Clar unisono.

Erst Rektorat, dann Audimax besetzt
Gegen Mittag hatten sich die Studenten gewaltsam Zutritt zu den Büroräumen des Uni-Rektorates verschafft. Während des Protests habe es keine Sachbeschädigungen gegeben, lediglich eine Angestellte sei beim Aufdrücken der Tür durch die Protestierenden "ganz leicht" am Ellbogen verletzt worden. "Das waren keine Uni-würdigen Szenen", kritisierte eine Sprecherin der Universität. Bei der Räumung durch die Polizei wurden von sämtlichen involvierten Studenten die Personalien aufgenommen, sie erwartet eine Anzeige nach dem Verwaltungsstrafrecht. Die Hochschüler kritisieren das Vorgehen der Polizei als "brutal".

Uni "brannte" 2009
Am späten Nachmittag setzten die Studierenden ihren Protest fort und okkupierten das Wiener Audimax, das bereits im Herbst 2009 über Wochen hinweg besetzt war, als sich die Hochschüler unter anderem gegen eine Verschulung des Studiums und schlechte Studienbedingungen eingesetzt hatten. Aus der Besetzung war die Protestbewegung "unibrennt" entstanden, die auch auf andere Bundesländer übergriff.

Nach Angaben einer Uni-Sprecherin wurde durch die neuerliche Besetzung eine Prüfung von rund 600 Psychologie-Studenten gestört, sie habe abgesagt werden müssen. Gegen 22 Uhr begann die Polizei mit der Räumung des Hörsaales, die kurz nach 23 Uhr abgeschlossen war.

Gesprächsangebot der Uni "unnannehmbar"
Ein zuvor gemachtes Angebot des Rektorates schlugen die Besetzer aus: Dieses hatte ihnen öffentliche Gespräche über die Forderungen versprochen. Die Aktivisten bezeichneten das Angebot aber als "unannehmbar". Die vorgeschlagenen Gesprächstermine sollten nämlich erst nach jener Senatssitzung stattfinden, bei der über eine autonome Einführung von Studiengebühren, die Abschaffung des erst vor vier Jahren eingeführten IE-Bachelors und die als "K.o.-Phase" kritisierte Studieneingangs- und Orientierungsphase entschieden werden soll.

Polizei notierte sogar Matrikelnummern
Von allen 200 bis 300 Personen, die den größten Hörsaal der Uni Wien seit dem Nachmittag okkupiert hatten, wurden die Personalien aufgenommen, es gab 150 Anzeigen. Während Polizeisprecher Roman Hahslinger von einer vorbildlichen, friedlichen Räumung sprach, übten Studenten harsche Kritik an dem Einsatz. So seien neben den Personalien auch die Matrikelnummern von Studenten notiert worden, berichtete die ÖH-Vorsitzende Clar. Eine Studentin habe ihr berichtet, dass dies laut Polizei auf Wunsch des Rektorates passiert sei. Eine Sprecherin des Rektorates widersprach dem allerdings vehement. Hahslinger erklärte, dass man alle Daten festhalte - die Matrikelnummer sei nur der Beleg, dass es sich tatsächlich um einen Studenten handle.

Rektor Engl verteidigt Räumungsaktion
Die Uni Wien setze weiterhin auf einen Dialog mit den "unzufriedenen Studierenden", betonte Rektor Engl am Freitag. Es soll zwei offen zugängliche Info-Veranstaltungen geben, den Antrag zur geplanten autonomen Einführung von Studiengebühren will Engl aber nicht zurückziehen. Die Räumung des Audimax durch die Polizei - "durchaus aufgrund der analogen Erfahrungen vor drei Jahren", als der Hörsaal über viele Wochen hinweg besetzt war - verteidigte Engl. Ersatzräumlichkeiten anzumieten, habe 2009 rund 1,8 Millionen Euro gekostet, das könne die Uni sich nicht leisten. "Wir hoffen, wenn die Situation es erlaubt, am Montag wieder normalen Betrieb aufzunehmen", so Engl.

Am kommenden Donnerstag muss der Uni-Senat entscheiden, ob er der Einführung von Studiengebühren zustimmt. Die ÖH rief diesbezüglich zu einer Kundgebung um 14 Uhr auf, parallel zur Sitzung des Senats. Zum Spezialthema IE soll es am 30. April ein Treffen geben, wobei auch hier ein Abgehen von den Plänen der Uni unwahrscheinlich ist.

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