Gelder veruntreut

F: Ex-Präsident Chirac zu 2 Jahren bedingt verurteilt

Ausland
15.12.2011 20:45
Der französische Altpräsident Jacques Chirac ist am Donnerstag im Prozess um Scheinarbeitsverhältnisse im Pariser Rathaus in den 1990er-Jahren schuldig gesprochen und zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der 79-Jährige beging nach Ansicht des Gerichts Vertrauensmissbrauch und veruntreute öffentliche Gelder. Chirac ist der erste französische Präsident, der von einem Gericht verurteilt wurde.

Der Richter folgte damit nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Ende September einen Freispruch für den 79-Jährigen gefordert hatte. Am Donnerstagabend kündigte Chirac an, nicht in Berufung gehen zu wollen. Er besitze nicht mehr die "nötigen Kräfte, um vor neuen Richtern einen Kampf um die Wahrheit zu führen". Er weise das Urteil aber "kategorisch" zurück, er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Der Anwalt der Antikorruptions-Organisation Anticor, Jerome Karsenti, sprach von einer "historischen Entscheidung der Justiz", die für die Zukunft der französischen Demokratie extrem wichtig sei. Er meinte vor Journalisten: "Das ist eine Botschaft an alle Politiker (...) Das ist auch der Beleg für eine reife, transparente Demokratie." Die Organisation hatte öffentlichen Druck aufgebaut für den Prozess, aber vergeblich eine Zulassung als Nebenkläger versucht.

Gefälligkeitsjobs verteilt
Das Verfahren bestand genau genommen aus zwei Strängen. Zum einen ging es um sieben Parteifreunde von Chirac, die zwischen 1990 und 1994, als der heute 79-Jährige Bürgermeister von Paris (1977 - 1995) war, vom Rathaus bezahlt wurden. In einem zweiten Verfahrensstrang wurde über 21 mutmaßliche Gefälligkeitsjobs verhandelt, die Chirac zwischen Oktober 1992 und Mai 1995 vergeben haben soll.

Chirac und Co. hätten seinem Vater "einen Gefallen tun wollen", indem man ihn auf die Gehaltsliste des Rathauses setzte, erklärte etwa Francois Debre, ein Sohn des früheren Regierungschefs Michel Debre. Mehr als 100.000 Euro strich Debre junior laut Anklage ein, ohne dass die Stadt dafür eine Gegenleistung erhielt. Der lange Zeit drogenabhängige Journalist habe "eine zweite Chance" verdient gehabt, erklärte Chirac hingegen.

Zugute kamen die fraglichen Arbeitsverhältnisse auch einem Enkel von Republikgründer Charles de Gaulle. Der für Chiracs damalige Partei RPR als Abgeordneter fungierende Jean de Gaulle konnte sich über zwei Mitarbeiter freuen, die von der Stadt Paris mit über 69.000 Euro entlohnt wurden.

Prozess erst nach Ende der Präsidentschaft möglich
Die Justiz beschäftigte sich seit 1995 mit diesem Fall. Es konnte aber erst nach Chiracs Ausscheiden aus dem Amt des Präsidenten im Jahr 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, weil er zuvor vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt war. Die Stadt Paris verzichtete nach einer Entschädigungszahlung in Höhe von 2,2 Millionen Euro durch die Regierungspartei UMP darauf, als Nebenklägerin aufzutreten.

Detail am Rande: Der Prozess fand in jenem Gerichtssaal statt, in dem 1793 die französische Königin Marie-Antoinette zum Tode verurteilt worden war. Der Raum wurde für die Verhandlung extra auf Hochglanz gebracht.

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