Der dem Parasol ähnelnde Knollenblätterpilz enthält eines der tödlichsten Gifte des Pflanzenreichs, Amanitin. Die Substanz tötet ausnahmslos jede Zelle, ob gesund oder zu Krebs entartet. Im Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelte der Immunologe Gerhard Moldenhauer gemeinsam mit dem Biochemiker Heinz Faulstich eine Methode, um mit dem gefürchteten Pilzgift Krebszellen zu vernichten, ohne den Körper zu schädigen.
Der Trick dabei sei, das Gift gezielt in den Tumorzellen abzuliefern. Das Vehikel dazu sei in diesem Fall ein Antikörper, dessen hochspezifische Greifarme am krebstypischen Zelloberflächenprotein EpCAM andocken. Das Pilzgift sei chemisch stabil an den Antikörper gekoppelt.
Bei Mäusen, denen Bauchspeicheldrüsenkrebs des Menschen eingepflanzt worden war, habe schon eine einmalige Antikörpergabe das Krebswachstum gehemmt, so das Krebsforschungszentrum. Die zweimalige Injektion des Antikörpers in höherer Dosierung habe bei 90 Prozent der Tiere den Tumor sogar ganz verschwinden lassen. Trotz der hohen Dosierung hätten die Tiere keinerlei Leber- oder sonstige Organschäden gezeigt, die auf das Gift zurückzuführen wären.
Krebstypisches Protein als Zielobjekt
EpCAM, das die Heidelberger Immunologen als Erkennungsstruktur der Tumorzellen ausgewählt haben, ist ein charakteristisches Membranprotein von Epithelzellen. Dieser Zelltyp kleidet alle inneren und äußeren Grenzflächen des Körpers aus. Die meisten bösartigen Tumoren entstehen aus solchen Epithelgeweben. Sehr viele Tumoren, etwa Bauchspeicheldrüsenkrebs, Brust- und Eierstockkrebs, Gallengangskarzinome oder Kopf/Hals-Tumoren, bilden EpCAM im Übermaß - was häufig mit einer besonders schlechten Prognose der Erkrankung einhergeht. Daher gilt EpCAM als geeignete Zielstruktur, um Tumorzellen anzugreifen.
"Behandlungen mit ungekoppelten Antikörpern gegen EpCAM wurden bereits klinisch erprobt. Sie sollten den Krebs allein mit den Waffen des Immunsystems attackieren, haben sich aber als klinisch unwirksam erwiesen", erklärte Gerhard Moldenhauer. "Unser Amanitin-gekoppelter Antikörper hat dagegen ein weitaus höheres Potenzial, Krebszellen zu vernichten."
Gift wirkt im Inneren der Zelle
An jeden Antikörper sind etwa vier bis acht Giftmoleküle gekoppelt. Amanitin gilt als besonders geeignet. Es ist so klein, dass es von den Immunzellen nicht als fremd erkannt wird, andererseits aber auch robust genug, um es gut chemisch koppeln zu können. Moldenhauer: "Die Krebszelle muss das Zielmolekül mitsamt dem angedockten Antikörper regelmäßig ins Zellinnere holen, denn nur dort kann das Gift wirken. Im Zellinneren muss sich das Gift vom Antikörper lösen, sonst ist es nicht wirksam."
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