Nach dem Gipfel-Veto

Nein-Sager Cameron kassiert EU-Prügel

Ausland
10.12.2011 16:06
Es sind deutliche Worte, die derzeit in der Welt der sonst so vornehmen und diplomatischen EU fallen. Nach seinem strikten Nein zu dem Brüsseler Anti-Schulden-Pakt hagelt es von allen Seiten Kritik für Briten-Premier David Cameron. Er sei ein "Feigling", habe sich "in die populistische Ecke manövriert" und solle "besser den Mund halten", beschieden ihm die EU-Granden. Einzig aus der Heimat gab es Lob.

Er kam, sah und setzte sich in die Nesseln. Während die 26 anderen Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel einen Anti-Schulden-Pakt austüftelten, zeigte sich der britische Premier von seiner stursten Seite. Für die von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vorangetriebenen Änderungen der EU-Verträge forderte Cameron im Gegenzug weitreichende Sonderregeln für den Finanzplatz London. Doch das lehnten die EU-Partner als unzumutbar ab.

Nun muss die EU die neuen Verträge in die bestehenden Regelungen mit einflechten. Am britischen Veto scheiterte der von vielen Seiten erhoffte große Wurf, die Staatengemeinschaft wurde durch das Nein als Ganzes geschwächt. Und so war es wohl auch blanker Zynismus, der aus dem Nach-Gipfel-Statement von Sarkozy sprach: "Angesichts der Position unserer britischen Freunde war eine Einigung aller 27 Euro-Länder nicht möglich", kritisierte der französische Präsident den Abweichler.

Blockadehaltung regelrecht zelebriert?
Vor allem die Art und Weise seines Auftretens hat Cameron innerhalb der EU nicht gerade neue Freunde beschert. Er habe seine Blockadehaltung regelrecht zelebriert, ließen Insider durchsickern. "Wenn man nicht bereit ist, sich an die Regeln zu halten, dann sollte man besser den Mund halten", machte Elmar Brok, außenpolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, aus seinem Unmut keinen Hehl.

Ähnlich sieht es Broks stellvertretender Fraktionsvorsitzender Manfred Weber: "Überall mitreden zu wollen, aber jeden Kompromiss zu sprengen, ist auf Dauer nicht akzeptabel. Ein bisschen schwanger geht nicht", so der Deutsche. Und der Mit-Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Daniel Cohn-Bendit, schimpft den Briten-Premier gar einen "Feigling". Cameron habe sich "in die populistische Ecke manövriert".

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, sagte: "Ich glaube, es ergibt wenig Sinn, wenn man von britischer Warte aus die Euro-Zone immer nur so betrachtet, als befände sie sich im Dienste Großbritanniens."

Faymann: "Das war keine große Stunde des Teamgeistes"
Sogar Bundeskanzler Werner Faymann, nicht gerade als Freund deutlicher Worte bekannt, rang sich zu einem klaren Statement durch. Großbritanniens Premier habe "einen völlig falschen Zugang" gewählt. Mit seinen Forderungen habe er plötzlich eine mit dem eigentlichen Thema nicht wirklich zusammenhängende Verknüpfung "auf den Tisch geknallt". Faymann: "Das war keine große Stunde des Teamgeistes der Europäischen Union."

Cameron selbst sieht das natürlich völlig anders: "Wenn wir keine Schutzklauseln bekommen, ist es besser, draußen zu bleiben." Seine Ablehnung sei eine "harte, aber gute Entscheidung" gewesen. Bestätigung erfährt er in seiner Sichtweise aus der Londoner City, dem Herz der britischen Finanzwelt, die Cameron durch seine Forderungen schützen wollte. "David Cameron ist ein Coup gelungen", sagte Bürgermeister Boris Johnson, langjähriger Freund des Premiers. Außenminister William Hague pochte darauf, dass Großbritannien keinesfalls an Einfluss in Europa eingebüßt habe und nun isoliert dastehe. Man sei weiter im Klub, und in Fragen etwa von Wirtschaft und Verteidigung spiele man ganz vorne mit.

Neugründung der EU - ohne die Briten?
Diese Sichtweise teilen freilich nur die wenigsten EU-Kollegen. Im EU-Parlament wird mittlerweile sogar schon darüber gemunkelt, die EU neu zu gründen - aber diesmal ohne die bremsenden Briten. Eine solche Forderung ist etwa von den Vertretern der deutschen FDP zu hören. Spätestens dann würde sich Camerons Sieg vom Freitag wohl in eine verheerende Niederlage umwandeln.

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