Behörden ratlos

Nashorn-Wilderei in Südafrika artet vollkommen aus

Ausland
11.04.2012 11:11
Es ist ein blutiges Geschäft: Die Wilderer entfernen den meist angeschossenen oder betäubten Nashörnern mit Äxten oder Kettensägen das Horn vom Fleisch. Daraufhin werden die Tiere heftig blutend und weidwund zurückgelassen, die meisten verenden. Die illegale Jagd auf Nashörner im südlichen Afrika, ihrem letzten großen Lebensraum, explodiert derzeit. Die Behörden sind ratlos und suchen verzweifelt nach einer wirksamen Strategie gegen die kriminellen Jäger.

Bis März dieses Jahres haben Wilderer allein in Südafrika 135 der Dickhäuter getötet. 2011 waren es insgesamt 448 Rhinozerosse, 2010 noch 333 - fast dreimal so viel wie noch 2009. Hinzukommen die legal erlegten Nashörner: 2011 zahlten dafür 143 Großwildjäger jeweils bis zu 80.000 Euro.

Hörner als vermeintliches Aphrodisiakum
Die Jagd wird von einem wachsenden Markt für das begehrte Horn der Tiere angeheizt. In China und Südostasien gilt es vielen als Medizin und - entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen - als Aphrodisiakum, also als Mittel zur Anregung der sexuellen Lust. Käufer zahlen laut der "International Rhino Foundation" bis zu 50.000 Euro pro Kilogramm.

"Nashorn-Wilderei wird von der internationalen organisierten Kriminalität betrieben", erklärte angesichts der dramatischen Lage der Leiter der Umweltorganisation WWF in Südafrika, Morne du Plessis, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Johannesburg. Es genüge deshalb nicht, "die Wilderer zu jagen. Die Regierungen in Afrika und Asien müssen zusammenarbeiten, um die Bandenbosse zu finden".

Auch die südafrikanische Umweltministerin Edna Molewa warnte: "Wir haben es mit organisierter Kriminalität auf höchstem Niveau zu tun." Und WWF-Artenschutzexperte Volker Homes forderte: "Wer die Wilderei bekämpfen will, muss zuallererst die Schwarzmärkte in Asien trockenlegen. Alleine in Vietnam gibt es elf Web-Adressen, bei denen man Nashorn bestellen kann - und in Asien wird der Handel kaum verfolgt."

Schwer bewaffnete Wilderer mit Hubschraubern
Zwischen den oft bestens organisierten und ausgerüsteten Wilderern und den Tierschützern tobt ein Krieg. Die kriminellen Jäger kommen mit Hubschraubern und Geländewagen, operieren mit halbautomatischen Waffen und Nachtsichtgeräten, mit denen man sogar aus vier Kilometern Entfernung die Umrisse eines Nashorns erkennt. Allein 2011 wurden in Südafrika 26 Wilderer von Sicherheitskräften erschossen. Diese nahmen zudem über 230 Personen - darunter mehrere Asiaten - wegen Nashorn-Wilderei fest. In der Hauptstadt Pretoria wurde sogar eine vietnamesische Diplomatin mit abgesägten Hörnern festgenommen - wegen ihrer Immunität aber lediglich ausgewiesen.

Hauptkriegsschauplatz in Südafrika ist der Krüger-Nationalpark, der rund 20.000 Quadratkilometer groß ist. Wegen seiner Größe und seiner Lage an der Grenze zu Mosambik gelingt es trotz 650 Park-Rangern und dem Einsatz von Soldaten sowie elektronischer Grenzzäune nicht, das Territorium zu kontrollieren - zumal jüngst auch noch Park-Ranger festgenommen wurden, die mit Wilderern zusammengearbeitet haben.

Verzweifelte Suche nach wirksamer Strategie
So wird weiter nach einer wirksamen Strategie gegen die Wilderei gesucht. In einigen Nationalparks in Südafrika, Kenia und Tansania wurden Nashörnern Mikrochips in die Hörner eingesetzt, damit man sie besser überwachen kann. Wenn ein Tier plötzlich losrennt, länger als normal schläft oder den Nationalpark verlässt, wird Alarm ausgelöst. Der Einsatz der Chips sollte auch die Verfolgung von Wilderern erleichtern - bisher jedoch ohne großen Erfolg.

Eine weitere Idee war, das begehrte Horn der Rhinozerosse durch einen Tierarzt fachmännisch entfernen zu lassen und damit die Tiere für Wilderer unattraktiv zu machen. Die Hörner wachsen mit den Jahren wieder nach. Aber davon ist wiederum die Tourismus-Branche wenig begeistert: "Die Besucher wollen richtige Nashörner sehen - mit Hörnern natürlich", erklärte am Dienstag Katrin Pleske, deutsche Reiseleiterin in Kapstadt.

Andere erwägen, die Hörner der Tiere zu vergiften, damit sie für den Menschen nicht mehr genießbar sind. Im "Nashorn- und Löwen-Naturreservat" nahe Johannesburg wollte der Wildparkbetreiber Ed Hern sogar tödliches Zyankali in die Hörner der Dickhäuter spritzen - was Tierärzte allerdings zurückwiesen. Nun wird mit Mitteln experimentiert, die beim Konsumenten heftige Bauchschmerzen auslösen. Aber auch hier sind die Tierschützer skeptisch.

Hohe Haftstrafen für Wilderer - aber auch Skepsis
Inzwischen verhängen die Gerichte drakonische Strafen gegen Wilderer: So wurden drei Männer aus Mosambik jüngst zu jeweils 25 Jahren Haft verurteilt. Sie waren mit Gewehren, einer Axt und zwei frisch abgeschnittenen Hörnern erwischt worden. Umweltministerin Molewa lobte das Urteil - damit werde gezeigt, wie ernst die Regierung den Kampf gegen Wilderer nehme. Südafrikas Nashörner seien ein "nationales Heiligtum", das es zu schützen gelte.

Verurteilt wurden jüngst auch fünf Männer, die eine 19-jährige Frau vergewaltigt hatten, weil sie lesbisch war, und die sie dann umbrachten. Das Strafmaß: Jeweils 18 Jahre Haft für die Täter. Viele in Südafrika fragten sich daraufhin jedoch, ob da nicht die Maßstäbe durcheinandergeraten sind. "Warum bekommen tote Nashörner mehr Schlagzeilen als tote Menschen", kritisierte etwa die Zeitung "Mail & Guardian".

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