EGMR-Spruch

Russland wegen Katyn-Massakers verurteilt

Ausland
16.04.2012 15:29
Mehr als 70 Jahre nach der Ermordung Tausender Polen beim Massaker von Katyn hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland am Montag schuldig gesprochen, Angehörige der Opfer "unmenschlich und erniedrigend behandelt" zu haben. Damit verstieß Russland nach Ansicht des Gerichts gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die "unmenschliche und erniedrigende Behandlung" der Opfer-Nachkommen bestätigte der Gerichtshof bei zehn von 15 Klägern. Gleichzeitig stellte er fest, dass es sich bei dem Massaker um ein Kriegsverbrechen handelte. Schon im Vorfeld hatten die Angehörigen dies zu einem wichtigen Ziel erklärt, "obwohl wir keinen Zweifel haben, dass es sogar ein Völkermord war", sagte die Klägerin Wanda Rodowicz der Zeitung "Rzeczpospolita".

Zum wichtigsten Klagepunkt, einer Bewertung des russischen Ermittlungsverfahrens zu Katyn, äußerte sich der Gerichtshof nicht. Er rügte aber die Verantwortlichen in Moskau dafür, dass sie nicht mit dem Gericht kooperierten und so den Artikel 38 der Menschenrechtskonvention verletzten.

Die Angehörigen hatten angeführt, dass Russland ihnen keinen Einblick in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu Katyn gewährt habe. Zudem sei keine Auskunft über den genauen Verbleib der Leichen erteilt und das Katyn-Massaker immer wieder als historischer Fakt in Zweifel gezogen worden.

Angehörige zwar zufrieden, kündigten aber Einspruch an
Die Angehörigen der Opfer zeigten sich zwar mit der Verurteilung Russlands zufrieden, kündigten nach Informationen polnischer Medien jedoch Einspruch an. Dadurch wollten sie erreichen, dass eine höhere Instanz ein Urteil auch über das russische Ermittlungsverfahren fälle, hieß es in Kommentaren.

Vertreter Moskaus erklärten sich unter Vorbehalt einverstanden mit dem Urteil. "Auf den ersten Blick scheint das Urteil zufriedenstellend und ausgewogen, aber wir müssen es noch genau untersuchen", erklärte der russische Vertreter beim Europarat, Wladislaw Jermakow, gegenüber Journalisten.

Massaker von Katyn
Das Massaker von Katyn, das das Verhältnis zwischen Moskau und Warschau bis heute belastet, wurde im Frühling 1940 aufgrund eines von Sowjet-Diktator Josef Stalin unterzeichneten Befehls vom 5. März 1940 zur Exekution von "Nationalisten und konterrevolutionären Aktivisten" in den besetzten Gebieten Polens verübt. Unter den Opfern waren polnische Intellektuelle, Polizisten, Reservisten und Offiziere, die 1939 von der Roten Armee interniert worden waren. Sie wurden zwischen 3. April und 19. Mai 1940 vom Sowjetgeheimdienst NKWD im russischen Katyn bei Smolensk, in Mednoje bei Twer (damals Kalinin) sowie in Charkow (ukrainisch Charkiw) in der heutigen Ukraine mit Kopfschüssen hingerichtet.

Die genaue Zahl der Opfer des Verbrechens ist nicht bekannt. Ein Schreiben des KGB-Vorsitzenden Alexander Schelepin an Nikita Chruschtschow vom März 1959 spricht von 21.857 Opfern. Nach Angaben Polens waren es circa 30.000 Personen.

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