Kandidat nominiert

Muslimbruderschaft will Ägyptens Präsidenten stellen

Ausland
01.04.2012 10:02
Die ägyptische Muslimbruderschaft und ihr politischer Arm, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP), gehen mit einem eigenen Kandidaten in die Präsidentenwahl im Mai. Die stärkste und am besten organisierte politische Kraft des Landes kündigte am Samstagabend an, dass ihr stellvertretender Vorsitzender Khairat al-Shater (Bild) bei der Wahl am 23. und 24. Mai antreten werde. Der 62 Jahre alte Ingenieur und Unternehmer hat damit gute Chancen, das Amt des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak zu übernehmen.

56 der 108 Mitglieder des Shura-Rates, des obersten Leitungsorgans der Muslimbruderschaft, stimmten für Shater, 52 gegen ihn, wie ein Ratsmitglied in Kairo bekanntgab. Shater hatte in der Vergangenheit mehrere Haftstrafen verbüßt. Im Falle seines Wahlsiegs würde die Muslimbruderschaft ihren Einfluss auf die ägyptische Gesellschaft weiter festigen. Die Bruderschaft gewann bereits bei der Parlamentswahl fast die Hälfte aller Mandate und dominiert auch die Verfassungskommission.

Shater hatte zuvor in mehreren Fernsehinterviews jede Absicht bestritten, Präsident oder Premier zu werden. Auch die Muslimbruderschaft hatte mehrfach versichert, dass sie keinen Kandidaten für die Präsidentenwahl nominieren werde. Ihre Kehrtwende begründete die Bruderschaft jetzt mit ernsthaften Gefahren, die der Revolution in Ägypten drohten.

Ehemaliges Mitglied ausgeschlossen
Das ehemalige Führungsmitglied der Muslimbruderschaft Abdel Moneim Abul Futuh (60) hatte sich ohne die Zustimmung seiner Organisation als unabhängiger Kandidat ins Spiel gebracht und wurde daraufhin ausgeschlossen. Liberale Ägypter hatten vermutet, dass sein "Zerwürfnis" mit der Führung der Muslimbruderschaft ein inszeniertes Spektakel war, um ihn auch für bürgerliche Ägypter außerhalb des religiösen Lagers wählbar zu machen.

Am Freitag hatte der salafistische Kandidat Hazem Salah Abu Ismail unter dem Jubel seiner zahlreichen Anhänger bei der zentralen Wahlkommission in Kairo 30.000 Unterstützungs-Unterschriften hinterlegt. Er propagiert einen islamischen Staat und hat für den Fall seines Wahlsiegs angekündigt, alle Frauen in Ägypten zum Tragen des Schleiers zu verpflichten und auch ausländischen Touristen den Konsum von Alkohol zu verbieten. Im Parlament haben Muslimbrüder und Salafisten zusammen rund 70 Prozent der Mandate.

Streng religiöse Bruderschaft
Die Muslimbruderschaft (arabisch: "Jamiat al-Ikhwan al-Muslimun"), die in zahlreichen islamischen Ländern Ableger hat, war 1928 von dem ägyptischen Lehrer Hassan al-Banna gegründet worden. Sie folgt der Devise: "Gott ist unser Ziel, der Koran unsere Verfassung". 1954 war die Muslimbruderschaft vom ägyptischen Revolutionsregime unter Gamal Abdel Nasser verboten worden, zahlreiche ihrer Führer wurden zum Tode verurteilt, danach wurde sie aber wieder vorübergehend legalisiert.

Nach der Ermordung des Präsidenten Anwar al-Sadat 1981 ging dessen Nachfolger Mubarak mit aller Härte gegen islamistische Gruppen vor. Bei den Parlamentswahlen 2005 hatte die Muslimbruderschaft nominell unabhängige Kandidaten antreten lassen und sich mit ihnen rund 20 Prozent der Stimmen geholt.

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