Alles zurückgelassen

Tausende flüchten vor Gewalt in Syrien in den Libanon

Ausland
07.03.2012 11:18
Tausende Syrer haben sich in den vergangenen Tagen über die Grenze in den Libanon gerettet. Viele mussten alles zurücklassen. Nur das nackte Leben ist ihnen geblieben. "Es war so kalt und ich hatte große Angst", erzählt die neunjährige Nagham. Zusammen mit ihrer Familie ist die kleine Syrerin in den Libanon geflüchtet.

"Wir wollen lieber zu Hause sein, mit unseren Freunden. Wir wollten nicht hierherkommen", sagt sie. Es sei eine harte Entscheidung gewesen, erzählt Naghams Vater, Abu Firas. "Entweder du lässt alles zurück, was du besitzt und rettest deine Familie und Kinder, oder du bleibst und stirbst." Der Syrer ist mit seinen sechs Kindern geflüchtet. Zusammen mit etwa 150 anderen Familien hat er in dem Dorf Arsal im Ostlibanon Unterschlupf gefunden.

Sein Bauernhof in Al-Kusair in der Provinz Homs war nicht mehr sicher. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Regimes von Präsident Bashar al-Assad will er seinen richtigen Namen nicht nennen. Sein Gesicht verhüllt er mit einem Tuch. Die Flucht in der Dunkelheit über die Grenze war beängstigend, erzählt der 47-Jährige. Die Kinder hätten die ganze Zeit geweint. Während der Flucht mussten sie über den verschneiten Boden kriechen, um nicht von Regierungstruppen entdeckt zu werden. Nun haben die Kleinen Fieber.

"Sie töten ohne Unterschied"
Die Familie musste fliehen, nachdem er gehört hatte, was in Baba Amro vorging, sagt der Vater. Mitglieder der gefürchteten Eliteeinheiten verbreiten Angst und Schrecken in der Region, erzählen die Flüchtlinge. Die Menschen wagten es nicht mehr, auf die Straße zu gehen und Demokratie zu fordern, fügen die Syrer in Arsal hinzu. Die Eliteeinheiten werden von Maher al-Assad, einem jüngeren Bruder des Machthabers, angeführt. Das Regime habe einen neuen Leitsatz, meint Abu Omar, einer der Flüchtlinge: "Entweder du bist ruhig und lebst, oder du muckst auf und wir töten dich."

Nach der Einnahme des Stadtviertels in der Rebellenhochburg Homs in der vergangenen Woche durch Regierungstruppen häufen sich Berichte von Gräueltaten. "Als die Regierungstruppen Baba Amro einnahmen, machten sie keinen Unterschied zwischen Rebellen und Zivilisten", sagt Abu Firas. "Sie töteten ohne Unterschied."

Dann zeigt er mit seinem Handy gemachte Aufnahmen von Sonntagnacht, als sein Dorf beschossen wurde. Seine Nachbarn und er beschlossen, in dieser Nacht zu fliehen. Im dichten Schneetreiben kämpften sie sich durch die Wälder in den Libanon durch. Al-Kusair ist nur zwanzig Minuten von der Grenze entfernt, doch die Gruppe brauchte mehr als zwei Stunden. Oft mussten sie sich vor Soldaten verstecken, erzählen die Flüchtlinge. Aber Abu Firas hatte Glück. Nach der abenteuerlichen Flucht über Bergstraßen und durch Schneestürme hat die Familie bei einem alten Freund in Arsal Unterschlupf gefunden.

Tausende fliehen vor der blutigen Gewalt
Tausende haben sich den vergangenen Tagen über die Grenze gerettet. Die meisten Flüchtlinge gehören zur sunnitischen Bevölkerungsmehrheit Syriens. Die Führung des Regimes wird von Mitgliedern der alawitischen Minderheit dominiert. Auch Assads Familie ist alawitisch. Die Grenzregion um Arsal wird von Sunniten bewohnt. Viele sympathisieren mit den Regimegegnern in Syrien.

Seit dem Beginn der Proteste gegen Assad vor einem Jahr sind nach UNO-Angaben mehr als 7.500 Menschen ums Leben gekommen. Die meisten der Flüchtlinge in Arsal seien Frauen und Kinder, sagt Dana Suleiman, eine Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR). Helfer verteilen Decken, Medikamente und andere Hilfsgüter.

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