Prozesstag 2

Breivik schockt mit Rede: “Opfer waren keine Unschuldigen”

Ausland
17.04.2012 16:05
Mit unerträglichen Aussagen hat der Norwegen-Attentäter Anders Behring Breivik am zweiten Prozesstag die Zuschauer geschockt. "Meine Opfer waren keine unschuldigen Kinder", sagte jener Mann, der auf Utöya 69 junge, wehrlose Menschen durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet hatte. Gleich zu Verhandlungsbeginn gab es am Dienstag einen Paukenschlag: Ein Schöffe wurde abgesetzt, weil er für Breivik die Todesstrafe gefordert hatte.

"Ich habe den raffiniertesten und spektakulärsten politischen Angriff in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg unternommen", brüstet sich Breivik zu Beginn einer von ihm vorgetragenen Erklärung. Das Verlesen des 13-seitigen Pamphlets hatte er zur Bedingung für eine spätere ausführliche Aussage gemacht. Er würde seine Anschläge im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt und auf der Insel Utöya wiederholen, fährt Breivik fort. Bei den Opfern auf Utöya habe es sich nicht um "unschuldige Kinder" gehandelt, sondern um politische Aktivisten, die für den "Multikulturismus" gearbeitet hätten. Es sei für ihn die "größte Ehre", sein Leben im Gefängnis zu verbringen oder für sein Volk zu sterben, behauptet Breivik dann.

Auch durch mehrere Unterbrechungen und Rügen der Richterin lässt er sich nicht beeindrucken. Nach 30 Minuten weist die Vorsitzende Wenche Elizabeth Arntzen den 33-Jährigen dann darauf hin, dass seine Redezeit abgelaufen ist. Breivik beharrt jedoch darauf, weiterzumachen, weil er erst sechs Seiten seines Manuskripts vorgelesen hat. Arntzen lässt ihn gewähren.

Angehörige beschwerten sich
Angehörige der Opfer beschweren sich über den langen Vortrag. Über ihre Anwälte fordern sie Breivik dazu auf, seine Stellungnahme abzukürzen. Doch der liest mit ruhiger Stimme weiter seine Mischung aus Selbstrechtfertigung und wirren politischen Statements vor. Zahlreiche Zuhörer schütteln während der Ausführungen entsetzt ihre Köpfe, viele haben Tränen in den Augen. Erst nach einer Stunde ist Breivik fertig. Am Ende fordert er noch seine sofortige Freilassung.

Dann erst beginnt die reguläre Anhörung Breiviks durch Staatsanwältin Inga Bejer Engh. Weil Breivik behauptet hatte, dass er im Auftrag aller Norweger gehandelt habe, will sie von ihm wissen, ob ihm dafür denn jemals ein Mandat verliehen worden sei. Breivik lächelt, lehnt sich entspannt zurück und sagt: "Das haben meine Mitstreiter und ich uns selbst verliehen." Angesprochen auf die von ihm oft erwähnte Bewegung der Tempelritter bezeichnet er sich als Gründungsmitglied. Außerdem erwähnt er, dass es weitere Zellen seiner Terror-Organisation gebe, zwei in Norwegen und mehrere im Ausland. Immerhin räumt er dann ein: "Selbst unter den militanten Nationalisten war das, was auf Utöya geschehen ist, umstritten. Aber das Attentat im Regierungsviertel haben alle unterstützt."

"Eigenstudium" bei Wikipedia
Auf die Frage, warum er am Vortag bei der Vorführung seines Propaganda-Videos geweint habe (siehe Infobox), antwortet Breivik: "Das war wegen der Trauer um mein Land und weil die Lieder, mit denen der Film unterlegt ist, mich so berühren. Außerdem habe ich mich gefreut, dass die ganze Welt das Video zu sehen bekommt." Und ist er mit seinem Machwerk zufrieden? "Ja, denn es war mein erstes Video. Wäre es das zehnte gewesen, dann sicherlich nicht."

In Bezug auf seine Bildung sagt Breivik, der früh die Schule verließ, dass er zwischen 1998 und 2010 ein "Eigenstudium" betrieben habe. 30 Prozent seines Wissens habe er aus Büchern bezogen, 70 Prozent aus dem Internet, davon einen Großteil von Wikipedia. An dieser Stelle kommt es erstmals während des Prozesses zu leisem Gelächter im Publikum.

Schöffe forderte Todesstrafe - abgesetzt
Begonnen hatte der Prozesstag mit einem Eklat. Nachdem bekannt geworden war, dass einer der Schöffen im Internet die Todesstrafe für den Angeklagten gefordert hatte, zog sich das Gericht nach wenigen Minuten zurück. Laienrichter Thomas Indebrö hatte seine Forderungen einen Tag nach den Anschlägen vom vergangenen Juli gepostet, wie die norwegische Zeitschrift "Vepsen" enthüllte. Unter dem Pseudonym Thomas Ciccone schrieb er: "Die Todesstrafe ist die einzig gerechte in diesem Fall!"

Staatsanwaltschaft, Verteidigung und die zivilen Nebenkläger forderten deswegen die Entfernung des Schöffen. Nach kurzer Beratung kam das Gericht diesem Wunsch nach. Zuvor hatte Indebrö den Internet-Eintrag bestätigt.

Unklar ist, wieso das Posting nicht schon früher bekannt wurde. Denn bei der Auswahl der Schöffen wurden diese auch hinsichtlich ihrer Internet-Aktivitäten durchleuchtet, um eine etwaige Befangenheit auszuschließen. Indebrös Platz wird nun ein Ersatzschöffe einnehmen - vermutlich die 71-jährige Pensionistin Elisabeth Wislöff. Vorerst bleibt der Platz aber leer.

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