Ein Jahr danach

Japaner gedachten der Opfer der Mega-Katastrophe

Ausland
11.03.2012 16:48
Mit Trauerzeremonien und einer Schweigeminute haben die Japaner am Sonntag der Opfer der Tsunami-Katastrophe von vor einem Jahr gedacht. Um 14.46 Uhr Ortszeit (6.46 Uhr MEZ) senkten die Menschen ihre Köpfe. Zu dem Zeitpunkt hatte am 11. März 2011 ein Erdbeben der Stärke 9,0 Japan heimgesucht. Ein dadurch ausgelöster Tsunami riss mehr als 15.800 Menschen in den Tod, über 3.000 weitere werden noch immer vermisst. Im Atomkraftwerk Fukushima kam es zum GAU.

Bei einer Gedenkzeremonie im Nationaltheater von Tokio drückte Regierungschef Yoshihiko Noda vor rund 1.200 Gästen den Opfern sein Beileid aus. "Ich verspreche, dass wir mit allen Kräften den Wiederaufbau der betroffenen Gebiete vorantreiben", sagte Noda. Auch in den am schlimmsten betroffenen Gebieten an der Nordostküste des Landes versammelten sich Menschen zu Gedenkfeiern.

An der Zeremonie in Tokio nahmen auch Kaiser Akihito und seine Gemahlin, Kaiserin Michiko, zusammen mit Angehörigen von Opfern teil. Der erst vor wenigen Tagen am Herzen operierte 78 Jahre alte Monarch mahnte, Lehren aus der Katastrophe an die künftigen Generationen weiterzugeben. Akihito sprach zugleich allen Helfern sowie den Reparaturtrupps in dem havarierten AKW Fukushima seinen Dank aus. Das Monarchenpaar hatte in den vergangenen Monaten selbst immer wieder in rührender Anteilnahme den Überlebenden in Notunterkünften Trost gespendet und Mut gemacht. Noch immer leben Zehntausende Japaner in Behelfsunterkünften.

Demo für AKW-Stilllegung
Am ersten Jahrestag der Katastrophe demonstrierten in Tokio etwa 10.000 Demonstranten für die Stilllegung aller Atomkraftwerke. Insgesamt waren die Anti-Atom-Proteste aber relativ gering. Im Ort Okuma in der Provinz Fukushima legte eine kleine Gruppe geflohener Anrainer der Atomruine mitten in der 20-Kilometer-Evakuierungszone Blumen für die Opfer des Tsunamis nieder - in weißer Strahlenschutzkleidung und Atemschutzmasken.

Das japanische Fernsehen zeigte am Sonntag immer wieder Menschen, die trotz der Katastrophe nach vorne schauen wollen. Schulklassen sangen Lieder, in denen es um die Liebe zur Heimat, die Überwindung von Traurigkeit und den Zusammenhalt der Gemeinschaft geht. "Die warme Unterstützung von allen Leuten hat uns Hoffnung und Energie gegeben", sagte Eriko Okuda aus der Unglücksprovinz Miyagi bei der Gedenkzeremonie in Tokio. Während Ihrer herzergreifenden Rede liefen ihr Tränen über das Gesicht. Der Tsunami hatte ihre Eltern, ihre Tochter und ihren Sohn in den Tod gerissen.

"Bitte vergessen Sie uns nicht"
"Ich bitte Sie, dass es nicht bei den Veranstaltungen am heutigen Tag bleibt", sagte eine ältere Frau in der schwer verwüsteten Küstenstadt Kesennuma in einer Fernsehsendung. Wie sie fürchten manche der Opfer, dass die Katastrophe bei der breiten Bevölkerung in Vergessenheit gerät und der Wiederaufbau zum lokalen Problem verkommt. "Bitte vergessen Sie uns nicht", flehte die Frau, die weiter in einer von 53.000 Container-Behelfswohnungen hausen muss.

An mehreren Orten wurden am Gedenktag Katastrophenschutzübungen abgehalten. Experten fordern, dass sich das Land auf noch größere Katastrophen besser vorbereiten müsse. Jüngste Studien zeigen, dass das Risiko eines weiteren schweren Erdbebens in Fukushima wie auch im Raum der Neun-Millionen-Hauptstadt Tokio seit "3/11" - wie der Katastrophentag genannt wird - gestiegen sei.

Demos auch in Deutschland und Wien
In Deutschland demonstrierten angesichts des Jahrestages der Katastrophe in Japan Tausende Menschen gegen die Atomkraft. In Schleswig-Holstein umstellten knapp 3.000 Menschen das Atomkraftwerk Brokdorf. In Neckarwestheim in Baden-Württemberg zogen rund 5.000 Demonstranten zum dortigen AKW. Viele legten zum Gedenken an den Atomunfall in Fukushima Papierkraniche nieder. Proteste gab es auch in Gundremmingen und Hannover sowie gegen die Urananreicherungsanlage Gronau. Die Veranstalter sprachen von insgesamt rund 23.000 Teilnehmern. Zu den Anti-Atom-Protesten hatten örtliche Initiativen und Umweltverbände aufgerufen.

In Wien gedachten Aktivisten von Global 2000 ebenfalls der Katastrophe in Japan. Sie veranstalteten einen Flashmob und versammelten sich gemeinsam mit Anhängern der japanischen Kultur vor der japanischen Botschaft in Wien, um vor Augen zu führen, dass das Sterben noch nicht zu Ende ist. Reinhard Uhrig, Atomexperte von Global 2000: "Wir trauern um die Opfer der Naturkatastrophe vor einem Jahr. Jedoch: Es ist noch nicht vorbei. Atomkraft hat keine Zukunft, die havarierten Reaktoren in Fukushima sind eine Zeitbombe. Aufgrund der ausgetretenen Radioaktivität wird es zu Millionen weiteren Krebserkrankungen kommen. Das Sterben in Japan wird also weitergehen."

Erdbeben, Tsunami, Atomkatastrophe
Bis zu 15 Meter hohe Flutwellen infolge des Erdbebens hatten vor einem Jahr japanische Städte und Dörfer verwüstet. 115.000 Gebäude entlang eines 400 Kilometer langen Küstenstreifens wurden vollständig zerstört. Mehr als 340.000 Menschen mussten in Folge der Katastrophe ihre Heimatorte verlassen. Allein gut 87.000 Menschen flohen vor der Gefahr einer Verstrahlung durch das vom Tsunami zerstörte AKW Fukushima. Weite Gebiete nahe der Atomruine sind noch immer so verstrahlt, dass eine Rückkehr der Menschen als höchst ungewiss gilt.

Bilder der Gedenkfeiern und der Anti-Atom-Proteste findest du in der Infobox!

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