"Krone"-Interview

Häupl über Strache, Türken und Zoff im Gemeindebau

Österreich
14.03.2012 17:00
Wiens Bürgermeister Michael Häupl spricht im Interview mit Conny Bischofberger über Heinz-Christian Straches Anti-Ausländer-Parolen, Zoff im Gemeindebau und Türken, denen er "das Ohrwaschl ausreißen" möchte.

Die Beletage des Wiener Rathauses, einen Tag bevor die SPÖ zu ihrer Klubklausur nach Rust am Neusiedler See aufbricht. Im gnädigen Schein der bunten böhmischen Luster wischt sich Michael Häupl den Morgengrant aus den Augen. Schnelles Räuspern, schiefes Lächeln. Dann lehnt sich der Wiener Bürgermeister in den orangeroten Plüsch-Fauteuil und lässt den Schmäh rennen.

Hinter ihm haben es drei Weihnachtsengel bis in den März geschafft. "Die haben wir übersehen", schmunzelt Häupl. An Schutzengel glaubt der studierte Biologe eher nicht. Vor ihm steht ein Cafè Latte, den Zuckerstreuer stellt er gleich aus dem Bild. Im Glas der Tischplatte spiegelt sich sein Gesicht, inzwischen schon beinahe knitterfrei.

"Krone": Herr Bürgermeister, nach eineinhalb Jahren Koalition mit den "Greenhorns": Fahren Sie auch schon mit dem Rad ins Büro?
Michael Häupl: Das würde ehrlich gesagt blöd ausschauen: ich mit Akten auf der Lenkstange, in der linken Hand das Handy, nein... Obwohl: Manche würden's sicher lustig finden.

"Krone": Streben Sie denn noch die Absolute an oder haben Sie es sich mit Rot-Grün gemütlich gemacht?
Häupl: Wir haben einen Kooperationsvertrag auf Zeit, der wird von den Wienerinnen und Wienern entweder erneuert oder sie meinen, es wäre doch gescheiter, wenn die Sozialdemokraten wieder alleine regieren würden. Das entscheiden die Menschen.

"Krone": H.-C. Strache ist der SPÖ dicht auf den Fersen. Manche halten es sogar für möglich, dass er in Wien Nummer eins wird. Sind Sie sich noch so sicher?
Häupl: Das stimmt nicht einmal für den Bund! Denn selbst dort ist der Abstand zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen beträchtlich. In Wien trennen uns noch Welten. Also, alles ist relativ. Kein Politiker kann aber hergehen und sagen, er sei sich der Position, die er einnimmt, absolut sicher. Es ist vom Volk geliehene Macht, auf Zeit. Wir alle sind sterblich.

"Krone": Strache besetzt die Integrationsthemen sehr geschickt. Ganz ehrlich: Sind Sie mit Ihrer eigenen Integrationspolitik wirklich zufrieden?
Häupl: In der Sache ja, im Vermitteln nein. Denn es zeigt sich ja in allen Untersuchungen, dass wir zwar die Köpfe der Leute erreicht haben, aber nicht die Herzen. Fragt man: Wer macht die bessere Integrationspolitik? Dann sagen die Menschen: die Sozialdemokraten. Fragt man aber, wer versteht uns besser? Dann sagen sie: die Freiheitlichen. Daran müssen wir noch schwer arbeiten.

"Krone": Auch die ÖVP mischt kräftig mit, Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz kümmert sich zum Beispiel um die Schulverweigerer. Hauptbetroffene sind Migranten-Familien. Warum hört man von Ihnen darüber so wenig?
Häupl: Das hat man von mir schon lange gehört. Eine Szene ist sogar legendär. Ich diskutier' am Brunnenmarkt mit einem türkischen Vater, der seiner Tochter den Schulbesuch verweigern will. Ich weise ihn darauf hin, dass der Islam eine anerkannte Religionsgemeinschaft seit Kaiser Franz Josef ist, dass aber die Schulpflicht auch seit Maria Theresia gilt in diesem Land, und dass ich ihm das Ohrwaschel ausreißen werde, wenn er seine Tochter nicht in die Schule schickt.

"Krone": Und: Haben Sie ihm das Ohrwaschl ausgerissen?
Häupl: Nein, er hat sie in die Schule gehen lassen. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass wir da ein Problem haben. Und selbstverständlich bin auch ich für die Verschärfung von Sanktionen. Weil das kann nicht sein.

"Krone": Nun haben Sie eine Charta für das Zusammenleben in der Stadt angekündigt. Glauben Sie im Ernst, dass Gruppen, die nicht einmal Deutsch sprechen, in aufwendigen Beteiligungsverfahren an Charta-Sitzungen teilnehmen werden?
Häupl: Nein, das glaube ich nicht, aber diese Gruppen sind eine Minderheit. Die Wirklichkeit in Wien ist eine andere, als die FPÖ sie darstellt.

"Krone": Wie viel Prozent hat diese Minderheit?
Häupl: Maximal fünf Prozent. Manchmal frage ich mich ja ohnehin, wer hat eigentlich keinen Migrationshintergrund in der Stadt? Von Binnenmigranten, die aus den Bundesländern kommen, wie ich oder Sie, will ich ja gar nicht reden (lacht). Eine Problemgruppe sind sicher jene Jugendlichen, die nicht Deutsch sprechen, nicht in die Schule gehen, keine Berufsausbildung machen. Diesen Jugendlichen machen wir mit Native Speakers klar: Ihr habt's zwei Möglichkeiten. Entweder ihr nehmt unser Angebot an, ihr lernt Deutsch, wir bieten euch eine kostenlose Berufsausbildung an und ihr integriert euch. Oder ihr werdet über kurz oder lang kriminell - und dann fliegt ihr raus.

"Krone": Das heißt was?
Häupl: Verurteilte Straftäter sind natürlich auszuweisen, das ist ja keine Frage. Wir stehen aber nicht wie die FPÖ mit dem Knüppel da, sondern wir bieten denen eine Ausbildungsgarantie an. Deshalb haben wir in Österreich auch die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in Europa. Das unterscheidet uns ja von den Banlieues von Paris, wo es 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit gibt, wo 90 Prozent aller zugewanderten Jugendlichen arbeitslos sind, wo Autos brennen und Straßenschlachten stattfinden. Also kann die Integrationspolitik dieser Stadt so schlecht nicht sein.

"Krone": Verstehen Sie Leute, die in Gemeindebauten wohnen und dort wirklich unglücklich sind?
Häupl: Das verstehe ich natürlich auch. Wenn Menschen völlig andere Gewohnheiten haben, dann stößt man sich sehr leicht dran. Aber ein Bassena-Streit ist ja früher auch nicht immer friktionsfrei abgelaufen. Das ist ja mit ein Grund für die Charta, weil ich einfach in Erinnerung rufen will, dass es für das Zusammenleben zwei entscheidende Faktoren gibt, nämlich den Respekt vor dem anderen und die Rücksichtnahme. Ohne dies funktioniert keine Stadtgemeinschaft.

"Krone": Was sagen Sie denen, die glauben, sie hätten mehr Rechte, weil sie schon länger da sind?
Häupl: Das halte ich für kein gutes Argument. Nur weil einer neu einzieht in eine Wohnhausanlage, hat er ja nicht weniger Rechte als jemand, der schon seit zehn oder 15 Jahren dort wohnt. Da geht es dann darum, wer den ersten Schritt macht. Wir werden durch Gemeinschaftsfeste, grad bei neu besiedelten Wohnhausanlagen, und dort, wo es starke Fluktuationen gibt, Gelegenheiten und Situationen schaffen, dass man sich kennenlernen kann.

"Krone": Wünschen Sie sich manchmal, dass Sie in diese Winkel der Wiener Herzen hineinschauen könnten, wo Anti-Ausländer-Parolen auf fruchtbaren Boden stoßen?
Häupl: Diese Winkel gibt es natürlich, das sind ideologisch Verfestigte, die diametral auf der anderen Seite stehen. Aber ich glaube, das ist nur ein sehr kleiner Teil. Der überwiegende Teil derer, die Strache heute wählen, sind Leute, die in vielfacher Hinsicht Angst haben. Angst, ihren Wohlstand zu verlieren. Die Angst haben um ihre Kinder und das Wohlstandsniveau der Zukunft, um ihre Enkerl, weil sie meinen, dass diese allein durch die Existenz der Fremden bedroht sind. Wenn jetzt das Faktum dazukommt, dass ich mit diesen nicht reden kann, weil sie nicht Deutsch können, dann ist natürlich gleich alles doppelt verschärft. Daher ist es wirklich wichtig, dass man die Sprache kann. In Wien ist das Deutsch. Nur wenn alle Deutsch können, setzt sich das durch, was wir in Wien so erfolgreich praktizieren: "Durchs Reden kommen die Leut' zam."

"Krone": Wie wollen Sie den Leuten diese Ängste nehmen?
Häupl: Die Ängste sind zum Großteil immateriell. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen, und deswegen müssen alle raus und mit den Leuten reden.

"Krone": Apropos reden: Gegen die Parkpickerl in Ottakring und Hernals laufen die Bürger Sturm. Haben Sie das schlecht kommuniziert?
Häupl: Nein, das wird seit einem Jrkpickerl immer Theater gegeben.

"Krone": Das Drama Steinhof: Kommt da nur ein fauler Kompromiss heraus?
Häupl: Ich wüsste nicht, was da ein fauler Kompromiss sein sollte. Das Rehab-Zentrum wird fix gebaut und das Ensemble wird absolut in Ruhe gelassen. Die Gerüchte, die da in die Welt gesetzt wurden, dass da irgendwas dazwischen gebaut werden soll, sind lächerlich. Was die Teile oberhalb und unterhalb des Rehab-Zentrums betrifft, da führt ja die Frau Planungsstadträtin zur Stunde Diskussionen, aber insgesamt ist das alles auf einem guten Weg.

"Krone": Die Wohnungseinbrüche in Wien steigen, wird da genug getan?
Häupl: Das ist eine beständige Diskussion zwischen mir und der Frau Innenministerin bzw. dem Herrn Polizeipräsidenten. Statistisch gesehen verringern sich die Wohnungseinbrüche, nur was ich sehe, ist, dass sie sich verlagern. Mir gehört die Polizei nicht, und ich bin da ein Aufmerksammacher, ein Forderer nach mehr Personal.

"Krone": Sind Sie eigentlich mit der Arbeit der Bundesregierung - Stichworte Sparpaket, Milliardenspritzen, Korruption - zufrieden?
Häupl: Also für die Korruptionsskandale kann man die derzeitige Regierung nicht verantwortlich machen, das war schon Schwarz-Blau. Da würde ich mir wünschen, dass man sich wirklich auf die großen Fische konzentriert und sich nicht mit Leuten herumbalgt, die einem Fußballverein einmal ein Sponsoring zukommen haben lassen. Wenn ich mir das Sparpaket anschaue, dann bin ich sehr wohl zufrieden. Natürlich würde man sich als Sozialdemokrat manches anders wünschen, das ist klar. Aber für einen Kompromiss war das nicht so schlecht.

"Krone": Kann man in dieser schwierigen Zeit als SPÖ noch Wahlen gewinnen?
Häupl: Na ja, in der Slowakei ist das gerade passiert, und demnächst wird das wohl auch in der Tschechischen Republik der Fall sein, wo es ja für Sozialdemokraten besonders schwer ist, Wahlen zu gewinnen, wo Sozialdemokraten als verkappte Kommunisten gelten. Zur Stunde macht's den Eindruck, als ob Regierungen abgewählt werden unabhängig von ihrer Couleur.

"Krone": Sie sind jetzt seit 18 Jahren Bürgermeister. Wollen Sie eigentlich im Wiener Rathaus noch den Lebensabend verbringen?
Häupl:(lacht) Nein, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es ein Leben nach der Politik gibt.

"Krone": Wieso machen Sie so ein Geheimnis daraus, wann Sie gehen und ob Ihnen jetzt der Herr Ludwig oder die Frau Brauner nachfolgen?
Häupl: Das ist ganz einfach beantwortet: Wenn man hier im Haus auch nur andeutet, wann man beabsichtigt zu gehen, dann kommt der Amtsdiener nicht einmal mehr mit einem Kaffee herein.

"Krone": Werden Sie es ganz überraschend verkünden?
Häupl: Ich werde das mit Freunden besprechen, bei denen ich mir sicher sein kann, dass ich es nicht am nächsten Tag in der Zeitung lese, und dann meinen Parteivorstand informieren.

"Krone": Und drängen Sie diese Freunde nicht schon ein bisschen?
Häupl: Aber überhaupt niemand drängt mich! Die drängen mich schon, aber in die andere Richtung (lacht).

"Krone": Erinnern Sie sich eigentlich noch, mit welchem Satz Sie 1988 zum Umweltstadtrat ernannt wurden?
Häupl: Daran werde ich mich ewig erinnern: "Deine deppaten Frösch' kannst später zählen!" Damit hat Helmut Zilk nicht nur die Frösche beleidigt, weil die Frösche sind natürlich nicht deppert, sondern darüber hinaus auch ein gewisses Unverständnis für meine vormalige Arbeit gezeigt. Das war ehrlich gesagt schon ein bisschen kränkend (lacht).

"Krone": Und werden Sie einmal wieder Frösche zählen?
Häupl: Nein, weil ich schon zu lange aus der Forschung draußen bin.

"Krone": Sie sind seit 20. Mai letzten Jahres mit einer Ärztin verheiratet, die den Kilimandscharo und Mont Blanc besteigt. Sagt sie Ihnen nicht, dass Sie abnehmen müssen?
Häupl: Ja.

"Krone": Und was machen Sie?
Häupl: Abnehmen.

"Krone": Wie erfolgreich?
Häupl: Mäßig erfolgreich, das gebe ich zu. Ich versuche, die Hälfte zu essen und doppelt so viel Sport zu machen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

18 Jahre Stadtchef
Geboren am 14. September 1949 in Altlengbach, Niederösterreich. Nach der Matura studiert er Biologie und Zoologie. Bereits während des Studiums tritt er dem Verband Sozialistischer Studenten bei. 1988 wird er Wiener Umweltstadtrat, 1994 folgt er Helmut Zilk als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien nach. Michael Häupl hat zwei erwachsene Kinder aus zwei Ehen. 2011 heiratet er seine langjährige Lebensgefährtin Barbara Hörnlein, ärztliche Direktorin im Wilhelminenspital.

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