Transsexueller Turdi

“Kindermädchen” von Obama lebt in Slums von Jakarta

Ausland
16.03.2012 12:30
Ein stinkender Abwasserkanal läuft an der Hütte vorbei, kein Fenster lässt Licht in die Baracke. Der 66-jährige Turdi lebt in einem Slum in Indonesiens Hauptstadt Jakarta. Seinen Lebensunterhalt verdient er, indem er die Wäsche der Nachbarn mit der Hand wäscht. Dass sich nun TV-Teams aus den USA vor der armseligen Behausung drängen, hat mit Turdis Vergangenheit zu tun: Vor mehr als 40 Jahren war der Transsexuelle das Kindermädchen des heutigen US-Präsidenten Barack Obama.

Turdi erinnert sich noch lebhaft an den "kleinen Barry". Obama war acht Jahre alt, als seine Mutter Ann Dunham, die ihrem neuen indonesischen Mann Lolo Soetoro in dessen Heimat gefolgt war, Turdi im Jahr 1970 einstellte. Turdi kochte, erledigte die Einkäufe, kümmerte sich um den Sohn und nähte Umstandskleider, als Obamas Mutter wieder schwanger war.

"Hat mich immer normal behandelt"
Seine transsexuelle Identität - als Mann geboren, der sich als Frau fühlt - sei in Obamas Familie kein Thema gewesen. "Sie haben mich immer wie ein Familienmitglied behandelt", sagt Turdi. "Vor Barry allerdings bin ich immer als Mann aufgetreten, denn er war zu jung, um unsere Welt zu kennen." Dennoch habe der kleine Barack wohl geahnt, dass er anders sei als andere Männer. "Er war neugierig und wollte immer alles wissen. Aber dazu hat er mich nie gefragt, und er hat mich auch immer normal behandelt."

Nach Feierabend verwandelte sich Turdi in Evie (am Foto im dritten Bild links) - er zog sich ein Kleid und Stöckelschuhe an und fühlte sich gleich wohler in seiner Haut. "Ich fühlte mich wie aus dem Gefängnis befreit, wenn ich mich als Frau kleidete", sagt Turdi. Heute verzichtet er auf Frauenkleider, nachdem er mehrfach angegriffen wurde - Trans- und Homosexuelle stoßen im mehrheitlich muslimischen Indonesien auf wenig Akzeptanz.

Kinder nannten Obama "Barry Negro"
Auch als Obamas "Kindermädchen" wurde Turdi beschimpft: "Wenn ich ihn von der Schule abholte, machten sich Barrys Freunde über mich lustig", erinnert er sich. "Komm, lass uns nach Hause gehen", habe Barack dann gesagt und den Spott seiner Freunde ignoriert. Auch der Bub selbst sei diskriminiert worden - andere Schüler hätten ihn wegen seiner Hautfarbe und seiner Haare gerne als "Barry Negro" gehänselt. Barack habe dazu aber nur gelacht.

Zwei Jahre lang kümmerte sich Turdi um den Buben - bis dieser zu seinen Großeltern nach Hawaii zog. Während für seinen Zögling der Aufstieg begann, ging es mit Turdi bergab. Er arbeitete in den Rotlichtvierteln Jakartas, wurde dort nicht selten misshandelt und landete schließlich im Elendsviertel. Aber er sei sehr stolz auf Barack Obama, diesen "gewöhnlichen schwarzen Jungen, der Präsident Amerikas wurde", sagt Turdi. Und er ist sich sicher, dass Obama dazu beitragen kann, "alle Diskriminierung in der Welt" zu beenden - auch die der transsexuellen Menschen.

66-Jähriger hofft auf ein Wiedersehen
Persönlich erwarte er nichts von dem Präsidenten, versichert der 66-Jährige. Aber zu gerne würde er Obama einmal wiedersehen. "Es ist jedoch unmöglich, dass er mich hier in meinem Zimmer besucht. Und nach Amerika zu reisen, davon kann ich nur träumen", sagt Turdi.

Aber sollte der US-Präsident nach seinem Indonesien-Besuch Ende 2010 (siehe Infobox) nochmals kommen, könnten sie gemeinsam Obamas alte Grundschule besuchen. "Und wenn der Barry, den ich kenne, derselbe Barry ist, der heute Amerikas Nummer eins ist, dann bin ich sicher, dass er mich als den Menschen akzeptiert, der ich bin - egal ob ich transsexuell bin oder nicht."

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