Soll 2020 fertig sein

Klimagipfel einigt sich auf Fahrplan zu Weltklimavertrag

Ausland
11.12.2011 08:56
Bei dem längsten Klimagipfel aller Zeiten hat die EU einen Fahrplan zu einem Weltklimavertrag durchgesetzt, der auch Klimasünder wie die USA, China und Indien in die Pflicht nimmt. Das Abkommen soll bis 2015 erarbeitet werden und bis 2020 in Kraft treten. "Zusammen haben wir positiven Druck ausgeübt auf die, die etwas Druck brauchen", sagte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard Sonntag früh im südafrikanischen Durban. Greenpeace kritisiert die mangelnde Verbindlichkeit des geplanten Vertrages.

Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane (Bild), die mit ihrer Beharrlichkeit einen harten Konflikt zwischen Indien und der EU über die Verbindlichkeit des künftigen Weltklimavertrags gelöst hatte, sprach von einem "historischen Meilenstein". "Wir haben einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht", betonte sie. Das Plenum applaudierte der Verhandlungsführung, doch alle Delegierten waren auch froh, dass der Gipfel nach zwei Wochen am Sonntagmorgen zu Ende ging.

Angesichts harter Positionen vor dem Abschlussplenum hatte Nkoana-Mashabane an den Einigungswillen der 193 Staaten appelliert: "Hier in Durban können wir gemeinsam Geschichte schreiben. Es ist Ihre Entscheidung, welche Art von Geschichte Sie schreiben wollen." Lange stand der Gipfel, der extra um einen Tag verlängert worden war, vor dem Scheitern, weil die EU keine faulen Kompromisse mehr wollte.

Zugeständnisse bei Verbindlichkeit des Vertrags
Heedegard betonte, die EU habe alles erreicht, nur bei der Frage der Verbindlichkeit des nun auszuhandelnden Klimavertrags habe man Zugeständnisse machen müssen. Ursprünglich hatte sich die EU gegen einen im Entwurf für den Fahrplan zu einem Weltklimavertrag stehende Formulierung gewehrt, die das Ganze nicht rechtlich bindend machen könnte. Letztendlich hatte man hier aber nachgeben müssen.

Jene Aufweichung war auf Druck Indiens aufgekommen, das sich gegen Klimaschutzauflagen wehrt. Deren Umweltministerin Jayanthi Natarajan betonte, man habe viel Flexibilität bewiesen. Man lasse sich nicht einschüchtern und an den Pranger stellen. "Was ist das Problem, eine Option mehr aufzunehmen?", fragte sie mit Blick auf die umstrittene Formulierung "legal outcome". Die EU wollte nur den Begriff "legal instrument" akzeptieren, da dieser bindend sei und so wirklich die Treibhausgasausstöße reduzieren könnte. Dennoch bezeichneten die Delegierten selbst dieses Ergebnis als großen Fortschritt, da Indien, die USA und China verbindliche Abkommen bisher komplett abgelehnt hatten. Die Formulierung dürfte den Klimasündern allerdings einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung gewähren.

Berlakovich: "Historischer Durchbruch"
Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich bezeichnete das Ergebnis des Klimagipfels als "historischen Durchbruch" und "Entscheidung für das Leben". Es habe in Durban nach jahrelangem Stillstand "ein globales Zusammenrücken beim Klimaschutz" gegeben, so Berlakovich in der Nacht auf Sonntag. Österreich und die anderen EU-Länder, die als einzige Treibhausgase einsparten, hätten mit Erfolg auf eine rechtliche Verbindlichkeit des neuen Abkommens gedrängt.

Auch der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen sprach von einem Erfolg. Es sei richtig gewesen, dass die Europäer hart geblieben seien. Auch die Allianz mit den am wenigsten entwickelten Staaten habe seine positive Wirkung nicht verfehlt.

Kyoto-Protokoll wird verlängert
Beschlossen wurde außerdem, das Kyoto-Protokoll bei der nächsten Klimakonferenz 2012 zu verlängern - es ist das bisher einzige bindende Abkommen. Bei einer Verlängerung wollen sich aber nur noch Staaten zu verpflichtenden Minderungszielen bekennen, die 15 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausmachen. Davon entfallen elf Prozent auf die EU. Mit der Verlängerung soll die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Weltklimavertrags überbrückt werden. Die Vereinbarung könnte ab 2013 beginnen. In der ersten Kyoto-Periode, die Ende 2012 ausläuft, hatten sich 37 Industriestaaten dazu verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen um durchschnittlich fünf Prozent verglichen mit dem Stand von 1990 zu verringern; die USA beteiligten sich jedoch nicht. Bis 2020 wird nun eine CO2-Reduzierung um insgesamt 25 bis 40 Prozent angestrebt. Kanada, Japan, Russland und Neuseeland wollen allerdings bei Kyoto nicht mehr dabei sein.

Die Konferenz ließ offen, ob die nächste Kyotoperiode bis 2017 oder bis 2020 andauern sollte. Bis 2012 müssen die Reduktionsziele des Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Länder in das Abkommen geschrieben werden - daher wurde jetzt nur die grundsätzliche Bereitschaft zu einer zweiten Verpflichtungsperiode beschlossen.

Grüner Klimafonds soll betroffene Länder unterstützen
Konkretisiert wurde außerdem die Struktur des Grünen Klimafonds, mit dem vom Klimawandel besonders betroffene Länder ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar (74,7 Mrd. Euro) bekommen sollen. Zum Waldschutz gab es leider keine wesentlichen Fortschritte. China hatte zuvor erbost auf Vorwürfe reagiert, das Land blockiere eine wirksame Reduzierung von Treibhausgasen. "Es ist nicht so wichtig, was Länder sagen, sondern was sie tun", sagte Unterhändler Xie Zhenhua im Abschlussplenum.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigte sich enttäuscht. "Der unter Druck von Indien und den USA abgeschwächte Kompromiss wird nicht zu einem international verbindlichen Klimaschutzvertrag führen, sondern zu einem nur lose bindenden Abkommen", sagte Klimaexperte Martin Kaiser. "Damit wurde in letzter Minute ein Schlupfloch für die USA und fossile Industriekonzerne unter Mithilfe von Indien geschaffen." Nun drohe erneut ein langwieriger Verhandlungsprozess. Mit einem schwachen Klimavertrag, der zudem erst 2020 in Kraft treten soll, werde es nicht zu schaffen sein, die Erderwärmung wie angepeilt auf zwei Grad zu begrenzen. Brot für die Welt betonte, Durban sei nur ein "bedingter Fortschritt" im Kampf gegen die Erderwärmung.

Oxfam sieht Fortschritt, Kritik von Global 2000
"Der Beschluss einer zweiten Verpflichtungsrunde des Kyoto-Protokolls und das nun vorliegende Verhandlungsmandat für ein weiteres Abkommen bilden ein wichtiges Fundament für die künftige weltweite Klimaschutzarchitektur", betonte Experte Jan Kowalzig von der Klimaschutzorganisation Oxfam. Es gebe allerdings noch manche Unklarheiten, beispielsweise wann das künftige Abkommen in Kraft treten solle. "Aber machen wir uns nichts vor: Wegen der schwachen Klimaschutzzusagen vor allem der Industrieländer bewegt sich die Welt weiter auf eine Erwärmung von 4 Grad oder mehr zu."

Der Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000, Johannes Wahlmüller, sagte, der Abschluss der Klimakonferenz mit einem Fahrplan für ein neues Abkommen, das erst 2020 in Kraft treten soll, sei "kein Grund zum Jubeln". Der Zeitplan sei "viel zu langsam".

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