GI-Amoklauf

Afghanistan: US-Soldat erschießt 16 Zivilisten

Ausland
12.03.2012 07:32
Ein Soldat der US-Armee hat in der südafghanischen Provinz Kandahar ein Blutbad angerichtet und 16 Zivilisten, darunter neun Kinder und drei Frauen, erschossen. Ein Sprecher der Provinzregierung sagte, der Mann sei in der Nacht auf Sonntag in drei Häuser im Distrikt Pandschwai eingedrungen und habe die schlafenden Bewohner gezielt getötet. Die Internationale Schutztruppe ISAF bestätigte einen Vorfall mit getöteten Afghanen sowie die Festnahme eines GIs.

Ein afghanischer Reporter, der anonym bleiben wollte, sprach von mindestens 16 Toten. "Es sieht so aus, als ob der US-Soldat von Haus zu Haus gegangen ist und die Bewohner kaltblütig erschossen hat", sagte er nach einem Besuch des Tatorts. Laut der Zentralregierung in Kabul seien bei dem Blutbad fünf weitere Personen verletzt worden. Nach dem Vorfall versammelten sich zahlreiche Menschen vor dem US-Stützpunkt, um gegen die Ermordung der Dorfbewohner zu protestieren.

Die radikalislamistischen Taliban haben bereits mit Vergeltung gedroht. Sie würden sich für "jeden einzelnen Märtyrer bei den Eindringlingen und grausamen Mördern rächen", drohten sie am Montag auf ihrer Internetseite an.

Wie aus westlichen Sicherheitskreisen verlautete, hatte der US-Soldat vor Sonnenaufgang seinen Stützpunkt verlassen. In einem Dorf sei er dann in mehrere Häuser eingedrungen und habe die Bewohner erschossen. Anschließend habe er sich gestellt. Den Angaben zufolge soll der Mann unter psychischen Problemen leiden. Der britische TV-Sender BBC berichtete, es soll sich um einen Unteroffizier einer Spezialeinheit handeln. Das Motiv für die Tat sei noch unklar.

Familienvater war bereits dreimal im Irak
Die "New York Times" zitierte Dorfbewohner, die sagten, der Unteroffizier sei von Tür zu Tür gegangen und schließlich in drei verschiedene Häuser eingedrungen. Dort habe er seine Opfer getötet und mehrere der Leichen verbrannt, darunter auch die von vier Mädchen im Alter von unter sechs Jahren. Der Unteroffizier sei von seiner Basis im Unruhedistrikt Pandshwai aus mehr als eine Meile (1,6 Kilometer) weit zum Tatort gelaufen.

Der mutmaßliche Einzeltäter habe sich anschließend ergeben. Bei ihm handle es sich um einen 38-jährigen Feldwebel, der verheiratet sei und zwei Kinder habe. Er sei seit Dezember in seinem ersten Afghanistan-Einsatz. Zuvor sei er dreimal im Irak stationiert gewesen.

Karzai: "Mord und Terror"
Der afghanische Präsident Hamid Karzai bezeichnete das Massaker als "unverzeihlich". Wenn US-Soldaten absichtlich afghanische Zivilisten töteten, dann sei dies "Mord und Terror". In einer Mitteilung Karzais hieß es: "Spät in der Nacht drang ein amerikanischer Soldat in die Häuser von Menschen in Balandi Pul in der Sangabad-Gegend des Distrikts Pandschwai ein und tötete 16 Zivilisten, darunter neun Kinder und drei Frauen." Die US-Regierung müsse die Tat dem afghanischen Volk erklären. Karzai sandte eine Untersuchungskommission zum Tatort.

Der Kommandant der Internationalen Schutztruppe ISAF und der US-Soldaten in Afghanistan, General John Allen, zeigte sich "schockiert" über den Vorfall. Die ISAF kündigte eine gemeinsame Untersuchung mit den afghanischen Behörden an. Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich bestürzt über das Massaker. "Ich bringe meinen Schock und meine Trauer über dieses tragische Ereignis in der Provinz Kandahar zum Ausdruck", sagte Rasmussen in einer am Sonntag in Brüssel verbreiteten Erklärung. Rasmussen sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Das Weiße Haus in Washington zeigte sich "tief besorgt" - man verfolge die Lage vor Ort genau. US-Präsident Barack Obama erklärte: "Ich bin tief traurig angesichts der Informationen über den Tod von afghanischen Zivilisten." Zugleich sprach er den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Er unterstütze eine möglichst schnelle Untersuchung des Vorfalls, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, so Obama.Die Bluttat belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Kabul und Washington. Auch die US-Botschaft in Kabul verurteilte die Tat und versprach, den Verantwortlichen, der sich im Gewahrsam der internationalen Truppen befände, zur Rechenschaft zu ziehen.

Merkel besucht deutsche Soldaten
Trotz befürchteter Proteste nach dem Amoklauf ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen zu einem nicht angekündigten Besuch in Afghanistan eingetroffen. Im Bundeswehr-Feldlager in Masar-i-Sharif informierte sie sich bei den Soldaten über den Einsatz.

Zum Auftakt der Visite gedachte sie am Ehrenhain den in Afghanistan gefallenen Soldaten. Merkel hatte am Montag zunächst zu den deutschen Soldaten in der Unruheprovinz Kunduz fliegen wollen. Wegen schlechten Wetters war das aber nicht möglich gewesen.

Tote nach Koran-Verbrennung
Die Tötung afghanischer Zivilisten durch ausländische Soldaten sorgt immer wieder für erhebliche Spannungen zwischen der ISAF und der Regierung in Kabul. Zudem hatte in den vergangenen Wochen die Verbrennung von Koran-Exemplaren durch US-Soldaten auf dem Stützpunkt Bagram im ganzen Land tagelange Massenproteste ausgelöst, bei denen etwa 30 Afghanen getötet wurden.

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