ORF-"Pressestunde"

Kardinal Schönborn: “Schubhaft ist unser Schandfleck”

Österreich
01.04.2012 14:06
Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn hat am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" scharfe Kritik an Österreichs Umgang mit Asylanten geübt. Weiters erklärte der Kardinal, er sehe die katholische Kirche in Österreich "in einer schwierigen Situation, aber nicht in einer hoffnungslosen". Angesprochen auf die Fälle von Gewalt in Kirche und Pädagogik, meinte Schönborn, man habe sich der "Missbrauchskrise" gestellt, es sei aber noch einiges aufzuarbeiten.

Zur Integration sowie zur Asylpolitik Österreichs erklärte Schönborn: "Ich habe dieser Tage die Schubhäftlinge besucht. Ich weiß, es ist ein schwieriges Thema, doch für mein Empfinden ist die Schubhaft ein Schandfleck." Es sei zwar manches verbessert worden, aber Österreich fehle weitgehend eine Immigrationspolitik wie etwa in Länder wie Kanada oder Australien.

Schönborn betonte hier die Notwendigkeit eines "Resettlement-Programmes", das Menschen, die aufgrund ihrer Religion oder politischen Zugehörigkeit flüchten müssen, die Neuansiedlung in einem Drittland ermöglicht. Das vom Flüchtlingshochkommissariat der UNO organisierte Programm, das neben der Wiederansiedlung auch die freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Herkunftsland organisiert, gibt es in Österreich derzeit nicht.

Sorgen macht sich Schönborn auch bezüglich der im kommenden Jahr anstehenden Wahlgänge. Es bestehe die Gefahr der billigen Slogans, des Hetzens und des Aufbauens von Feindschaften. "Hier müssen wir wirklich den Anfängen wehren."

"Es geht nicht um Ausreden, es geht um Verstehen"
Bezüglich der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sowie in kirchlichen Bildungseinrichtungen betonte Schönborn, dass hier die Gründe des Vertuschens und der Umgang mit der "schwarzen Pädagogik" gesamtgesellschaftlich noch nicht aufgearbeitet seien. "Es geht nicht um Ausreden, aber es geht um Verstehen", sagte der Erzbischof.

Er selbst habe als Schüler erlebt, wie sein Gymnasialdirektor und alle Eltern und Lehrer weggeschaut hatten, als ein Professor Kinder systematisch spitalsreif geprügelt habe. Darüber nicht zu reden und Gewalttäter einfach zu versetzen, sei damals ein "kulturelles Phänomen" gewesen. "Gott sei Dank hat sich das geändert", sagte der Kardinal. "Die Wahrheit macht frei. Das ist ein wichtiges Wort Jesu." Positiv sei auch, dass die Zeit der vielen Internate - "strukturell gefährliche, gefährdete Orte" - vorbei sei.

Schönborn verteidigt homosexuellen Pfarrgemeinderat
Zu seiner Bestätigung eines 26-jährigen in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Homosexuellen als Pfarrgemeinderat in der Weinviertler Gemeinde Stützenhofen betonte Schönborn, dieser habe ihn bei einem privaten Mittagessen "auch christlich sehr beeindruckt" und sei ein "wirklich liebenswürdiger Mann". Ursprünglich habe er selbst auch gemeint, dass dies mit den Regeln nicht kompatibel sei. Jedoch: "Ich frage mich immer in diesen Situationen, wie hat Jesus gehandelt. Er hat zuerst den Menschen gesehen."

An kirchlichen Regeln will der Kardinal jedoch nicht rütteln. An der in der Bibel festgelegten Bindung von Mann und Frau, die sich als "ein Fleisch" mehren sollen, ändere das nichts. Auch bei wiederverheirateten Geschiedenen gelte: "Wir halten am Menschen fest, aber wir halten auch an der Regel fest." Schönborn erinnerte in diesem Zusammenhang an seinen Freund, den verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Den Klagen der Pfarrerinitiative über einen drohenden Priestermangel stellte er den zunehmenden Schwund an Gläubigen gegenüber.

Korruption ist "eine Katastrophe"
Angesprochen auf Korruptionsfälle in Österreich, verwies Schönborn auf "das Schreckliche am Berlusconi-Regime". Korruption sei für ein Land eine Katastrophe, weil sie die Substanz des menschlichen Miteinanders zerstöre. Auch die Kirche müsse sich wie alle in Sachen Moral am Riemen reißen. "Wir sollten vor der eigenen Tür kehren, wir haben viel zu kehren, um wieder Vertrauen zu gewinnen."

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